Essen. Immer wieder wird der Wolf um Essen herum gesichtet. Jäger glauben, dass er schon im Stadtgebiet war. Essen sollte sich wappnen, meint die FDP.
Im Januar dieses Jahres wurde in Wetter bei Witten ein Wolf gesichtet. Im Februar riss ein Wolf in Dinslaken an der Stadtgrenze zu Oberhausen 14 Schafe, in Bottrop kam zuletzt im September 2022 ein Schaf zu Tode. Es war nicht der erste Wolfs-Vorfall dort. Und jüngst, am Pfingstwochenende, wurde in Sprockhövel, südlich von Hattingen und Velbert, ein gerissenes Reh gefunden. Auch hier besteht der Verdacht, dass es ein Wolf gewesen sein könnte. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW listete im vergangenen Jahr landesweit 161 Wolfnachweise auf - davon einige in der weiteren Umgebung von Essen.
„Der Wolf ist im Ruhrgebietangekommen und ansässig geworden“, warnt der Essener FDP-Landtagsabgeordnet Ralf Witzel. Deshalb sei es nur noch eine Frage der Zeit, wann es auch im Essener Stadtgebiet zu Konflikten mit dem Wolf komme. Daher rät Witzel dringend, sich auch in Essen auf das Thema vorzubereiten. Essen brauche ein „Wolfsmanagement“.
Jäger: „Der Wolf war mit Sicherheit schon in Essen“
Um überhaupt erstmal zu wissen, ob und wie verbreitet der Wolf in und um Essen bereits ist, regt Witzel ein Monitoring an. Wichtige Erkenntnisse könnten beispielsweise Fotofallen liefern, die im Wald aufgestellt werden und auf Bewegungen reagieren. Witzel verspricht sich davon eine Art Vorwarnsystem. „Wir könnten dann rechtzeitig Tierhalter informieren und beraten. Und nicht erst, wenn etwas passiert ist.“
Aber wie realistisch ist es, dass der Wolf tatsächlich nach Essen findet? „Der Wolf war mit Sicherheit schon in Essen“, sagt Friedhelm Röttgen. Der 70-Jährige war bis Ende vergangenen Jahres 30 Jahre lang Kreisjagdberater und somit die Stimme der Essener Jäger. Ein Wolf könne allein in einer Nacht 30 bis 40 Kilometer zurücklegen, sagt Röttgen. Und so weit sind die bisherigen Nachweisgebiete schließlich kaum entfernt.
Helfen Fotofallen als Vorwarnsystem für den Wolf?
Auch Friedhelm Röttgen ist daher überzeugt davon, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein Wolf in Essen gesichtet wird – oder schlimmer noch – ein Nutztier reißt. In den ländlich geprägten Randbereichen von Essen sei dies sicherlich denkbar. Auch der Jäger mahnt: „Wir sollten darauf vorbereitet sein.“
Anders als Witzel hält Röttgen Fotofallen für kein probates Mittel. Zu aufwendig sei dies und bringe auch Probleme mit dem Datenschutz. Ihm geht es eher darum, dass sich die verantwortlichen Stellen im Vorfeld darüber austauschen sollten, was zu tun ist, wenn ein Wolf auftaucht. Röttgen nennt ein Beispiel: Wenn ein Wolf bei einem Verkehrsunfall verletzt wird, dürfe ein Jäger das Tier nicht mit einem Schuss erlösen. Denn die Jagd auf den Wolf ist streng verboten. „Was aber macht man dann?“ Außerdem sollten Landwirte wie Hobby-Tierhalter bereits im Vorfeld informiert werden, was zu tun ist, wenn ein Wolf Schäden angerichtet hat. „Ich weiß, dass es bei Haltern eine riesige Unsicherheit gibt“, berichtet der Jäger, der selbst einige Schafe hat.
Essener Schafhalter bereits in Sorge
Auch wenn noch niemand einen Wolf in Essen gesichtet hat – die Sorge bei Landwirten ist längst da. „Wenn der Wolf hier auftauchen würde, dann wäre er sicher nicht mein Freund“, meint Heinz-Walter Unterhansberg vom Hof Große Rombeck in Kettwig. Seine Familie züchtet seit vielen Generationen Schafe. 400 bis 500 Tiere stehen im Stall und auf den Weiden rund um den Hof. Sollte der Wolf auch nach Essen einwandern, dann befürchtet der Landwirt, dass vor allem Nutztiere zu Schaden kommen würden. „Hier gibt es vergleichsweise wenig Wild. Was will er sonst fressen?“
Schutzmöglichkeiten sieht er kaum. Den Unterhansbergs werden im Umfeld viele Weideflächen von den Besitzern angeboten, um dort mit den Schafen natürliche Grünpflege zu betreiben. Diese Wiesenflächen mit hohen Zäunen zu sichern, „das ist gar nicht möglich“, sagt der Landwirt. Heinz-Walter Unterhansberg ist kein Wolfsgegner. „In gewissen Gebieten hat der Wolf sicher seine Daseinsberechtigung. Aber hier? Da setze ich ein Fragezeichen.“
Die FDP im Landtag fordert angesichts der steigenden Population, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. So könnten im Bedarfsfall „aggressive Problemwölfe leichter entnommen werden“, betont Witzel. Auch Jäger Friedhelm Röttgen unterstützt die Forderung. „Ich mache mir Sorgen, weil mit steigender Population und damit wachsender Angst vor Schäden, die Akzeptanz des Wolfes sinkt“, sagt er. Eine Regulierung des Bestandes, auch mit kontrolliertem Abschuss, könne eine friedliche Koexistenz zwischen Wolf und Mensch sichern helfen. „Keiner will den Wolf ausrotten“, betont Röttgen. Aber ein Wolf sei auch kein Kuscheltier.
Mehr Informationen zum Wolf
In Deutschland gehört der Wolf auch nach Bundesnaturschutzgesetz zu den streng geschützten Arten. So ist es streng verboten, ihn zu fangen, zu verletzen oder gar zu töten. Die Jagd auf Wölfe ist daher ausnahmslos untersagt. Der vorsätzliche Abschuss eines Wolfes ist eine Straftat und wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. Ausnahmen gibt es nur bei absoluten „Problemwölfen“.
Um in einem Wolfsgebiet Schäden an Nutztieren zu vermeiden, können z. B. Elektrozäune und Herdenschutzhunde angeschafft werden. Das Land NRW unterstützt Halter dabei finanziell - allerdings erst, wenn ein Raum zum Wolfsgebiet erklärt wird. Dies wird erst bei einer festen Ansiedlung von Wölfen ausgewiesen, das heißt, wenn ein Wolf über die Dauer von einem halben Jahr mehrfach in einem Gebiet nachgewiesen werden kann.