. Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen versteht die Wut der Bürger übers drohende Fahrverbot. Er sieht die Schuld vor allem in Land und Bund.
Herr Kufen, privat fahren Sie einen Ford Kuga. Ich hoffe doch sehr für Sie, es ist ein Benziner?
Es ist ein Benziner, aber das macht die Sache nicht besser.
Weil man mit einem Diesel demnächst womöglich nicht mal mehr ins Rathaus fahren darf.
Richtig, aber es geht ja nicht nur um mich als Oberbürgermeister, sondern um viele Bürgerinnen und Bürger, die zutiefst verunsichert und verärgert sind. Ich finde auch: zu Recht. Weil sie nämlich im guten Glauben und mit Blick auf einige Umweltfolgen einen Diesel gekauft haben. Und nun sind sie die Gekniffenen.
Haben Sie mit einem Fahrverbot in diesem Ausmaß gerechnet? Eines, das auch die A 40 einschließt?
Nach den Urteilen für Köln und Bonn waren die Vorboten klar. Aber eine Autobahn einzubeziehen ist ein Novum, damit konnte keiner rechnen.
„Hoffentlich wird der Knall gehört“
Es sind die Messwerte der Hausackerstraße direkt an der A 40...
...die offenbar den einen oder anderen Stadtteil mit runtergerissen haben. Das zeigt ja die ganze Absurdität: Dort liegt die A 40, für die ich im Übrigen gar nicht zuständig bin, in Troglage, rechts und links gibt es Fußgängerwege. Da fehlt mir als Kommune ehrlich gesagt die Fantasie, wie ich mit dem kommunalen Instrumentenkasten dazu beitragen soll, die Grenzwerte einzuhalten. Man sieht daran: Es ist nicht ein Problem der Stadt. Sondern da haben andere schon viel länger ihre Hausaufgaben nicht gemacht.
Nämlich wer?
Also ich hatte den Eindruck, da gibt es jetzt vom Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen eine schallende Ohrfeige für Landes- und Bundespolitik, und uns als Essenern tut die Wange weh. Hoffentlich wird der laute Knall in Düsseldorf und Berlin wenigstens gehört. Da hätte die Bundesregierung, oder besser: hätten die Bundesregierungen beizeiten ganz anders auf die Automobilindustrie zugehen müssen. Denn für Stickoxide sind Diesel-Fahrzeuge zuständig.
„Das ist ein Wachstumsprogramm für Extremisten“
Die hat nach Strich und Faden getrickst und getäuscht.
So ist es, und da bin ich auch stinksauer, wenn ich am Ende lese, dass in den USA Milliarden an Strafzahlungen geleistet werden, während jene, die sich keine Nachrüstung oder ein neues Auto leisten können, hier am Ende zu Fuß gehen müssen oder ihren Job verlieren.
Den Letzten beißen die Hunde.
Nicht zum ersten Mal. Wir müssen ausbaden, was an anderer Stelle vermasselt wurde.
Und die Bürger kochen vor Wut. Es sind ja nicht zwingend die Wohlhabendsten, die in älteren Diesel-Autos durch die Stadt kutschieren.
Ja, so ist es. Das ist am Ende ein Wachstumsprogramm für Extremisten, die jetzt kräftig auf die Europäische Union schimpfen können und auf unfähige Politiker. Im Vorfeld einer Europawahl hätte ich mir das anders gewünscht.
„Es geht natürlich auch um Verhältnismäßigkeit“
Das Verwaltungsgericht hat klar durchblicken lassen: Wo Grenzwerte seit 2010 gelten, darf man nicht knapp neun Jahre später immer noch darauf vertrösten, dass man sie „demnächst“ einhält. Hat auch die Stadt sich Versäumnisse zuzuschreiben?
Wenn alle so viel getan hätten wie Essen und die anderen Kommunen, hätte es dieses Urteil so nicht gegeben. Andererseits, klar: Wir stehen insgesamt vor einem Scherbenhaufen, und da werden auch Scherben der Stadt Essen mit dabei sein. Ich bin seit drei Jahren Oberbürgermeister, da kann ich mich nicht damit herausreden, dass wir zwischendurch eine Flüchtlingskrise zu bewältigen hatten.
Dennoch sind Sie jetzt wohl kaum Hauptakteure.
Zumindest wird keiner die Lösung für das Problem überschrittener Grenzwerte an der A 40 im Essener Rathaus suchen. Meine Absicht ist, dass wir auch in der Stadtverwaltung das Thema Mobilität, das derzeit auf drei Dezernate verteilt ist, stärker bündeln. Wir brauchen ein starkes Verkehrsdezernat. Aber ich sage auch: Da haben sich sehr viele sehr lange vom Acker gemacht, die ich jetzt bitte in der ersten Reihe sehen will, um dieses Problem zu lösen. Denn es geht ja nicht nur darum, irgendwelche Grenzwerte einzuhalten. Es geht um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Und es geht natürlich auch um Verhältnismäßigkeit. Damit werden wir umgehen müssen.
„Besseres zu tun, als Fahrzeugscheine zu kontrollieren“
Nämlich wie? Was bleibt Ihnen überhaupt übrig?
Die Berufung des Landes vor dem Oberverwaltungsgericht...
...von der der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe sagt, er rechne fest mit einem erneuten Sieg. Was dann?
Ich hoffe, dass zumindest das Thema der blauen Plakette auf die Tagesordnung kommt. Auch dagegen sperrt sich die Bundesregierung ja noch. Ohne die blaue Plakette aber wäre ein Fahrverbot überhaupt nicht zu verwalten – weder von der Polizei, die ja für den fließenden Verkehr zuständig ist, noch für die Kommune, die sich um den ruhenden Verkehr kümmert.
Mancher wird sicherheitshalber das „D“ für Diesel vom Fahrzeugheck abmontieren.
Realistischerweise, um den Irrsinn mal zu beschreiben, können wir aktuell überhaupt nur bei Vorlage eines Kraftfahrzeugscheines vernünftig prüfen, welche Schadstoffklasse ein Fahrzeug hat. Da muss ich ganz ehrlich sagen – und das darf auch gerne die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen lesen –, meine Mitarbeiter haben zurzeit Besseres zu tun, als Fahrzeugscheine zu kontrollieren.