Essen. Das Essener Trinkwasser stammt aus Uferfiltrat der Ruhr, Knappheitssorgen erscheinen übertrieben. Manches Problem entsteht erst durch Sparen.
Mit Ressourcen sparsam umzugehen, ist für viele selbstverständlich, das gilt auch fürs Trinkwasser. Doch hat Sparsamkeit beim Wasser tatsächlich ökologischen Nutzen oder ist es nur gut fürs persönliche Umweltgewissen? Die Frage ist berechtigt, wenn das Trinkwasser wie beispielsweise in Essen aus der Ruhr gewonnen wird, die mehr als genug davon bereitstellt. „Dieses Thema können wir in aller Regel tatsächlich gelassen angehen“, sagt Lars Martin Klieve, Vorstand der Stadtwerke, die Essen mit Trinkwasser versorgen. Wobei gelassen nicht mit verschwenderisch zu verwechseln sei.
„Weil unser Wasser nicht aus Grundwasservorkommen stammt, sondern aus dem Uferfiltrat, sind wir in einer komfortablen Lage“, so Klieve. Denn von bisher sehr seltenen Ausnahmesituationen abgesehen, fällt die Ruhr nie unter eine bestimmte Durchflussmenge, die den Wasserwerkern dann Probleme machen könnte. Durch das umfassende Talsperrensystem des Ruhrverbands gibt es bei großer Trockenheit die Möglichkeit, dem Fluss zusätzliches Wasser zuzuführen, umgekehrt dienen die Stauseen in regenreichen Zeiten als Speicher.
„Einsparen“ lässt sich das stetig Richtung Meer fließende Ruhrwasser ohnehin nicht
Praktisch formuliert: Ob das Wasser der Ruhr direkt in den Rhein und dann ungenutzt ins Meer fließt oder zuvor einen Umweg über Duschen, Wannenbäder oder Schwimmbecken macht, gilt zumindest unter wasserökologischen Gesichtspunkten nicht als kriegsentscheidend. Im engeren Sinne „einsparen“ lässt sich das stetig dahinfließende Ruhrwasser naturgemäß ohnehin nicht. Zudem wird dieses Wasser nicht „verbraucht“, sondern nur genutzt, um dann wieder in den Kreislauf zurückzukehren.
„Wir brauchen also keinen Alarmismus“, stellt Klieve klar. Allerdings machen die Stadtwerke darauf aufmerksam, dass sowohl die Wasseraufbereitung, als auch die Reinigung in Kläranlagen, Energie verbraucht. Schon deshalb hält auch Vorstand Klieve zwar verbissenes Sparen für übertrieben, will andererseits aber auf keinen Fall einer Verschwendung das Wort reden: „Eine verantwortungsvolle Nutzung unseres Trinkwassers ist auf jeden Fall angemessen.“
Dabei kann auch der Preis ein Hebel sein, um Verschwendungsimpulse im Zaum zu halten. Immerhin berechnen die Stadtwerke mittlerweile 2,21 Euro pro Kubikmeter. Noch höhere Kosten verursacht die Entwässerung, die wiederum die Stadt Essen über die Wohnnebenkosten kassiert.
Wenn Trinkwasserversorgung vom Grundwasser abhängt, kann die Lage anders sein
Viel dramatischer stellt sich das Trinkwasserthema schon in Südeuropa, aber manchmal auch in jenen deutschen Regionen dar, die Grundwasser fördern müssen, um den Bedarf von Haushalten und der Industrie zu decken. Im Prinzip erneuert sich Grundwasser zwar, doch vielerorts nicht mehr so schnell, wie es nötig wäre, um die Entnahmen zu kompensieren. Hier funktioniert der Kreislaufgedanke also schlechter als beim Uferfiltrat, Wassersparen hat folglich eine ganz andere Bedeutung als in Überflussregionen, wo es derzeit noch mehr um Umweltpädagogik als um wirklich praktischen Nutzen geht.
Doch kann Essen darauf zählen, dass die „komfortable Lage“ immer so bleibt? Vollkommen sicher ist das nicht. Nach dem ziemlich trockenen Sommer 2022 seien beim Ruhrverband die Talsperren derzeit dank des nassen Winters und Frühjahrs rund sechs Prozent voller als für diese Jahreszeit üblich und nur knapp von einem Vollstau entfernt, heißt es in einer Mitteilung. „Die Grundlage für eine sichere Trinkwasserversorgung aus dem Talsperrensystem ist also für diesen Sommer und Herbst vorhanden, und wir gehen davon aus, dass sie es auch darüber hinaus sein wird“, so Ruhrverbands-Sprecherin Britta Balt. Sollte die winterliche Aufstauphase zwischen zwei trockenen Sommern einmal ganz oder teilweise ausbleiben, seien Engpässe aber denkbar.
Ruhrverband plädiert in jedem Fall für sorgsamen Umgang mit der Ressource Wasser
Wie sich der Klimawandel auf diesen Prozess genau auswirkt, ist unklar, es gibt Szenarien, die künftig in unseren Breiten eher sogar mehr als weniger Regen prognostizieren. Zu Sorglosigkeit besteht nach Ansicht des Ruhrverbands aber jedenfalls kein Anlass: „Darauf, dass der Klimawandel die Wasserwirtschaft vor große Herausforderungen stellt und deshalb ein sorgsamer Umgang mit der Ressource Wasser grundsätzlich wichtig und notwendig ist, weisen wir regelmäßig hin“, so Balt. Der Ruhrverband plädiere deshalb dafür, Wasser als kostbares Gut zu begreifen, das weder verschwendet noch gar geschädigt und verunreinigt werden sollte.
Letzteres dürfte unstrittig sein. Wie man sich ansonsten verhält, ist aber zumindest in Regionen, die für ihre Versorgung kein Grundwasser benötigen, bis auf weiteres eine Frage des persönlichen Umweltverständnisses. Wenn Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) Städte lobt, die beim Wassersparen restriktiv vorgehen, und Pool-Besitzern ins Gewissen redet, mag dies mancher als weise Vorsorge mit Blick auf eine kargere Zukunft, ein anderer aber als überzogene Umweltpädagogik empfinden. In Essen zumindest hat man derzeit noch die Wahl.
Technische und bakterielle Probleme drohen bei zu viel Spardrang
Wenn Haushalte allzu sparsam mit Wasser umgehen, kann das übrigens auch technische Probleme nach sich ziehen, die die Stadtwerke dann beheben müssen. Die Abwasserleitungen drohen bei zu geringem Durchfluss wegen der dann konzentrierteren Rückstände Schaden zu nehmen. „Dann müssen wir sie durchspülen“, sagt Vorstand Lars Klieve. Und auch das geschieht, womit sonst, mit Trinkwasser.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Salmonellengefahr im Trinkwasser, die stark wächst, wenn Verbraucher es als umweltpolitische Ehrensache empfinden, so selten wie irgend möglich den Wasserhahn aufzudrehen. In stehendem Wasser vermehren sich Bakterien zumal im Sommer prächtig. Experten raten deshalb, lieber auch dann mal kräftig und sogar heiß fließen zu lassen, wenn es dazu gar keinen Bedarf gibt – auch wenn’s schwerfallen mag.