Essen. . Lagebild „Clankriminalität“ umschreibt bedrohliches Essener Phänomen: Gewaltbereite Syrer und Iraker machen Platzhirschen die Geschäfte streitig.

So kurz der Passus aus dem Lagebild Clan-Kriminalität des Landeskriminalamtes ist, so bedrohlich wirkt er: „Die kriminellen Angehörigen türkisch-arabischer Familienverbände sehen sich einem Verdrängungswettbewerb um kriminelle Märkte ausgesetzt, der durch Personen mit Herkunft aus Syrien beziehungsweise dem Irak forciert scheint. Diese konkurrierenden Gruppierungen werden – auch vor dem Hintergrund teilweise aktueller Kriegserfahrungen – im Milieu als besonders durchsetzungsstark und gewalttätig wahrgenommen“, heißt es ziemlich unmissverständlich in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.

Dass der Schauplatz eines sich offenbar anbahnenden Konflikts krimineller Gruppen um illegale Geschäfte wohl bewusst nicht genannt wurde, dürfte der Grund dafür sein, dass die Analyse für keinen Aufschrei gesorgt hat. Doch der wird unweigerlich kommen. Denn was bislang nur wenige im Land wissen: Der in dem LKA-Papier unter Punkt 11.2 „Perspektiven“ noch sehr allgemein beschriebene Befund ist ein so exklusives wie handfestes Essener Phänomen.

Eine alarmierende Entwicklung, die an Fahrt aufnimmt

Als wäre die Stadt als identifizierte Hochburg der Clan-Kriminalität mit den ausweislich allermeisten Straftaten der vergangenen zwei Jahre in dem beschriebenen Milieu nicht schon geschlagen genug: Auf Essen kommt offenbar eine alarmierende Entwicklung zu, die noch an Fahrt aufnehmen dürfte. Dabei ist sie schon jetzt mehr als beunruhigend.

Auch wenn es noch niemand öffentlich sagen möchte – in einem Befund sind sich Behörden und Institutionen, die die Strömungen in gewissen Stadtteilen nach dem Zuzug überdurchschnittlich vieler dieser Flüchtlinge hautnah verfolgen, schon jetzt einig. Junge Männer, die bereits als Asylbewerber für die kriminellen Geschäfte der Platzhirsche aus den türkisch-arabischen Clans in den örtlichen Unterkünften als niedere Dienstboten etwa im Drogenhandel angeworben worden sind, schicken sich inzwischen an, ihren früheren „Arbeitgebern“ die lukrativen Geschäfte streitig zu machen. Nach dem Motto: Was die können, können wir schon lange.

Die wissen, wie man eine Kalaschnikow anpackt

Und das im Zweifel ohne Rücksicht auf Verluste: Das sind Jungs, die wissen, wie man eine Kalaschnikow anpackt, heißt es unverblümt im Essener Polizeipräsidium, wo man die Entwicklung bereits mit allergrößter Sorge betrachtet: „Da kommt richtig Freude auf uns zu“, sagen Kenner der Materie. Denn 15.000 Menschen, die man aus Behördensicht der Gruppe der „Libanesen“ zurechnet, stehen auf dem Hoheitsgebiet der Essener Polizei rund 25.000 Syrern und Irakern gegenüber. Das hat die Landesbehörde mit Unterstützung der Städte Essen und Mülheim schon mal nachrechnen lassen.

Natürlich gelten die Allermeisten nicht als kriminell. Tatsache aber ist: Die Menschen hüben wie drüben entstammen vergleichbaren und seit Generationen verfestigten familiären Strukturen, die von einer Mauer des Schweigens umgeben sind, um Familienmitglieder gegenüber äußeren Einflüssen abschotten zu können.

Angriff im Südostviertel Beginn des Verteilungskampfs

So hat die Essener Polizei auch nur mit einigem Aufwand die wahren Hintergründe des zunächst rätselhaften Überfalls mit drei Verletzten auf eine irakische Teestube im Dezember 2017 an der Burggrafenstraße im Südostviertel aufklären können.

Nach dem gewaltsamen Überfall an der Burggrafenstraße waren Polizei und Rettungsdienste im Einsatz.
Nach dem gewaltsamen Überfall an der Burggrafenstraße waren Polizei und Rettungsdienste im Einsatz. © KDF-TV

Randalierer mit libanesischem Hintergrund aus dem Rheinland und Essen zertrümmerten damals Scheiben, schlugen das Inventar kurz und klein, verletzten Gäste durch Schüsse aus einer Gaspistole und flüchteten in mehreren Autos.

Nach dem Gewaltausbruch in dem irakischen Treff ermittelte die Polizei wegen Erpressung und Landfriedensbruchs. Bei Durchsuchungen wurden jede Menge Hieb- und Stichwaffen – darunter Messer, Teleskopstöcke und Baseballschläger – aber auch Schreckschusspistolen sichergestellt.

Wie die Ermittler wissen, steckte hinter dem Angriff ein Verteilungskampf. Genauer: Es ging um die Geschäftshoheit bei diversen Großveranstaltungen mit Auftritten möglichst angesagter Künstler und folglich „um richtig viel Geld“, wie es ein Kenner der Szene formuliert.

Die Attacke, die einen SEK-Einsatz nach sich zog, gilt als die erste öffentlich wahrzunehmende gewaltsame Auseinandersetzung zwischen einem türkisch-arabischen Clans und einer irakischen Gruppe auf Essener Stadtgebiet. Weitere werden folgen. Da sind sich die Beobachter sicher.

>>>CLAN-KRIMINALITÄT BELASTET ESSENER POLIZEI

  • Essens Polizei hat in zwei Jahren landesweit die allermeisten Straftaten der Clan-Kriminalität registriert: 2439 Delikte sind mehr als drei Mal so viele wie in Dortmund oder Duisburg.
  • 1137 Tatverdächtige sind den hiesigen Ermittlern bekannt geworden. In Duisburg waren es gerade einmal 363, in Dortmund 238. 74 davon gelten den Essener Behörden als Mehrfachtäter. 11.665 Personenstunden kamen in Essen bei Razzien und Kontrollen zusammen.