Emmerich. .

Nicht durch das „öde Rettbrock“: Die Betuwe-Diskussion um das dritte Gleis schent nicht neu. Schon beim Eisenbahnbau vor 150 Jahren wurde über Linienführung und Auswirkungen heftig diskutiert.

Alles schon mal da gewesen. Die Diskussionen um das dritte Gleis, die Aufhebung von Bahnübergängen und den Bau von Ersatzbauwerken erinnern an die Auseinandersetzungen, die Mitte des 19. Jahrhunderts um den Verlauf der Eisenbahnlinie zwischen Landesgrenze und Oberhausen geführt wurden.

Lieber an der
Mühle vorbei

Dabei verstand es die Stadt Emmerich, ihre Interessen zu wahren und zu verhindern, dass die Bahnstrecke um die Hansestadt einen großen Bogen macht, was Niederländer und Emmerichs Handelskonkurrent Wesel im Sinn hatten. Auch der Stadtrat in Elten schaltete sich ein und warnte in mehreren Schreiben an das preußische Finanzministerium eindringlich vor dem Ruin der Grenzstadt.

Die Eltener wollten verhindern, dass die Gleise durch das hügelige, sumpfige und „öde Rettbrock“ gebaut werden, sondern an der Mühle vorbei. Diese Trasse „bleibt immer auf preußischem Boden, und es werden auf dieser Strecke nicht mehr Privatgrundstücke angetroffen, weil die Bahn mit der neuen Chaussee fast dieselbe Richtung behält“. Außerdem wäre es für die 2035 Eltener von großem Nachteil, wenn sie erst nach einer halbe Stunde durch unbebautes Gebiet zum Bahnhof gelangten.

Auch die Sicherheit spielte schon eine Rolle. Hier argumentierten die Eltener, dass beim Verlauf der Bahn durchs Rettbrock „Hügel von 40 Fuß durchschnitten werden müssen, und sollte man zur Vermeidung der Abtragskosten zu Steigungen übergehen, so dürfte doch allzeit zur Vorbeugung von Unglücken ebenes Terrain wie auf der Linie bei Elten vorzuziehen sein“.

Gisbert Lensing aus Hüthum gehörte zu den Förderern des Eisenbahnbaus Elten-Oberhausen. Der Kanoniker am Martinistift, Gutsbesitzer und Deichgräf behielt auch als Abgeordneter im fernen Düsseldorf, Berlin und Erfurt seine Ländereien fest im Auge.

Nah bei
der Hand

So teilte er seinem auf dem Uferhof lebenden Neffen Cornelis Gisbert aus Berlin 1854 mit, auf welche Elten und Hüthum betreffende Punkte er beim Eisenbahnbau achten solle. Beispiel: „Der Muddeich darf nicht durchgegraben werden, der Weg über denselben muss erhalten werden.“

Auch mit Wegen, Unterführungen und Bahnübergängen befasste er sich: „ ... ist im allgemeinen dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Wegeverbindungen allenthalben erhalten bleiben, welches jedoch nicht hindert, dieselben mitunter zu verlegen, ferner, dass jedem Grundstück ein zweckmäßiger Ausweg verbleibe oder verschafft werde“. Auch um die Zahlung von Entschädigungen, z.B. an die Deichschau, sollte sich der Neffe kümmern. Solche Gedanken beschäftigen auch 150 Jahre später die Menschen, gerade im Raum Emmerich.

Gisbert Lensing erlebte die Inbetriebnahme der kompletten Bahnstrecke Arnheim-Oberhausen nicht mehr. Er starb am 18. April 1856. Wohl waren da die Bahnhöfe in Elten und Emmerich schon eingeweiht und lagen auch dort, wo Eltener und Emmericher sie hin haben wollten.

In Elten hält schon lange kein fahrplanmäßiger Zug mehr, und die Emmericher wären nicht unfroh, wenn sie angesichts des zunehmenden Güterverkehrs - Stichwort Betuwe - ihren Bahnhof nicht gar so nah bei der Hand hätten ...