Essen. . Bei der Jahreshauptversammlung des Essener Bürger Bündnisses fiel die Abrechnung mit dem eigenen Fraktionschef ziemlich unterkühlt aus.
Geschrei und Tränen gibt es an diesem Abend nur ein einziges Mal: Sie setzen ausgerechnet in dem Moment ein, als der neue Frontmann vorn im Saal wortreich erklärt, warum es am Ende irgendwie nicht mehr funktionierte mit Michael Schwamborn an der Spitze der EBB-Truppe im Rat. Viele der 50 Anwesenden nicken zustimmend.
Der lautstarke Protest? Er stammt von einem kleinen Baby, dessen Eltern wohl mal sehen wollten, wie die Freunde des Essener Bürger Bündnisses ihr „Kind“ durch die Krise schaukeln.
Ein dürrer Satz, wenige Stunden vor der Versammlung
Das klappt, um dies gleich vorwegzunehmen, nahezu reibungslos, weil der, um den es hier geht, der „einen Scherbenhaufen hinterlassen“ hat, wie die EBB-Vorsitzende Brigitte Wawrowsky es formuliert, nicht zum Treffen gekommen ist: Mit einem einzigen Satz hat Michael Schwamborn am Donnerstag um 15.30 Uhr (s)einen Schlussstrich unter 14 Jahre Arbeit im und fürs EBB gezogen, er schrieb ihn an seinen Fraktions-Vize Kai Hemsteeg: „Ich habe mich entschieden, das EBB zu verlassen.“
Da haben selbst jene, die ihm noch ein letztes Mal bescheinigen, „dass ihm die Schuhe des Fraktionsvorsitzenden zu groß waren“, keine Lust mehr, ins Detail zu gehen. Es gibt zwar eine schriftlich fixierte Liste von Fehlern und Schwächen, die Grundlage war für einen internen Misstrauensantrag, den Schwamborn am Montag verlor. Aber nein, vorlesen werde er die jetzt nicht, sagt sein kommissarischer Nachfolger Jochen Backes: „Wir wollen nicht bloßstellen, wir wollen keine schmutzige Wäsche waschen.“
Die „goldenen Brücken“ ließ Schwamborn ungenutzt
Stattdessen gibt es eine eher unterkühlte Abrechnung mit den Unzulänglichkeiten eines überforderten Mitstreiters und vereinzelt warme Worte sowie ein bedauerndes verbales Winke-winke zum Abschied: dass Schwamborn ein „Arbeitstier“ gewesen sei und zur Kommunalwahl mit Abstand die meisten Stimmen holte, dass man traurig sei, ein bisschen wenigstens, dass er aber irgendwo selber Schuld wäre, die „goldenen Brücken“, die man ihm gebaut habe, letztlich nicht zu beschreiten.
Die Bedauernsfloskeln flutschen so geschmeidig durch die EBB-Reihen, dass es einem schon wieder verdächtig vorkommt, weil dieser fein gewobene Teppich aus „Es musste leider sein“-Beiträgen allzu sehr nach Inszenierung riecht. Und vorn der Versammlungsleiter Udo Bayer, der die Beiträge wohlwollend, wenn auch knapp kommentiert wie ein Lehrer, der seinen Schützlingen für gute Leistungen eine Sonne ins Muttiheft malt.
Kein einziges freundliches Wort vom Vorgänger
Er selbst verliert über seinen alten Karnaper Weggefährten Michael Schwamborn an diesem Abend kein einziges freundliches Wort: Als Vorgänger im Amte und als dessen Wegbereiter für die Nachfolge hatte er vermitteln sollen, eine gesichtswahrende Lösung für den EBB-Chef finden, was dieser durch seinen rigorosen Abschied obsolet machte. Für Udo Bayer scheint die Sache damit erledigt. Sein Kommentar? „Ich kommentiere nichts“, sagt er da, „ich helfe – und fertig“.
Für andere ist es eher eine Orchestrierung des Geschehens, und da passt es Skeptikern einfach ins Bild, den Ende des Monats anstehenden Abschied von Fraktionsgeschäftsführer Peter Dieck als Kollateralschaden des Schwambornschen Exodus zu verstehen – obwohl Dieck beteuert, seine Rückkehr in die Selbstständigkeit als Kaufmann sei schon zuvor längst ausgemachte Sache gewesen.
Der nächste Machtkampf mit Udo Bayer?
Es gibt Menschen im Essener Bürger Bündnis, die glauben zu wissen, dass Bayer auch nach seinem Abschied noch die entscheidenden Fäden spinnt, so fein, dass man sie kaum sieht. „Der nächste Machtkampf ist der mit ihm“, sagen sie dann in einer Mischung aus Kampfeslust und Ehrfurcht. Wohl ahnend, dass Bayer ein anderes Kaliber ist. Es würde wohl kaum ohne Geschrei abgehen.
Auch ohne Baby im Saal.