Nach den Tumulten zwischen Libanesen und Syrern in Essen patrouilliert die Polizei in der Innenstadt. Die Stimmung ist angespannt.
Nach der dramatischen Eskalation zwischen Syrern und Libanesen in der Essener Innenstadt am Freitagabend (16. Juni) sind einen Tag später bei Polizei-Kontrollen Waffen in den Autos von Verdächtigen gefunden worden. Das teilte die Polizei Essen mit. Die Rede ist von so genannten „Hieb- und Stichwaffen“, aber auch von Baseballschlägern und Messern. Im Internet, heißt es, sollen sich Mitglieder verfeindeter Großfamilien auch nach den Geschehnissen in Essen und Castrop-Rauxel weiter mit Beleidigungen und Rache-Ankündigungen überziehen.
100 Beteiligte bei Eskalationen, zwei verletzte Polizisten
Die Behörden haben am Wochenende nach den tumultartigen Ereignissen am Freitag in der nördlichen Innenstadt, die phasenweise an bürgerkriegsähnliche Zustände erinnerten, ihre Kontrollen in der Essener Innenstadt massiv verstärkt. Am Samstagabend, 24 Stunden nach den Eskalationen, patrouillierten mehrere Polizei-Fahrzeuge die betroffenen Straßenzüge. Bei den Auseinandersetzungen hatte es mehrere Verletzte gegeben, unter anderem zwei Polizisten. An den Schlägereien sollen etwa 100 Männer beteiligt gewesen sein. In der Nacht von Sonntag hingegen blieb es ruhig: Weder die Leitstelle der Polizei in Essen noch die für Castrop-Rauxel zuständige in Recklinghausen meldeten am Morgen auf Aufrage besondere Vorkommnisse.
Die Polizei unterband die Gewalt am Freitag mit einem beeindruckenden Großaufgebot, bekam auch Hilfe aus anderen Städten. Unbeteiligte Autofahrer steckten teilweise bis zu einer Stunde fest, unter anderem auf der Friedrich-Ebert-Straße, es gab kein Durchkommen mehr, während flächendeckend ganze Straßen und Plätze in zuckendes Blaulicht der Einsatzfahrzeuge getaucht waren. Auch ein Helikopter war im Einsatz, die Polizei sprach von einer „dynamischen Lage“: Auf der Wiese der „Grünen Mitte“ hatte die Gewalt am Freitag gegen 21.30 Uhr begonnen, doch blitzschnell gab es auch andere Schauplätze – zum Beispiel am Salzmarkt neben dem Kennedyplatz.
Dort gingen Männer vor den syrischen Lokalen „Café Almidan“ und „Almidan Aldimaschki“ aufeinander los, viele flüchteten sofort. Ein Video, das seit Samstag im Internet kursiert, veranschaulicht die Lage auf beängstigende Weise.
Wenige Stunden nach den Eskalationen hatten das NRW-Innenministerium und die Essener Polizei verstärkte Kontrollen angekündigt. „Die Einsatzkräfte werden auch weiterhin alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um weitere Auseinandersetzungen zu unterbinden“, teilte die Essener Polizei am Samstag mit. Oberbürgermeister Thomas Kufen schrieb im Sozialen Netzwerk Facebook: „Polizei und Stadt dulden solche Tumultszenen in unserer Stadt nicht.“
Die Reaktionen im Netz sind seitdem erwartbar: Wut und Fassungslosigkeit spricht aus den Kommentaren, die Bürger veröffentlicht haben. Viel ist von „verfehlter Integrationspolitik“ die Rede, vom mangelnden Respekt vor deutschen Gesetzen; sehr viele Nutzer werden sehr viel deutlicher.
Die Polizei Essen hat mittlerweile ein Hinweis-Portal freigeschaltet: Dringend gesucht werden Fotos und Videos vom Verlauf der Auseinandersetzungen.
Die nördliche Innenstadt am Samstagabend (17. Juni): Die Geschäftsbetriebe laufen wieder vermeintlich ganz normal. Auch an diesem Abend sitzen Hunderte vor den Cafés und Shisha-Bars in Essens nördlicher City. Vor dem „Arabesk“, einem arabischen Lokal auf der Friedrich-Ebert-Straße, ist Großbetrieb wie immer; vor einem gegenüberliegenden Waschsalon stehen Männer und schauen herum, als ob sie förmlich darauf warteten, dass wieder etwas passiert.
Viele Polizeifahrzeuge an den Kreuzungen in der nördlichen Innenstadt und an den Zugängen zum Salzmarkt mitten in der Innenstadt weisen an diesem Abend darauf hin, dass etwas anders ist als sonst – auch wenn auf dem Salzmarkt wieder reger Betrieb herrscht, überwiegend orientalisches Publikum besetzt die Tische. Nur 50 Meter weiter, am Kennedyplatz, sitzen weitgehend Deutsche im „Café Extrablatt“ und den benachbarten Betrieben – anschaulicher geht es kaum, was das Nebeneinander verschiedener Kulturen in einer einzigen Stadt angeht.
Die Nächte seit Freitagwaren bislang ruhig
Und im „Café Almidan“ am Salzmarkt – dort, wo zwischen Stühlen und Tischen die Gewalt tobte im Herzen der Essener Innenstadt? „Unser Chef ist im Urlaub, wir können leider nichts sagen“, erklären die Mitarbeiter am Sonntag gegenüber unserer Redaktion.
Die schlimmsten Clan-Auseinandersetzungen im Essener Stadtgebiet in den letzten Jahren:
- Im Juni 2022 gehen zwei Tage lang mehrere hundert Männer auf der Altendorfer Straße aufeinander los. Angeblich geht es um den Streit über einen Parkplatz. Ein 30-Jähriger wird durch einen Messerstich gefährlich verletzt. Innenminister Reul sagt: „Die Vorgänge sind ein Hinweis darauf, dass wir es noch nicht im Griff haben.“
- Mai 2020: In der Hochhaussiedlung Hörsterfeld gibt es tagelange Auseinandersetzungen.
- Im April 2016 wird ein 19-Jähriger auf der Friedrich-Ebert-Straße in Essens Nord-City auf offener Straße erschossen. Der Täter erhält lebenslang.