Essen. Die Pleite der Essener Bau-Unternehmensgruppe Harfid trifft Teile der Belegschaft hart. Mehrere Dutzend warten auf Lohnzahlungen – und klagen.
Als die Essener Unternehmensgruppe Harfid mit rund 300 Mitarbeitern im vergangenen Herbst jäh ins Wanken geriet, war die Hoffnung des Gründers auf eine rasche Sanierung und Neuaufstellung noch groß. Doch gut zehn Monate später kann von einer Rettung keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Das einst so stürmisch gewachsene Erfolgsunternehmen gleicht einem Trümmerhaufen. Das vorerst letzte Kapitel des dramatischen Niedergangs hat das Amtsgericht Essen aufgeschlagen, als es am vor gut sechs Wochen am 24. Mai das Insolvenzverfahren gegen die Harfid Holding GmbH eröffnet hat – wegen „Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung“. Die Überschuldung der gesamten Gruppe soll nach Einschätzung von Insidern bei weit über 100 Millionen Euro liegen.
Fast 40 Klagen gegen Harfid stehen auf der Streitliste des Arbeitsgerichtes Essen
Nicht nur Handwerksunternehmen, Kleinanleger und Geschäftspartner von Projektgesellschaften schauen wegen der Harfid-Pleite betrübt in die Röhre, auch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich übers Ohr gehauen. Beim Arbeitsgericht Essen sind aktuell immer noch mehrere Dutzend Klagen gegen Harfid-Gesellschaften und deren Nachfolger anhängig. „Es handelt sich überwiegend um Zahlungsklagen“, sagt Richterin Katja Buschkröger, die Sprecherin des Essener Arbeitsgerichtes. Verbitterte Harfid-Mitarbeiter warten bis heute auf zum Teil mehrere noch ausstehende Monatsgehälter.
Was die ohnehin enttäuschten Mitarbeiter als Respektlosigkeit der Harfid-Bosse auslegen und sie zusätzlich in Rage bringt: Bei den Kammerterminen haben die Harfid-Verantwortlichen auffallend häufig durch Abwesenheit geglänzt. „In 90 Prozent der Fälle sind Versäumnisurteile ergangen“, sagt die Sprecherin des Arbeitsgerichts auf Anfrage.
Die schwerwiegende Schieflage der Harfid-Gruppe trat erstmals zutage, als die Bausparte – die Harfid GmbH – mit mehr als 150 Beschäftigten am 16. September 2022 in Konkurs ging. An Heiligabend folgte die nächste Pleite, auch die Harfid Hochbau war insolvent.
Harfid Hadrovic: Aufstieg vom Flüchtlingskind zum Vorzeigeunternehmer mit Doktortitel
Zwischenzeitlich hatte Unternehmensgründer Harfid Hadrovic, der vom Flüchtlingskind aus Bosnien zum Vorzeigeunternehmer mit Doktortitel und schließlich zum einflussreichen Sponsor der Revierklubs Schalke 04 und Rot-Weiss Essen aufgestiegen war, große Hoffnungen in einen neuen Mehrheitsgesellschafter gesetzt: Doch der Einstieg der Whitefield GmbH (Berlin) in die Holding zerplatzte schon nach wenigen Wochen wie eine Seifenblase. „Wir haben die Reißleine gezogen und werden den Vertrag mit Harfid auflösen“, kündigte Whitefield Mitte Februar 2022 an. Der Begründung mangelte es nicht an Klarheit: „Wir haben schon viel Geld verloren und wollen bei Harfid kein weiteres Geld mehr reinwerfen“, hieß es. Nach Whitefield-Angaben soll es damals nicht weniger als 23 Insolvenz-Anträge von Gläubigern gegen die mehr als 30 Harfid-Gesellschaften gegeben haben.
Mit Zustimmung des Insolvenzverwalters Dr. Biner Bähr aus Essen waren von Whitefield noch vor dem Rückzieher mehr als 100 Bauarbeiter aus der insolventen Bausparte herausgekauft und in die Whitefield-Tochter Westwork überführt worden. Dem Vernehmen nach sind dafür rund 1,5 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt worden. Genutzt hat es den Bauleuten wenig, denn sie standen wenig später ein zweites Mal auf der Straße. Aktuell sind vor dem Arbeitsgericht noch drei Klagen gegen Westwork anhängig. Die Westwork habe die Mitarbeiter lediglich für einen Monat übernommen „als Übergang für die Auffanggesellschaft“ der Gebrüder Hadrovic und des ehemaligen Geschäftsführers B., heißt es bei Whitefield.
Holding: Insolvenzverwalter teilt vor kurzem mit, dass „Masseunzulänglichkeit“ vorliegt
Die meisten Klagen – nämlich 26 – gibt es nach Angaben des Essener Arbeitsgerichtes zurzeit gegen die „Ruhr Construction“, die aus der Harfid Development GmbH hervorgegangen war. Fünf Klagen sind noch bei der Harfid Hochbau anhängig.
Insider hatten das Insolvenzverfahren der Harfid Holding schon lange kommen sehen. Deshalb überrascht eher die späte Eröffnung am 24. Mai 2023. Denn tatsächlich ist der Insolvenzantrag bereits am 20. September 2022 bei Gericht eingegangen, nur vier Tage nach der Insolvenz der GmbH. Seitdem sind gut acht Monate ins Land gegangen. Die Suche des Insolvenzverwalters nach Vermögenswerten sollte nicht lange dauern. Denn nach Mitteilung des Amtsgerichtes Essen „ist am 27.06.2023 die Anzeige des Insolvenzverwalters eingegangen, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt“. Das heißt: Die Insolvenzmasse reicht nicht mal aus, um die Kosten für das Insolvenzverfahren zu decken.
Schicke Firmenzentrale, exklusive Ausstattung, Luxusautos und Millionen-Sponsoring
Hat sich Unternehmensgründer Harfid Hadrovic bei seiner rasanten Expansion verhoben und obendrein womöglich zu viel Wert auf Außenwirkung gelegt?
Die Immobilienzeitung berichtete im März über die „besonders exklusive Ausstattung der Büroräume“ in der bisherigen Harfid-Zentrale in der Lindenallee. Und in der Tiefgarage habe es einen „stattlichen Fuhrpark mit Luxusautos aus Stuttgart und München“ gegeben. Hinzu kommt das millionenschwere Fußball-Sponsoring für die beiden Traditionsklubs Schalke 04 und Rot-Weiss Essen, zu dem auch die Logen in der Veltins-Arena und im Stadion an der Hafenstraße gehörten. Aus denen hat sich Harfid ebenso zurückgezogen wie von den Fußballtrikots. Bei Schalke prangt inzwischen der Name Whitefield an Trikotärmel und Bande.
Die 2500 Quadratmeter große Firmenetage in der Lindenallee musste von Harfid zum 1. März komplett geräumt werden. Laut Immobilienzeitung habe der Hauseigentümer zum Monatswechsel sogar die Schlösser auswechseln lassen. An die glanzvollen Tage von Harfid erinnert heute nur noch das Firmenschild an der Eingangstür.
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