Essen. Die Resonanz auf die Socca WM in Essen übertrifft die Erwartungen. Viele Spiele finden vor vollem Haus statt. Security greift bei Rangelei ein.
Es ist Viertel vor zwei an diesem sommerlichen Dienstagnachmittag (6. Juni), da bricht in dem kleinen Fußballstadion auf dem Essener Kennedyplatz frenetischer Jubel aus. Die Ukrainer haben in ihrem zweiten Gruppenspiel gerade die Auswahl von Kasachstan mit 6:2 vom grünen Kunstrasen gefegt. Iwan, der Kriegsflüchtling aus Charkiw, feiert mit den Landsleuten aus dem Integrationskurs auf der Osttribüne und zeigt den nach oben gestreckten Daumen: „Die Atmosphäre im Stadion ist super.“
Es ist Halbzeit beim Socca World Cup, am Sonntagabend (11. Juni) um 20 Uhr wird das Finale angepfiffen. „Unsere Erwartungen sind jetzt schon übertroffen worden“, zieht Julia Colter nach fünf Turniertagen Zwischenbilanz. Sie ist Vizepräsidentin des Deutschen Kleinfeld-Fußball-Verbandes, der das Ballspektakel mit 44 Teams aus fünf Kontinenten ausrichtet, und gleichzeitig Organisationschefin.
Premiere in Deutschland: „Wir haben Neuland betreten und waren angespannt“
Es ist das erste Mal, dass Deutschland die Weltmeisterschaft im Kleinfeldfußball ausrichtet. „Wir haben Neuland betreten und waren angespannt“, sagt Colter. Essen zum Austragungsort zu machen, sei die richtige Entscheidung gewesen. Dass es gut laufen würde, habe sich gleich beim gelungenen Start am vergangenen Freitagabend gezeigt, als Deutschland vor vollem Haus das Eröffnungsspiel gegen Zypern knapp mit 1:0 die Oberhand behielt. Die 3000 im „ausverkauften“ Mini-Stadion mitten in der Essener Innenstadt tanzten ausgelassen auf den Stühlen.
Seitdem hat der Zuschauer-Andrang nicht mehr nachgelassen.
Die Zuschauer wissen sehr genau, dass der sportliche Wert dieses Turniers nicht im entferntesten vergleichbar ist mit den Weltturnieren der Profis. Die Turniermannschaften in Essen rekrutieren sich ausnahmslos aus Amateurspielern. Trotzdem kommen die Zuschauer auf ihre Kosten. Die Spiele (zwei Mal 20 Minuten) sind temporeich. Es gibt kein Abseits und viele Tore, kurzum: Der Unterhaltungswert ist hoch.
Teams aus der Türkei, China und Marokko haben in Essen „Heimspiele“
Sogar beim Marokko-Spiel gegen Irland war die Hütte voll – und das an einem Montag um 14 Uhr. Spätestens seit dem sensationellen Erfolg im Halbfinale bei der Winter-WM in Katar hat sich Marokko eingereiht in den Kreis der fußballverrückten Nationen. Das hat jetzt nicht nur die große maghrebinische Community an Rhein und Ruhr mobilisiert. „Es sind sogar marokkanische Fans aus Amsterdam angereist, um in Essen dabei zu sein“, sagt Colter. Nicht nur die Marokkaner hatten auf dem Kennedyplatz eine Art Heimspiel.
Die Socca WM in Essen spiegelt eindrucksvoll wider, wie bunt die Ruhrgebietsmetropole im Laufe der letzten Jahre geworden ist. Die Mannschaften aus der Türkei und China locken ebenfalls sehr viele Zuschauer an und sogar Albanien spielt vor beeindruckender Fan-Kulisse. Die argentinischen Fans sind zwar in deutlicher geringerer Anzahl, dafür umso lauter und sangesfroher. Selbst Exoten-Teams wie Mauritius sind nicht allein. Als die Kicker des winzigen Inselstaates aus dem indischen Ozean den Kunstrasen betreten, schwenkt ein Häuflein Landsleute auf der Tribüne stolz die Fahne.
Der freie Eintritt trägt dazu bei, dass das Publikum sehr gemischt ist. Morgens verfolgen Essener Grundschulen die Gruppenspiele, nachmittags kommen Fußball- und Sportvereine mit ihren Nachwuchsmannschaften. Viele Familien kommen ins Stadion und überdurchschnittlich viele Frauen, selbst solche, die ihr Haar unter dem Schleier verbergen.
Brasiliens Fußball-Idol Roberto Carlos adelt Socca WM mit seinem Besuch am Mittwoch
Es herrscht eine heitere und ausgelassene Atmosphäre auf dem Kennedyplatz. Strahlender Sonnenschein und der blaue Himmel, Temperaturen um 26 Grad und volle Ränge – das Sommermärchen von 2006 lässt grüßen. An diesem Mittwoch wird die Socca WM durch Fußball-Prominenz geadelt. Brasiliens Fußball-Idol Roberto Carlos (50), Fußball-Weltmeister von 2002 und mehrfacher Champions-League-Gewinner mit Real Madrid, weilt in der Stadt und hat sich am Nachmittag in der Arena angesagt.
Für unschöne Szenen im Stadion sorgten Fans in der syrischen Ecke. Den ersten Vorfall gab es am Montag. Ein Mann mit syrischer Fahne, in der Stadt offenbar einschlägig als gewaltbereit bekannt, hat Augenzeugen zufolge auf der Nordtribüne einen Zuschauer geschlagen. Es sei kurz zu einem heftigen Gerangel gekommen, doch ehe der Streifenwagen der Polizei eintraf, habe sich der Provokateur aus dem Staub gemacht.
Am Dienstagnachmittag beim Spiel Kroatien gegen Syrien hat es erneut geknallt. Augenzeugen berichten von einer heftigen Schlägerei, die ebenfalls von syrischen Fans angezettelt worden sein soll. Dutzende Personen seien aufeinander losgegangen, heißt es.
Mitarbeiter des Essener Sicherheitsdienstes Issa seien nach Angaben des Veranstalters eingeschritten und hätten die Lage entschärft. „Das war ein unschöner Vorfall, aber ich bin glücklich, dass die Security die Situation schnell regeln konnte“, sagte die Organisations-Chefin auf Anfrage um 21.30 Uhr. Ihren Informationen zufolge habe es keine Verletzten gegeben. Zwei Personen seien der Tribüne verwiesen worden.
Die Polizei sprach am Abend von einer „kurzen Rangelei“ zwischen syrischen und kroatischen Fans, die Beamten vor Ort hätten aber nicht eingeschreiten müssen.
Gruppensieg: Deutsche Mannschaft besiegt Chile am Dienstagabend glatt mit 8:2
Wenn die deutsche Nationalmannschaft im Karree zwischen Motel One, Amerikahaus und Primark aufläuft, präsentiert sie auf ihrem Trikot den Schriftzug „Visitessen“, die Marke der Essener Marketing Gesellschaft. Deren Geschäftsführer Richard Röhrhoff hofft darauf, dass die WM-Spiele förderlich sind für das Image der Stadt. „Ein Stadion mitten in der Innenstadt zu bauen, trauen sich nicht viele“, sagt er und gibt sich selbstbewusst: „Das ist eine tolle Werbung für die Stadt und den Tourismus in Essen.“
Auch sonst präsentiert sich das deutsche Team um Mannschaftskapitän Kim Sippel in blendender Form. Am Dienstagabend (Anstoß 20 Uhr) schlugen die Deutschen Chile vor 3000 begeisterten Fans haushoch mit 8:2. Zwar waren die Südamerikaner mit 0:1 in Führung gegangen, doch die Deutschen nutzten ihre spielerische Überlegenheit, glichen aus und bauten ihre Führung weiter aus. Mit dem dritten Sieg im dritten Spiel ist Deutschland klarer Gruppensieger. 500 Zuschauer sahen das Spiel auf der Leinwand.
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