Emmerich. . Der frühere Postler Manfred Geerling hat Unterlagen zur Postüberwachungsstelle Emmerich im Ersten Weltkrieg gesammelt, der vor 100 Jahren begann. Geerlings Fazit: Der Aufwand hat sich kaum gelohnt.

Über den Ersten Weltkrieg, der vor 100 Jahren begann, ist viel publiziert worden. Ein Thema fällt meist unter den Tisch, auch in postalischen Aufzeichnungen: die Postzensur, eine unschöne wie zählebige Begleiterscheinung des Krieges. Damit hat sich Manfred Geerling befasst. Der ehemalige Postler sammelt alles rund um die Postgeschichte. Und in der spielte auch die Grenzstadt eine zentrale Rolle. „Im Kaiserreich gab es insgesamt 200 Zensurstellen. Die Größte befand sich in Emmerich“, weiß der 72-Jährige zu berichten.

Spionage vereiteln

Manfred Geerling über Sinn und Zweck: „Durch die Zensur sollte verhindert werden, dass wichtige Nachrichten militärischer Art, Devisen- und Wirtschaftsprobleme über den Postweg in das neutrale Ausland dem Feind bekannt werden.“ Stimmung und Einstellung der Bevölkerung sollten möglichst geheim bleiben: „Kurz gesagt: Durch die Zensur sollte Spionage auf dem Postweg verhindert werden.“

Der Postverkehr mit verfeindeten Ländern war im Krieg verboten, mit neutralen Staaten wie Holland wurde er überwacht. Wer in der Grenzzone lebte, hatte seine Postsachen offen zu versenden, „sonst wurden sie zurückgeschickt, später dann auch geöffnet“.

Die vom stellvertretenden Generalkommando des VII. Armeekorps in Emmerich eingerichtete Postüberwachungsstelle beschäftigte bis zu 250 Fachleute. Sie war auf zwei Standorte verteilt: Im Postamt 2 Bahnhof wurde die Auslandspost kontrolliert und im Postamt 1 Geistmarkt sämtliche Firmen- und Inlandspost sowie die Feldpost der in Emmerich stationierten Soldaten. Zeitweilig waren es 4000, die in Hotels oder Privatunterkünften einquartiert wurden, weil es in Emmerich noch keine Kaserne gab.

Die Bürokratie betrieb einen großen Aufwand bei der Postüberwachung, aber keine Geheimniskrämerei: „Die Zensur war nie verdeckt, sondern ist immer gekennzeichnet worden“, so Geerling. Alleine in Emmerich wurden rund 300 verschiedene Zensurstempel verwendet – eine wahre Fundgrube für spätere Sammler wie Geerling.

Die Kennzeichnung erfolgte auch handschriftlich, durch Aufkleber, Siegel oder Einlagezettel und Beschlagnahme und sollte binnen 24 Stunden vollzogen sein. Für die Zensur wurden zuerst Soldaten und dann besonders vertrauenswürdige Personen herangezogen, darunter viele Frauen: Dolmetscher, Juristen, Lehrer, Journalisten, Schriftsachverständige, Banker, Kriminalisten. „Es war eine Ehre und Auszeichnung, hier tätig zu sein. Die Leitung lag immer in militärischen Händen. Sie gab entsprechende Anweisungen und Belobigungen“, so der Post-Forscher Karl-Heinz Riemer.

War die Post „geflöht“, bekam sie den Stempel „Geprüft und zu befördern“. Die Zensur kannte weder Pardon noch Pietät: Selbst Briefe mit Trauerrand wurden geöffnet. Nur Briefe der Kaiserlichen Botschaft in Den Haag blieben verschont.

Geerling bezweifelt, ob sich der Aufwand rentiert hat: „Die Zensurstellen banden eine große Anzahl Menschen und verschlangen eine Menge Material.“

Die Zensur hat bis zum letzten Kriegstag funktioniert – und darüber hinaus. Zwar wurde die Militärzensur im November 1918 aufgehoben, aber die Post- und Telegrammüberwachung mit dem Ausland blieb und war nun eine reine Zollangelegenheit. Die Schnüffler saßen in den gleichen Posträumen und benutzten teilweise die gleichen Stempel.

In den Krieg hineingeschliddert? Postbelege beweisen, dass man gerüstet war für Krieg und Zensur. Die Zensur wurde am 31. Juli 1914 in aller Eile vorbereitet. Zum Mobilmachungsplan für das Deutsche Heer vom 9. Oktober 1913 gehörte die Anlage J, die die Aufgaben der Postüberwachung regelte. Diese und spätere Anweisungen trugen selbstverständlich den Stempel „Streng geheim“.