Essen. . Hooligans patrouillieren regelmäßig durchs Stadtteil-Zentrum, „besorgte Eltern“ wollen demonstrieren: Experten warnen vor rechtsextremen Netzwerk.

„Steele darf nicht zu einem braunen Treffpunkt werden.“ Johannes Brackmann, der Leiter des Grend Kulturzentrums fürchtet, dass der Stadtteil nach rechts driftet. Nicht nur, dass eine rechte Gruppierung, die sich „Eltern gegen Gewalt“ nennt, für kommenden Sonntag eine Kundgebung auf dem Dreiringplatz angemeldet hat: Auch eine Hooligan-Gruppierung namens „Steeler Jungs“ patrouilliert seit Wochen regelmäßig donnerstagabends durch Steele. Mittlerweile ist der Staatsschutz auf die selbst ernannte Bürgerwehr aufmerksam geworden.

Polizei hat Hooligans im Auge

„Das sind wohl Rechte.“ So kommentiert ein Steeler Geschäftsmann das Geschehen am vergangenen Donnerstag, als sich rund 40 Hooligans treffen, deren schwarze Jacken sie als „Steeler Jungs“ kennzeichnen. „Aber die machen keinen Ärger.“ So ganz stimmt das nicht: Vor anderthalb Wochen provozierten zwei der „Steeler Jungs“ Zeugen zufolge Gäste und Mitarbeiter einer Kneipe am Grendplatz, zettelten eine Schlägerei an. Dies rief den Staatsschutz auf den Plan. Einen politisch motivierten Hintergrund dieser Tat hat die Polizei zwar inzwischen ausgeschlossen, aber: „Wir haben die Gruppe im Auge“, sagt Ulrich Faßbender, Sprecher der Essener Polizei.

Und so kontrollierten rund 30 Polizisten des Staatsschutzes die Hooligans bei ihrer jüngsten Zusammenkunft auf dem Kaiser-Otto-Platz. Straftaten habe man keine festgestellt, so Faßbender, jedoch beobachte man die Hooligans weiter. Auch einen Zusammenhang mit der rechten Demo „Eltern gegen Gewalt“ prüfe man. Aber: „Ich würde derzeit nicht zustimmen, dass rechte Kräfte drohen, Steele für sich zu vereinnahmen.“

Rechextreme haben Steele bewusst gewählt

Anders bewertet des Rechtsextremismus-Forscher Klaus-Peter Hufer die Lage. „Dass Rechtsextreme Steele ins Visier genommen haben, ist kein Zufall.“ Die rechtsextreme Szene sei gut vernetzt: von NPD und Identitäre Bewegung bis hin zur AfD und Pegida, von wo aus feste Verbindungen zu Hooligans existierten. „Das Netzwerk greift auf vorhandene Strukturen vor Ort zurück.“ In Steele etwa dient eine Kneipe an der Westfalenstraße als Treffpunkt für die Hooligan-Szene. Dort wird auch Werbung für „Eltern gegen Gewalt“ gemacht. „Die Rechten greifen vorhandene Ängste auf und instrumentalisieren sie.“

Elke Zeeb, Vorstandsmitglied der Essener Grünen, stimmt zu: „Gruppen wie ,Mütter gegen Gewalt’ oder ,Eltern gegen Gewalt’ suchen sich bewusst Orte aus, wo junge Frauen angegriffen wurden.“ So eben auch Steele, wo im vergangenen Sommer ein Dunkelhäutiger eine Jugendliche sexuell attackiert hatte. Die Demonstranten nähmen solche Taten zum Anlass, um Hass gegen Ausländer zu schüren: „Wenn Deutsche die Täter sind, rufen solche Gruppen nicht zu Demos auf.“ Deshalb schließen sich die Grünen der Gegendemo von „Essen stellt sich quer“ an. Ebenso wie das Grend: „Ich hoffe, dass ganz Steele sich gegen die rechten Umtriebe stellt“, so Brackmann.

>>> RECHTE PLANEN DEMOS IN ESSEN

Sowohl die Demo der rechten Gruppe „Eltern gegen Gewalt“ als auch die Gegendemo starten – getrennt von der Polizei – ihre Kundgebung am Sonntag, 6. Mai, 14 Uhr, vom Dreiringplatz aus. Von da aus wollen die Gruppen durch Steele ziehen – die jeweiligen Routen will die Polizei nicht öffentlich machen.

Die Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative Essen“ hat für heute parallel zur Mai-Kundgebung gegen 10.30 Uhr eine Demo am Hirschlandplatz angemeldet.

+++ Liebe Leser, in der ursprünglichen Version dieses Artikels haben wir versehentlich an einer Stelle "Eltern gegen Gewalt" mit "Essen stellt sich quer" vertauscht. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. +++

Rechtsextremismus-Experte mahnt, Ängste ernst zu nehmen 

Klaus-Peter Hufer forscht und lehrt an der Uni Duisburg-Essen zum Thema Rechtsextremismus. Gordon K. Strahl sprach mit ihm über die Entwicklung der rechten Szene in Steele und Essen.

Warum glauben Sie, haben Rechtsextreme Steele in ihren Fokus genommen?

Klaus-Peter Hufer
Klaus-Peter Hufer © Kurt Lübke (kul)

Hufer: Die gesamte Stadt ist problematisch: Es wird einiges auf Essen zukommen. Rechte hoffen, Abstiegsängste ausnutzen zu können. Sicher spielt auch die Präsenz von arabischen Clans im Essener Norden eine Rolle. Mit harmlosen Namen wie „Eltern gegen Gewalt“ suchen und finden Rechtsextreme den Anschluss an die bürgerliche Mitte. Mit Ihrem Elitenhass und Umvolkungstheorien stellen sie jedoch eine echte Gefahr dar.

Hooligans, die durch die Stadt marschieren, sprechen aber kaum die bürgerliche Mitte an...

Mit ihrer körperlichen Präsenz sagen sie: Wir schützen Euch. Ich weiß von Ängsten vieler alleinstehender, älterer Frauen. Die nehmen gerne jede Hilfe an.

Wie kann man verhindern, dass Rechtsextreme, Ängste instrumentalisiert?

Indem zum Beispiel die Politik den Leuten zuhört und Ängste ernst nimmt. Wenn jemand Probleme mit Migranten benennt, wird leider allzu oft sofort die Rassismus-Keule geschwungen.