Emmerich. .

Ein Anwalt im Emmericher Amtsgericht - eigentlich nichts Ungewöhnliches. Dieses Mal aber schon, denn er sitzt auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in einer Rechtssache gleich beide Parteien beraten zu haben.

Ein Rechtsanwalt vor Gericht? Das ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Wenn ihm selbst aber eine Straftat zu Lasten gelegt wird, dann schon. Nun musste sich vor dem Emmericher Amtsgericht ein Anwalt verantworten, der in einer Emmericher Kanzlei beschäftigt ist. Der Vorwurf: Der Emmericher soll in der selben Rechtssache beide Parteien beraten haben. Laut Gesetz darf ein Anwalt aber keine widerstreitenden Interessen vertreten. Schließlich könnte er Informationen aus Gesprächen gegen die jeweils andere Partei verwenden.

Im Falle des Emmericher Anwalts waren die beiden streitenden Parteien ein Eltener und seine nun von ihm geschiedene Frau. Als sich das Paar 1999 trennte, suchte die Frau, die Anwaltskanzlei auf, in der der Angeklagte beschäftigt ist. In einem Beratungsgespräch informierte sie sich über den Verlauf und die Folgen einer Scheidung, also alles rund um das Thema Sorgerecht und Unterhalt, da das Paar damals einen vierjährigen Sohn hatte. In dem Gespräch, das sie damals mit dem Inhaber der Kanzlei – der gestern auch seinen angestellten Anwalt in der Verhandlung vertrat – führte, so die Zeugin, habe sie auch Angaben zu ihrem Verdienst gemacht. Und das ist das Problem.

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Elf Jahre später suchte nämlich ihr Ex-Mann die Kanzlei auf. Wies sogar, so der Eltener, darauf hin, dass vor Jahren seine Frau hier Rechtsbeistand gesucht hatte. Für den angeklagten Rechtsanwalt schien das kein Problem zu sein, so der Zeuge. Ist es aber, wie Richterin Waltraud Wacker deutlich machte. Auch wenn sein Kollege, der Inhaber der Kanzlei, zuvor seine Ex-Frau beraten hatte, so dürfe auch er als angestellter Anwalt, auch Jahre später, nicht ihren Mann vertreten. Im zweiten Fall ging es nämlich um das Thema Kindesunterhalt, den die Mutter zahlen sollte. „Informationen zu ihrem Verdienst sind da nützlich gewesen“, so Wacker. Und die wären der Kanzlei, wie aus den Akteneinträgen ersichtlich ist, noch von 1999 bekannt gewesen.

Zu den Vorwürfen äußerte sich der Angeklagte selbst nicht. Er ließ vielmehr seinen Verteidiger und Chef der Kanzlei sprechen, in der er beschäftigt ist. „Die Anklage ist reiner, juristischer Unfug. Ich weiß gar nicht, was wir hier sollen“, so der Verteidiger. Das eine Mal hätte er selbst beraten, das andere Mal sein Kollege. Im Gesetzestext sei von einem Anwalt die Rede. Zudem habe es sich auch nicht um dieselbe Rechtssache gehandelt. Selbst als Richterin Waltraud Wacker ihm versuchte, anhand von Unterlagen den Tatvorwurf deutlich zu machen, ließ er nicht von seiner Meinung ab. „Sie irren, Frau Richterin.“

Davon ließ diese sich aber nicht beirren. Dass er und sein Kollege im Rahmen einer Kanzlei eine Einheit bildeten, ließe sich schon daran erkennen, dass auf den Rechnungsbelegen der Kanzlei immer von „wir“ die Rede sei. Auch die Staatsanwältin pflichtete bei: „Ich sehe das so wie die Richterin.“ Die Antwort des Verteidigers folgte sogleich: „Ich halte das Verfahren für albern.“

Dabei hatten er und sein Kollege es darauf ankommen lassen. Ein Angebot der Staatsanwaltschaft zur Einigung hatten die beiden im Vorfeld abgelehnt. Der Grund: „Wir möchten ein Urteil!“ Das kam nach der Vernehmung der Zeugen auch prompt. 50 Euro zu 180 Tagessätzen forderte die Staatsanwaltschaft. Nach einem kurzem Plädoyer forderte der Verteidiger nur eines: „Freispruch!“

Richterin Wacker sah es in ihrem Urteil als erwiesen an, dass der Angeklagte Parteiverrat begangen hatte. Als angestellter Anwalt in der Kanzlei, dürfe er das, was sein Kollege 1999 tat, nicht außen vor lassen. Auch wenn er selbst zu diesem Zeitpunkt hier noch nicht beschäftigt war. 90 Tagessätze zu je 50 Euro lautete ihr Urteil. Eine Antwort darauf von der Verteidigungsbank kam auch sogleich: „Dagegen werden wir Rechtsmittel einlegen.“