Gevelsberg. Ganz viel Regen, hohe Temperaturen und starker Wind. Diese Werte wurden in Gevelsberg und Umgebung gemessen – und werden noch erwartet.
Wenn sich Thomas Kesseler-Lauterkorn die ihm vorliegenden Zahlen anschaut, kommt er schon ein bisschen ins Staunen. Es sind Daten, die an der Klimastation Gevelsberg-Oberbröking gemessen wurden. Die Station gehört dem Deutschen Wetterdienst (DWD), für den Kesseler-Lauterkorn stellvertretend die Zentrale in Essen leitet. Er gibt einen Rückblick auf das Wetter im Südkreis bis einschließlich 20. Dezember. Bis zum Jahreswechsel könnte sogar noch einen Höchstwert gebrochen werden.
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Schon jetzt ist klar: 2023 war eines der wärmsten und gleichzeitig niederschlagsreichsten Jahre seit Aufzeichnung der Messungen an der Klimastation, die seit 2008 Daten liefert. Diplom-Meteorologe Kesseler-Lauterkorn kann daraus eine vorläufige Bilanz ziehen. Die Jahresmitteltemperatur wird bei etwa 11,1 Grad Celsius liegen und damit im Bereich der sehr warmen Jahre 2022 (11,3 Grad) und 2020 (11,2 Grad). Der heißeste Tag 2023 war der 9. Juli, in Oberbröking wurden 33,7 Grad registriert. „Die heißeste Stelle in der Stadt zu nennen, ist schwierig. Die Temperatur wird in Höhenlage gemessen. Im Tal kann sich die Wärme stauen“, erklärt der Wetter-Experte. Werte zu Sonnenstunden werden nicht vor Ort erfasst, die am nächsten gelegene Station ist ein ganzes Stück entfernt, in Lüdenscheid. Zahlen für Ennepetal und Schwelm können übrigens nicht genau geliefert, sondern nur grob anhand der Gevelsberger Werte geschätzt werden.
Der September 2023 war ein richtiger Sommermonat
Der wärmste Monat in Gevelsberg war der Juni (19,0 Grad Mitteltemperatur) vor dem Juli (18,2 Grad) und dem eher kühlen August (17,5 Grad). „Fast ein richtiger Sommermonat war dieses Jahr der September, der von der Temperatur her einen Rekord brachte“, verrät Kesseler-Lauterkorn. Mit 17,9 Grad war er sogar wärmer als der August. Der häufig angesprochene Klimawandel sei anhand kleinteiliger Zahlen an einzelnen Orten schwierig zu belegen, dafür bräuchte es genaue Auswertungen und Vergleiche weit in die Vergangenheit. Bislang dienten als Vergleiche immer die Perioden von 1961 bis 1991 sowie ab dann bis heute. Die Temperatur ist im Schnitt mehr als ein Grad angestiegen. Die absolut tiefste Temperatur gab es in Oberbröking am 21. Januar mit minus 6,7 Grad, als das Jahr eisig startete. Der windigste Tag in Gevelsberg war der 3. November mit Spitzenböen um die 85 Stundenkilometer.
„Wenn man die letzten Jahre betrachtet, war es teilweise deutlich zu trocken. Aus der Statistik haben wir gesehen, dass ein sehr nasses Jahr überfällig war. Nun haben wir es bekommen. So nass war aber gleichzeitig ungewöhnlich“, wundert sich Kesseler-Lauterkorn über starke Schwankungen in der Luft. In den verbleibenden Tagen bis 2024 ist weiter Regen angesagt. Bis Mitte vergangener Woche sind in Gevelsberg-Oberbröking 1377,5 Millimeter Niederschlag gefallen. Zum Vergleich: 2022 waren es 944,4 Millimeter und im sehr trockenen Jahr 2018 wurden 757,5 Millimeter registriert.
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Womöglich wird der Rekordniederschlag knapp erreicht
Ob das rekordverdächtig niederschlagsreiche Jahr 2007 übertroffen wird, ist nicht genau abzuschätzen. Damals gab es auch noch keine Messung in Oberbröking. Der niederschlagsreichste Tag 2023 war der 31. Juli mit 47,2 Millimeter. Im Juli kamen insgesamt 163 Millimeter runter, im März 164, im Januar 175 und im August 173. Vereinzelt liegen die Niederschlagsmengen an Messstellen in NRW schon über den bisher erfassten Rekorden. Zum Beispiel an der DWD-Zentrale in Essen-Bredeney: 1235 Millimeter waren es im Jahr 1935, nun wurden bereits mehr als 1270 festgehalten. An der nächstgelegenen Niederschlagsmessstation des Südkreises, in Breckerfeld (Wengeberg), wird der Rekordwert von 1729 Millimetern selbst mit den sehr nassen letzten Tagen in diesem Jahr aber wohl nicht übertroffen.
Genaue Daten noch nicht verfügbar
Der Deutsche Wetterdienst erstellt nach jedem abgelaufenen Jahr Rasterdaten, also auf einen Quadratkilometer genaue Auswertungen. Diese stehen erst einige Wochen nach dem Jahreswechsel zur Verfügung, da sie vorher kleinteilig überprüft werden müssen. Aus diesen Daten können Klimaforscher Erkenntnisse ziehen.
Selbst moderne Wettermodelle könnten noch nicht alles erfassen und zu hundert Prozent vorhersagen. „Die klimatechnischen Auswertungsmittel sind noch nicht am Ende“, weiß Kesseler-Lauterkorn. Insgesamt seien Starkregenereignisse im Sommer intensiver geworden: „Das hat dieses Jahr jeder vor Ort mitbekommen, vor allem über die Sommerferien.“ Es fiel allerdings keine Monatssumme an Niederschlag innerhalb weniger Tage aus den Wolken, also kein Vergleich zum Tief Bernd im Juli 2021. „Ein einzelnes Extremereignis oder auch ein extremes Jahr ist außerdem kein Beleg für den Klimawandel“, erklärt der Experte. Es war im Südkreis 2023 dennoch deutlich zu nass. Das zeigen mehrere Monate, die er als Ausreißer zählt und sich erneut wundert.