Rees/Kalkar. . Er ging nie ans Netz, der Schneller Brüter, mit dessen Bau vor 40 Jahren begonnen wurde. In Rees wurde die Bevölkerung mit der Prognose beruhigt, dass sie bei einem Supergau sofort sterben würden.

In den Schulen probten sie bereits den Ernstfall. Wenn es zu einem Zwischenfall im Stillen Brüter kommt, müssen sich die Schüler unter den Tisch werfen und sich eine Plastiktüte über den Kopf ziehen. Die Katastrophenübungen gab es, nicht aber die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks in Hönnepel.

In Rees wurde die Bevölkerung mit der Prognose beruhigt, dass sie bei einem Supergau sofort stirbt, während in weiter gelegenen Kommunen die Menschen einem qualvollen Ende entgegen sähen. Und so regte sich auch in der Rheinstadt bald der Widerstand. Allen voran durch Bruno Schmitz, der an der Reeser Hauptschule unterrichtete und bereits als Kabarettist unterwegs war. So steht in manchen Reeser Plattenschränken noch dessen Anti-Atom-LP „Bauer Maas“ mit Demoliedern von Bruno Schmitz und Didi Jünnemann.

Damals formierte sich eine Widerstands-Gruppe von Reesern. Man traf sich in den Hinterräumen des ersten Bioladens in Kleve, wo Aktionen geplant wurden. Denn blenden ließen sich diese Reeser nicht. „Damals besuchte ich die landwirtschaftliche Schule. Dort propagiert man die Atomkraft. Der Rhein erwärmt sich um mehrere Grad und wir werden eine dritte Fruchtfolge am Niederrhein erleben“, erinnert sich Hugo Köster aus Groin. Oder man könne die Äcker mit Kernenergie heizen und so eine ungeheure Ertragssteigerung bewirken. Hugo Köster hat davon nie etwas geglaubt, sondern seinen Mitstreitern der BI Stopp Kalkar vertraut. „Als Spinner haben sie uns damals abgetan“, erinnern sich die Demonstranten. Die ganz friedlich auftraten, allerdings bereits 1974 zu Tausenden in Kalkar demonstrierten. Schwieriger wurde es in den kommenden Jahren, so musste 1977 ein Marsch vom Kalkarer Marktplatz zur Brüterbaustelle ausfallen, da Polizei die Wege blockiert hatten. Bei einem Marsch auf Kalkar von Rees über die Rheinbrücke, rückte eine Polizei-Sonderkommando von hinten an und schlugen sich, „mit Gewalt“ eine Schneise durch die Demonstranten. „Ich habe es erlebt“, erinnert sich Hugo Köster an viele blutende Mitstreiter. Aber es war auch die Zeit von Baader-Meinhof, die Stimmung war gespannt.

Während die Deutschen damals lange Haare trugen und den klassischen Parka, war Stef Beumer mit kurzen Haaren und Slips der Ausnahme-Demonstrant. So war er es auch, der zu der Gruppe von Leuten gehörte, die mit dem Kreis Kleve und der Stadt Kalkar einen „Friedensvertrag“ aushandeln sollte. „Sie hatten keine Lust mehr auf die Oster- und Pfingstmärsche auf Kalkar“, so Stef Beumer. Im Jahr 1979 waren es bald 50 000 Demonstranten, die auf den Wiesen keinen Platz zum Campen mehr fanden. Hugo Köster bot ihnen als Lager die Wiesen seines Vaters in Groin an. „Morgens verteilten wir dann frische Milch.“ In jenen Jahren wuchs das ökologische Interesse, so begann Hugo Köster mit biologischem Anbau, die Grünen gründeten sich, auch in Rees. Denn auch Helmut Wesser und Maria Baumann gehörten zu jenem Anti-Atormkraft-Kern. Stef Beumer, der Rollstühle entwickelt und seinen Wohnsitz in Rees hat, möchte zum Jahrestag noch einmal viele Ehemalige zusammentrommeln und ihre Erinnerungen festhalten. Einer von ihnen ist der Niederländer Dirk Bannink, Heute arbeitet er beim LAKA, Amsterdam Documentatie en Onderzoekscentrum Kernenergie, einem Institut, das die Chronologie des Brüterbaus in Kalkar und dessen Geschichte aufarbeitet

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