Essen. Wie Pirouetten-Queen Adeline Pastor und ihre langjährige Kollegin Elisa Fraschetti in ihr zweites Leben nach der Bühnenkarriere starten.

Die eine hat 25 Jahre getanzt, die andere 17 Jahre. Viele schaffen das nicht“, sagen beide stolz. Rund 3.520 Schuhe sind in dieser Zeit auf der Bühne zerschlissen, fünf Kinder geboren worden. Die Französin Adeline Pastor und die Italienerin Elisa Fraschetti beenden die Bühnenkarriere auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen Fähigkeiten. „Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollen mich auf meinem jetzigen Niveau in Erinnerung behalten“, so Adeline Pastor. Am Donnerstag ist sie mit ihrer ganzen Energie zum letzten Mal in „Rock around Barock“ im Aalto-Theater zu sehen.

Mit 17 und 18 Jahren die Bühnenkarriere gestartet

Wie Elisa Fraschetti hat Adeline Pastor mit acht Jahren ihre Ballettausbildung begonnen. Als sie klassisch ausgebildet aus Kuba zurückkehrte, landete die damals 17-Jährige in Wiesbaden bei Ballettchef Ben Van Cauwenbergh. Er nahm sie 2008 mit nach Essen und ermöglichte ihr, eine Solo-Karriere sowie den Wiedereinstieg nach den Schwangerschaften. Ihre Tochter ist zehn Jahre, die Zwillinge sind sieben. „In vielen Compagnien ist das gar nicht möglich. Als Tänzerin steht uns für beides nur ein gewisser Zeitraum zur Verfügung. Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass es für mich privat und als Tänzerin so perfekt gelaufen ist“, meint die 40-Jährige, die mit Davit Jeyranyan, ebenfalls Tänzer am Aalto-Theater, „die große Liebe und den richtigen Mann“ gefunden hat.

Paraderolle für Adeline Pastor als widerspenstige Katharina und Moises León Noriega als Draufgänger Petrucchio in John Crankos „Der Widerspenstigen Zähmung“ des Aalto-Ballett Essen.
Paraderolle für Adeline Pastor als widerspenstige Katharina und Moises León Noriega als Draufgänger Petrucchio in John Crankos „Der Widerspenstigen Zähmung“ des Aalto-Ballett Essen. © Aalto Ballett Essen | Bettina Stöß

Mit den Choreographen David Dawson und Patrick Delcroix sowie der Cranko-Choreologin Jane Bourne arbeiten zu können, hat sie besonders gefreut. „Ich habe alles aufgesogen“, betont sie. „Jede Rolle war wichtig“, doch diese besonders: Die Kitri in „Don Quichotte“. „Sie entspricht meinem Temperament“, erklärt sie. Die Piaf in „La vie en rose“ hat ihr Gesangstalent offenbart und die Katharina in „Der Widerspenstigen Zähmung“ ihre Ausdruckskraft und ihren Humor. Neben ihrem tänzerischen Können, aus dem ihre Pirouetten hervorstechen, wurde sie für all das mit dem Aalto-Bühnenpreis 2020 geehrt, der ihr pandemiebedingt ein Jahr später verliehen wurde.

Die Rolle der widerspenstigen Katharina haben sie sich geteilt

Mit Elisa Fraschetti hat sie sich so manche Rolle geteilt, darunter die wilde Katharina und den Part in „Rock around Barock“. Die in ihrer Geburtsstadt Rom, in Monaco und München ausgebildete Tänzerin wurde 2006 mit 18 als Ballettpraktikantin von dem damaligen Ballettdirektor Martin Puttke engagiert. Aus einem Jahr wurden 17 Jahre. „Es war eine so schöne Zeit, in der ich klassisch, neoklassisch und modern tanzen konnte“, erzählt sie strahlend. Aufgestiegen zur Gruppentänzerin mit Soloverpflichtung trat sie in der Titelrolle von Stijn Celis „Cinderella“ auf, war als Penelope mit ihrem Mann Tomáš Ottych als Odysseus in Patrick Delcroix’ zeitgenössischer Produktion „Odyssee“ zu sehen oder genoss es, Ohad Naharins Bewegungssprache Gaga für „Deca Dance“ zu erlernen. Und sie bekam zwei Kinder.

Abenteuer trifft auf echte Emotinen: Tomáš Ottych (Odysseus) und seine Frau Elisa Fraschetti (Penelope) in „Die Odyssee
Abenteuer trifft auf echte Emotinen: Tomáš Ottych (Odysseus) und seine Frau Elisa Fraschetti (Penelope) in „Die Odyssee" von Patrick Delcroix, © Aalto Balllett Essen | Bettina Stöß

Zukunft als Orchesterdisponentin und als Kauffrau

Ottych, der ehemalige Solist von Puttke, trat vor vier Jahren von der Bühne ab und ist heute als Orchesterwart am Aalto-Theater tätig. Aber auch sie muss sich, obwohl sie noch ein paar Jahre hätte tanzen können, ihrem zweiten Leben stellen. Schließlich steht im kommenden Jahr der Abschied des Ballettintendanten an und eine Übernahme ist ungewiss. „Die Angst, was aus uns wird, begleitet uns von Anfang an“, erklärt die 35-Jährige. „Vielen fällt es schwer, ohne Bühne, ohne Publikum und ohne physische Leistung auszukommen.“ Sie selbst hat es mit Ausbildungen zur Fitnessstudio-Managerin und Yoga-Lehrerin versucht, war aber nicht überzeugt, dass ihr damit ein Neustart gelingt.

Abschiedsabend

Mit der letzten Vorstellung von Ben Van Cauwenberghs Ballettabend „Rock around Barock“ wird am heutigen Donnerstag, 22. Juni, 19.30 Uhr, die Solotänzerin Adeline Pastor verabschiedet. Ihre Kollegin Elisa Fraschetti hat dieses emotionale Ereignis bereits vor einigen Wochen durchlebt.

Karten gibt es in allen Preiskategorien telefonisch unter 0201/ 8122 200 oder online auf www.theater-essen.de

Als die Stelle der Orchesterdisponentin ausgeschrieben wurde, bewarb sie sich mit Erfolg. Gerade wird sie eingearbeitet. Mit den Tarifverträgen von Musikern muss sie sich auskennen, Dienst- und Besetzungspläne betreuen und dafür sorgen, dass die Auftritte der Philharmoniker auch bei Ausfällen reibungslos verlaufen. Kommunikation ist nun ihr Geschäft, mit dem sie hoffnungsvoll in die Zukunft blickt. Für Adeline Pastor ist es eine Ausbildung als Bürokauffrau. Wie Elisa Fraschetti ist sie unkündbar. Sie wird künftig mit geregelten Zeiten im Ticket-Center der Theater und Philharmonie arbeiten und ihren Kindern das geben können, was sie sich schon lange wünschen. „Sie haben mich immer gefragt, warum sie nicht jeden Abend einen Kuss bekommen können“, sagt sie. Bald ist das möglich. Die freien Wochenenden gibt es obendrauf.

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