Essen. . Unter dem Druck der regelmäßigen Razzien weicht die Szene aus. Die Behörden setzen nach und verzeichneten 20 Festnahmen binnen eines Monats.

Die „Null Toleranz“-Strategie der Polizei und anderer Behörden gegen die Clan-Kriminalität hat nicht nur Licht ins Dunkel, sondern auch ordentlich Bewegung in oftmals kriminellen Strukturen gebracht: Unter dem Druck der regelmäßigen Razzien weicht die Szene aus, trifft sich inzwischen statt im Nordviertel vermehrt in Bars und Cafés in Altendorf, Altenessen und Karnap – in der Hoffnung, dort ihren teils illegalen Geschäften ungestörter nachgehen zu können. Doch Polizei, Stadt und Zoll wie auch Finanzbehörden setzen unvermindert nach.

„Wir kennen die Bewegungsbilder und erkennen, wenn sich die Aktivitäten verlagern“, sagt Polizeipräsident Frank Richter: „Wir fahren deshalb ein sehr mobiles Konzept.“ Wie bei der letzten Großrazzia vor rund einem Monat, als die Behörden nicht nur die nördliche Innenstadt und Teile Altendorfs umkrempelten, sondern erstmals auch Shisha-Bars und Spielhallen entlang der Karnaper Straße gemeinsam ins Visier nahmen.

Weitermachen trotz befürchteter personeller Engpässe

Und weiter nehmen werden: Trotz befürchteter personeller Engpässe kündigte der Behördenleiter gegenüber dieser Zeitung an: „Wir werden unser Präsenzkonzept weiterfahren.“ Der massive Kräfteaufwand dafür sei allerdings nur möglich, weil das Essener Präsidium als sogenannte Stufe 4-Behörde regelmäßig donnerstags, freitags und auch samstags auf gleich mehrere Gruppen der Einsatzhundertschaft zugreifen könne.

Da kommen nicht nur jede Menge Mannstunden, sondern auch eine lange Liste aufgedeckter Verstöße und Straftaten jedweder Couleur zusammen, wie ein Blick auf die Bilanz allein der polizeilichen Maßnahmen zwischen dem 24. Mai und 24. Juni zeigt.

60 Strafanzeigen, 300 Ordnungswidrigkeiten

In nur einem Monat gab es 20 Festnahmen. „Der Großteil der Festgenommenen wurde bereits mit Haftbefehlen gesucht“, sagt Polizeisprecher Lars Lindemann. Die Beamten stellten 60 Strafanzeigen in der Hauptsache wegen Drogendelikten, Verstößen gegen das Waffengesetz, weil Messer und Totschläger sichergestellt wurden, Fahrens ohne Führerschein oder des Verdachts eines illegalen Aufenthalts. 300 Ordnungswidrigkeiten wurden aktenkundig etwa wegen Geschwindigkeitsverstößen oder Drogen sowie Alkohol am Steuer.

Insgesamt überprüfte die Polizei 1250 Personen, stellte bei 230 Durchsuchungen 50 „Gegenstände“ sicher: Waffen, Drogen, Autos und geschmuggelten Tabak. Dazu kommen über 1300 Verwarnungsgelder fast ausschließlich nach zum Teil massiven Geschwindigkeitsverstößen: Mehrere Autofahrer wurden in der Innenstadt mit bis zu 130 Stundenkilometern geblitzt. „Da ist eine Menge zusammen gekommen“, sagt Lindemann. Insgesamt habe man 15 größere und kleinere, mehr oder weniger auffällige Einsätze gefahren – mit und ohne Einsatzhundertschaft.

„Jede einzelne dieser Aktionen stört Kreise“

„Jede einzelne dieser Aktionen tut weh, das stört Kreise“, ist Richter überzeugt. Wer in libanesischen Familienstrukturen lebe, erwarte, dass sie Schutz bieten. „Doch der Schutz ist nicht mehr da“, sagt der Polizeipräsident. Durch die regelmäßigen Razzien werden die Netzwerke klarer und offenbar, „wer welche Verbindung zu wem hat, womit das Geld verdient wird, wer Sozialleistungen zu Unrecht kassiert“. Teils gebe es organisierte Kriminalität.

So viel Aufmerksamkeit von Amts wegen ist nicht jedermanns Sache: Der Polizei sei nicht entgangen, sagt Richter, dass einigen Mitgliedern der Clans das Essener Pflaster bereits zu heiß wurde und sie sich nach Bremen oder Berlin abgesetzt haben, um in den dortigen vergleichbar großen libanesischen Gruppen unterzutauchen.

>>> POSITIVES ECHO AUF DIE EINSÄTZE

„Wir bringen merklich Unruhe in die Szene“, sagt Polizeipräsident Frank Richter – und gleichzeitig mehr Ruhe in die Stadt.

Dies wird von den Akteuren vor Ort gewürdigt: Nicht nur die Immobilien- und Standortgemeinschaft City Nord sieht in ihrem Sprengel Fortschritte.

Auch in Altendorf haben sich die Wogen geglättet, so Richter: „Es gibt seit einem Jahr keine Beschwerden mehr in dem Sinne, dass wir nicht tätig würden.“