Emmerich. . Grenzstadt hatte es vor 80 Jahren eilig, um Göring das Ehrenbürgerrecht anzutragen. Erst spät wurde es ihm aberkannt. Ein Blick in den alten „Boten vom Niederrhein“.

Es war eine der kürzesten Ratssitzungen in der Geschichte Emmerichs. Nur 17 Minuten dauerte sie am 27. August 1933, berichtete anderntags der Bote vom Niederrhein und sprach von einer „Rekord-Sitzung“. Parlamente und Parteienstaat waren den Nazis zuwider. Alle sollten sich vielmehr in die Nazi-Bewegung einordnen, die dabei kräftig nachhalf.

Über 21 (!) Tagesordnungspunkte wurde im Rat ohne Debatte en bloc abgestimmt. Auch über die Verkleinerung des Rates infolge des Gleichschaltungsgesetzes. Noch vier wackere Zentrumsmitglieder nahmen an der Sitzung des Stadtparlamentes teil.

Zu Beginn hatte Peter Schuster, der das Amt des Bürgermeisters seit dem 1. April 1933 kommissarisch bekleidete, nachdem man Dr. Alff davon gejagt hatte, das Wort ergriffen. Der bewährte Nationalsozialist erinnerte daran, dass Emmerich 1933 sein 700-jähriges Stadtjubiläum begehen wollte und geplant gewesen sei, bei dieser Gelegenheit dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring das Ehrenbürgerrecht „als Ausdruck der Verehrung“ anzutragen.

Sicher schwang da auch Stolz darüber mit, dass die Familie Göring niederrheinische Wurzeln besaß, die bis ins 18. Jahrhundert reichten. Hermann Görings Großvater Wilhelm und Vater Heinrich waren als Richter am Emmericher Amtsgericht tätig. Das Göringsche Haus befand sich auf der Steinstraße. Die Großeltern wurden auf dem alten Friedhof beerdigt.

Telegramm kam umgehend

Schuster teilte dann mit, dass die Stadtverwaltung „wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse“ beschlossen habe, den Festakt auf Mai 1934 zu verschieben. Er erlaube sich aber den Vorschlag zu machen, „schon heute den Beschluss über die Verleihung des Ehrenbürgerrechts zu fassen“ und Göring zur Jubiläumsfeier 1934 einzuladen, um ihm dort auch den Ehrenbürgerbrief zu überreichen. Das Stadtoberhaupt stellte dann reichlich zynisch fest, dass gegen seinen Vorschlag kein Widerspruch erfolgt sei und der „Hochzuverehrende“ somit einstimmig zum Ehrenbürger ernannt sei.

Schuster, nur ein Jahr im Amt, ehe er von Parteifreund Lorenz Mai abgelöst wurde, bat daraufhin die Herren, sich von den Plätzen zu erheben, um den Ehrenbürger mit einem dreifachen Sieg Heil hochleben zu lassen.“ Auch Ratssitzung und „Huldigungsakt“ endeten ganz im Geist des neuen Regimes mit diesem gebrüllten Schlachtruf und der ersten Strophe des berüchtigten Horst Wessel-Liedes.

Bereits Ende August schickte Hitlers treuer Paladin ein Telegramm nach Emmerich: „Nehme hocherfreut die mir zuteil gewordene Ehrenbürgerschaft an.“

Göring kam dann tatsächlich nach Emmerich: in weißer Paradeuniform. Am 3. Juni 1934 um 17 Uhr wurde er vor dem Rathaus am Geistmarkt empfangen und ihm der Ehrenbürgerbrief ausgehändigt.

Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wurde der Reichsmarschall in Nürnberg als Hauptangeklagter zum Tode verurteilt. Er vergiftete sich vor der Hinrichtung. So schnell sie mit der Ehrenbürgerwürde war, so spät war die Stadt Emmerich dran, um ihm diese Ehre wieder abzuerkennen – erst in den späten 90er-Jahren.

Weil die alten Ratsprotokolle nicht mehr im Original erhalten sind, ist das Stadtarchiv Emmerich auf Zeitungen angewiesen, die damals recht ausführlich über Ratssitzungen berichteten. „Die meisten alten Zeitungen haben wir auf Mikrofilmen, weil die Zeitungen bei auswärtigen Archiven lagern. Wir haben sie schon vor Jahren verfilmt“, so Stadtarchivar Herbert Kleipaß. Seine Bewertung nach Durchsicht des Boten vom Niederrhein von 1933: „Es ist schon bemerkenswert, wie schnell sich hier die braunen Machthaber durchgesetzt haben.“ Mit der Vergabe der Ehrenbürgerrechte an Nazi-Größen habe die Stadt Emmerich freilich nicht alleine da gestanden: „Man kam mit den Dankestelegrammen kaum hinterher.“