Essen. Im Ringen ums Bundesfotoinstitut setzt Essen auf neue Verhandlungen mit Düsseldorf. Rechtsgutachten gibt Rückenwind. Was die Stadt erreichen will

Recht haben und Recht bekommen, das weiß man, können mitunter zwei ganz verschiedene Paar Schuhe sein. Auch im Streit um das Bundesinstitut für Fotografie muss das jüngste Gutachten des Staatsrechtlers Helmut Siekmann nicht unbedingt der Garant dafür sein, dass die von vielen als falsch, von Siekmann sogar als Verstoß gegen das „Willkürverbot“ geahndete Entscheidung des Haushaltsausschusses des Bundestages für den Standort Düsseldorf noch einmal aufgehoben wird.

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Mit der Bundespolitik vertraute Menschen hegen offenbar nicht allzu große Hoffnungen, dass die Karten in Berlin einfach noch einmal neu gemischt werden. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Ampelkoalition da noch etwas ändern wird“, sagt etwa der Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer (CDU), der die seiner Ansicht nach sachlich verfehlte Festlegung auf Düsseldorf mehrfach kritisiert hat. Umso entscheidender könnte sein, ob es nun zu einem neuerlichen Verhandlungspoker mit der Stadt Düsseldorf kommt – und wie gut sich Essen dabei durchsetzen kann.

Die Bürgerinitiative mahnt: Essen darf sich nicht als Juniorpartner abspeisen lassen

Ein gemeinsamer Antrag von CDU und Grünen, den der Kulturausschuss am heutigen Mittwoch, 7. Juni, berät, rückt die weitere Strategie noch einmal auf die politische Agenda. Die Stadt, so heißt es, solle nun auf die Landes- und Bundesebene sowie auf die Stadt Düsseldorf zugehen. „Am Ende könnte eine Lösung mit zwei Standorten stehen“, heißt es in dem Papier, über das der Essener Rat am 21. Juni entscheiden wird. Nach Ansicht der Essener Bürgerinitiative Fotoinstitut kommt es dabei vor allem auf eines an: Man dürfe sich in Verhandlungen mit Düsseldorf nicht allzu kompromissbereit zeigen und am Ende zum Juniorpartner degradieren lassen.

Zwei Machbarkeitsstudien, die sich eindeutig für Essen als Standort ausgesprochen haben, dazu ein Gutachten, das die Entscheidung des Berliner Haushaltsausschusses zugunsten Düsseldorfs juristisch in Frage stellt: Dass alle Sach- und Fachargumente eindeutig für Essen als Standort eines Forschungsinstituts für Fotografie mit bundesweiter Bedeutung sprechen, ist aus Sicht der meisten Experten unzweifelhaft. So mancher stellt sogar in Frage, ob das von Star-Fotograf Andreas Gursky erdachte Konzept generell den Vorgaben eines Bundesinstituts entspricht – trotz zahlreicher Nachbesserungen am bisherigen Entwurf des Deutschen Fotoinstituts (DFI) in Düsseldorf.

Düsseldorfer Gründungskommission hat sich auch nach Monaten nicht konstituiert

Am Rhein tut man sich bislang ohnehin schwer, dem viel gescholtenen Beschluss des Berliner Haushaltsausschusses auch ansatzweise Taten folgen zu lassen. Die Gründungskommission, die eigentlich schon im Januar tagen sollte, hat sich bis zum heutigen Tag nicht konstituiert. Dem Vernehmen nach soll die Bereitschaft, dem Gremium anzugehören, bei den angefragten Fachleuten nicht übermäßig groß gewesen sein. Auch über den Standort des Fotoinstituts wird in der Landeshauptstadt weiter diskutiert.

Um den bislang nicht allzu glücklichen Verlauf in ein besseres Licht zu stellen, hat der Düsseldorfer Kulturausschuss dem Verein zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts gerade überplanmäßig einen Zuschuss von 76.000 Euro in Aussicht gestellt. Nicht nur die Öffentlichkeitsarbeit soll so verbessert werden. Man wolle sich um weitere Partner bemühen, auch in Essen, wo viel Kompetenz vorhanden sei, lässt sich Düsseldorfs Kulturdezernentin Miriam Koch (Grüne) in der „Rheinischen Post“ allerdings ohne ein Signal des besonderen Entgegenkommens vernehmen: „Man kann kooperieren oder es lassen.“

Kann womöglich ein Moderator zwischen den Kontrahenten vermitteln?

In der Landeshauptstadt beschäftigt derzeit ohnehin eine ganze andere Kultur-Großbaustelle die Politik. Die Kosten für den geplanten milliardenschweren Opern-Neubau wachsen in den Himmel. Nachdem die Düsseldorfer Grünen unlängst einen Planungsstopp gefordert haben, liegt das schwarz-grüne Verhältnis vorerst in Scherben. Wie sich das Zerwürfnis auf die künftige Gangart in Sachen Fotoinstitut auswirken wird, muss sich zeigen. Vor allem die Grünen-Politiker im Ruhrgebiet leiden schwer daran, dass ausgerechnet eine grüne Kulturstaatsministerin den Weg zum renommeeträchtigen Bundesinstitut im Ruhrgebiet verbaut hat – und sich von der Kritik aus NRW offenbar nicht sonderlich viel annimmt. Andeutungen von Claudia Roth, das Institut am Ende gar anderweitig zu vergeben, sollten sich die widerspenstigen NRWler nicht einigen, werden nicht nur von der Bürgerinitiative schon vorab als mögliche weitere juristische Verstöße gegeißelt.

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Manches erinnert mittlerweile an einem Boxkampf, in dem sich die Kontrahenten Runde um Runde um einen Punktsieg bemühen. Doch der entscheidende Punch will nicht gelingen. Statt eines Ringrichters, so meinen manche, könnte vielleicht noch ein Moderator die entscheidende Wendung bringen. Es wäre die klassische Schlichter-Aufgabe, bevor Essen am Ende womöglich doch noch den steinigen Klageweg beschreitet. Stephan Neumann, Co-Vorsitzender der Fraktion der Grünen und Mitglied im Essener Kulturausschuss, hofft noch auf eine einvernehmliche Lösung. „Wichtig ist, dass man miteinander spricht“, sagt Neumann. Es gehe jetzt darum, möglichst rasch im Sinne der Fotografie eine Lösung zu finden.