Essen. 150 Jahre Villa Hügel: Stiftung zieht eine überaus positive Zwischenbilanz. Erstes Open-Air-Konzert in der Hügel-Geschichte mit Helge Schneider.

Zur Halbzeit des Jubiläumsjahres wartete die Krupp-Stiftung nicht nur mit dem ersten und sehr gelungenen Open-Air-Konzert in der 150-jährigen Geschichte der Villa Hügel auf, auch insgesamt fällt die Zwischenbilanz ausgesprochen positiv aus: „Dass das Interesse so riesig sein würde, haben wir nicht erwartet“, sagt Barbara Wolf, Sprecherin der Krupp-Stiftung. Der „Mythos Krupp“ und alles, was damit zusammenhängt, scheint nach wie vor eine große Faszination auszuüben, und das nicht nur in Essen, sondern weit darüber hinaus.

Todschick im rotbraunen Cordanzug: Helge Schneider zeigte nicht nur, was er an Klavier, Saxophon und einigen anderen Instrumenten leisten kann, er war auch sonst in Hochform.
Todschick im rotbraunen Cordanzug: Helge Schneider zeigte nicht nur, was er an Klavier, Saxophon und einigen anderen Instrumenten leisten kann, er war auch sonst in Hochform. © Schuchrat Kurbanov

Führungen, Konzerte, aber auch die erst im September anstehenden Filmvorführungen – alles war und ist stets restlos ausverkauft, so Wolf. Das galt auch für das Konzert am Freitagabend (7. Juli). 600 Karten wurden angeboten, binnen Stunden waren sie vergriffen. „Wir hätten leicht das Doppelte und mehr verkaufen können.“ Die Stiftung entschied sich aber, den Hügel nicht durch den Charakter einer Massenveranstaltung zu überfrachten.

Auftritt von Helge Schneider – intime Veranstaltung unter perfekten Bedingungen

So blieb der Auftritt des Multitalents Helge Schneider mit dem Folkwang Jazz Orchestra eine fast intime Veranstaltung unter perfekten Bedingungen. Auf dem Platz zwischen dem großen und dem kleinen Haus hatte die Stiftung die Bühne aufbauen lassen, davor in engen Reihen die Stühle aufgestellt, sodass die Besucher neben den Musikern auch die berühmten Gebäude im Blick hatten. Das Wetter verwöhnte mit knapp 30 Grad und einem lauen Lüftchen. Ein Sommertraum, der auch Helge Schneider zu erfassen schien, der ankündigte, er habe „das hier“ bereits gekauft, aber nicht nur wegen der Häuser. „Auch das Grundstück gefiel mir.“

Engagiert bei der Sache: die jungen Musiker des Folkwang Jazz Orchestra.
Engagiert bei der Sache: die jungen Musiker des Folkwang Jazz Orchestra. © Schuchrat Kurbanov

In diesem Stil witzelte sich der Mülheimer durch den Abend, vom Leiter des Folkwang Jazz Orchestra, Ansgar Striepens, als „Meister der Improvisation“ angekündigt. „Uns geht es wie Ihnen, wir wissen auch nicht, was heute Abend so passieren wird“, so Striepens zum Publikum, und damit hatte er nicht zu viel versprochen.

Schneider zeigte sich in Bestform, und das nicht nur in seiner bekannten Rolle als Stegreif-Komiker, sondern auch und gerade als Jazzer, der auf vielen Instrumenten brillieren kann. Die hochmotivierte Nachwuchs-Truppe der Folkwang-Hochschule war dabei weit mehr als nur Hintergrund. Star und Band harmonierten gut, und das auch, weil Helge Schneider keine Star-Allüren erkennen ließ, vielmehr allen ihre Stiche gönnte. Großes Pech, dass gleich das zweite Konzert am Sonntag (9. Juli) mit Saxophonistin Karolina Strassmayer und dem Chamber Jazz Orchestra den Unwetterwarnungen zum Opfer fiel.

Helge Schneider ließ seinen Mitspielern viel Raum, auch den beiden hervorragenden Vokalistinnen.
Helge Schneider ließ seinen Mitspielern viel Raum, auch den beiden hervorragenden Vokalistinnen. © Schuchrat Kurbanov

Das Wetter hielt übrigens bisher anscheinend kaum jemanden ab, das Hügel-Jubiläumsprogramm wahrzunehmen. Selbst so relativ schwergängige Künstler-Kost wie die Lichtinstallation an der Villa Hügel zog im verregneten Spätwinter dieses Jahres 25.000 Besucher an. Nach eigenen Angaben völlig überwältigt wurde die Stiftung dann von der Beliebtheit der Führungen, die Räume der Villa Hügel zugänglich machten, die sonst für Besucher verschlossen sind. Auch hier seien die Zeitfenster für die Anmeldungen regelmäßig bereits nach wenigen Stunden geschlossen worden.

Über 60 Menschen stellten private Dokumente und Fotos zur Verfügung

Als großen Erfolg wertet Barbara Wolf ferner die Einladungen an die Essener, die aus allen Essener Stadtteilen per Postwurfsendung auf den Hügel eingeladen wurden. Auch der Bitte, persönliche Erinnerungen und Fotos von Hügel-Besuchen zur Verfügung zu stellen, seien immerhin über 60 Menschen nachgekommen. Ein großer Teil dieser privaten Dokumente wird derzeit in der unteren Halle per Beamer den Besuchern gezeigt.

Die Installation „kontraste
Die Installation „kontraste" von Eva-Maria Joeressen und Klaus Kessner stand am Auftakt des Jubiläumsjahres. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Als weiteres Highlight steht nun die Transformation der oberen Halle zum professionellen Kinosaal an, gezeigt werden Klassiker wie „Shining“, „House of Gucci“ oder „Bang Boom Bang“. Auch das Filmerlebnis im Wohnzimmer der Krupps war begehrt und binnen kurzem ausverkauft. Als Angebot für die an der Krupp-Geschichte näher interessierten wird es demnächst noch einen Filmabend geben mit historischen Schätzen aus dem Krupp-Archiv, das Filme besitzt, die eine Spanne von 1902 bis zur Gegenwart abdecken.

Stiftung sieht sich bestätigt, dass die Öffnung des Hügels der richtige Schritt war

Kurzum: Die bisher gewaltige Resonanz, habe der Stiftung verdeutlicht, wie richtig man lag, den Hügel stärker zu öffnen, betont Barbara Wolf. Tatsächlich wäre vieles, was hier gerade geschieht, noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen, als man zwar den Mythos pflegte und gelegentlich zu klassischen Konzerten und Ausstellungen lud, Besuchern aber nicht einmal Gelegenheit bot, eine Tasse Kaffee zu trinken.

Auf diesem Weg will man nun weiter gehen. Was genau über das Jubiläumsjahr hinaus Bestand haben wird, sei im Einzelnen noch in der Diskussion. „Die Spezialführungen werden wir aber weiter anbieten und wahrscheinlich auch Kinofilme“, sagt Sprecherin Wolf. Und ja, auch ein Getränk und kleinere Speisen werde es wohl weiterhin geben.