Emmerich. . Zustände im alten Kreuzherrenkloster waren untragbar geworden. Auch ein Gefängnis stand auf dem Justzigelände.

Baukosten von 266 000 Reichsmark, 18 Monate Bauzeit: Heute, am 8. Januar vor 100 Jahren, wurde das neue Amtsgerichtsgebäude an der Seufzerallee eingeweiht, mitsamt eines Gefängnisses mit 22 Haftzellen zur Sprickmann-Kerkerinck-Straße hin (damals Neue Straße).

Das war 1914 fürwahr ein großes Ereignis, bei dem auch ein Festmahl nicht fehlte: Mockturtle-Suppe, Steinbutt mit Buttertunke, Hammelrücken und Ragout Toulouser Art - Vater Staat war das Königlich-Preußische Amtsgericht lieb und teuer.

Beim Blick auf die Speisekarte zeigt sich Edmund Verbeet (64), der heutige Direktor des Amtsgerichtes, vor allem über die 17 (!) Weinsorten beeindruckt, die zur Feier des Tages kredenzt wurden.

Im Schöffensaal, vor Kopf, wachte noch Kaiser Wilhelm II. über das Recht. Sein Konterfei verschwand schon vier Jahre später, so wie der Kaiser selbst. Heute empfängt den Besucher des von Regierungsbaumeister Mosterts entworfenen Gerichtsgebäudes kein Monarch mehr, sondern ein eindrucksvolles Bild der unparteiischen Justitia, die ganz bewusst ohne Gesichtszüge dargestellt ist.

Personelle Unterdeckung

„Die alte Dame Justitia kann sich freuen und zufrieden im Jubiläumsjahr sein“, findet Verbeet. Alleine die personelle Unterdeckung von 12 Prozent macht ein wenig zu schaffen, lag andererseits aber auch schon mal bei 30 %.

Und so langsam wie in manchen Großstädten mahlen die Mühlen der Justiz in überschaubaren, ländlichen Bezirken auch nicht. Die Bearbeitungszeiten sind hier ganz ordentlich. Die Sorgenfalten könnten freilich größer werden, wenn das Land ernst macht mit der Schuldenbremse und querbeet in Landesbehörden gespart werden muss.

Das Amtsgericht Emmerich, das auch für Rees zuständig ist, hat 30 Mitarbeiter. Dem Richterkollegium gehören außer Edmund Verbeet (Schwerpunkt Familienrecht), Karl Gietemann (Zivilrecht), Mareen Hölker (Straf- und Familiensachen), Karl-Heinz Schulze (Familiensachen) und Anja Radde (Jugendstrafsachen, Betreuungsangelegenheiten) an.

Weitere Abteilungen sind das Grundbuchamt, das Nachlassgericht (Erbscheine) und die Betreuungsabteilung, die immer mehr zu tun hat. „Durch die demografische Entwicklung steigt die Zahl der Betreuungen“, weiß Verbeet.

Im noch jungen Jahr 2014 hat er schon vier neue Fälle auf seinen Schreibtisch bekommen von komatösen und dementen Patienten, die ins Krankenhaus kamen. Die Richter sind für die Anordnungen zuständig, die Rechtspfleger dann für die weitere Abwicklung. „Wir haben jedes Jahr 370 neue Betreuungssachen“, so Verbeet. Derzeit liegen insgesamt 900 Fälle bei Gericht.

Am 8. Januar 1914 bezog Justitia zwar einen Neubau, doch das Gerichtswesen ist viel älter. Rund 100 Jahre residierte es mehr schlecht als recht im ehemaligen, 1483 erbauten Kreuzherrenkloster Paaltjessteege/Ecke Neuer Steinweg. Über die Arbeitsbedingungen dort wurde im 19. Jahrhundert heftig Klage geführt.

Als der Abbruch der Klosterkirche sich hinzog, fühlten sich die Beamten durch das beständige Klopfen und Hämmern der Maurer gestört. Risse in Wänden und Decken nahmen bedrohliche Formen an. Es regnete und schneite rein, kurz: Die Zustände waren unansehnlich. 1914 war der Spuk im Kloster endlich vorbei.

Was damals nicht möglich war

Das 100-jährige Jubiläum wird nicht groß gefeiert. Allerdings plant der Hausherr, ein Freund der schönen Künste, eine Ausstellung mit Arbeiten der Reeserin Elisabeth Kemkes (Eröffnung 14. März, 18 Uhr). Moderne, abstrakte Kunst wäre vor 100 Jahren in einem so Respekt einflößenden, ja einschüchternden Justizpalast, in dem sich der Angeklagte schon beim Eintreten wie ein armes, kleines Sünderlein vorkam, undenkbar gewesen.

Nicht das einzige, das sich in 100 Jahren geändert hat. Beim Bombenangriff vom 7. Oktober 1944 auf Emmerich wurde auch das Amtsgerichtsgebäude schwer getroffen und im Juni 1950 nur noch zweigeschossig wiedereröffnet.