Emmerich. Markus Dahms, Zweiter Beigeordneter der Stadt Emmerich, rechnet vor, warum man mit Bürgergeld nie mehr Geld bekommt, als mit Arbeit.

Dieses Statement war deutlich: „Es gibt keine Konstellation, wo jemand, der arbeitet, weniger verdient, als jemand, der ohne Arbeit Bürgergeld bezieht.“ Dies, so der Zweite Beigeordnete der Stadt Emmerich, sei ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

Musterbeispiel: 2639 Euro Bürgergeld versus mindestens 3170,57 Euro mit einem Einkommen

Thema wurde dies im Sozialausschuss zum Punkt Entwicklung der Regelsätze und Einführung von Kindergrundsicherung. Dahms legte ein Musterbeispiel vor. Eine Familie mit zwei Kindern (13 und 5 Jahre) ohne Erwerbseinkommen bei 550 Euro Kaltmiete, 160 Euro Nebenkosten und 130 Euro Heizkosten käme ab 2024 mit entsprechenden Wohnkostenzuschüssen, Kindergeld, Sofortzuschlägen und Bürgergeld auf 2639 Euro. Mit einem arbeitendem Elternteil liege das Einkommen hingegen mindestens bei 3170,57 Euro – inklusive aller zustehender Förderungen.

Für die ärmsten Familien ohne oder mit geringen Einkommen ist es eine Null-Nummer.
Markus Dahms, Zweiter Beigeordneter, zum Gesetzesentwurf Kindergrundsicherung.

Dann warf Dahms einen Blick auf den Gesetzesentwurf Kindergrundsicherung. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2025 eingeführt werden. Hauptziel: Bekämpfung der Kinderarmut. Das dann anzuwendende Rechenmodell für die genannte Musterfamilie käme aber auf den exakt selben Betrag von 2639 Euro. Der Zweite Beigeordnete geht davon aus, dass dieses Gesetz noch überarbeitet werde. Seine Kritik: „Für die ärmsten Familien ohne oder mit geringen Einkommen ist es eine Null-Nummer.“ Erst im nächsten Schritt, wenn durch eine Erwerbstätigkeit die Hilfebedürftigkeit beider Eltern überwunden wurde und Wohn- statt Bürgergeld ausgezahlt werden könne, dann profitiere die Familie erst von der Neuregelung.

Erst plus 80 Euro in acht Jahren, dann plus 114 Euro in zwei Jahren beim Bürgergeld

Zudem sehe der Entwurf nur Bedarfe ab, die pauschaliert gewährt werden können. Wird es individuell, dann sind doch wieder weitere Anträge neben der Kindergrundsicherung nötig. Es entstünden somit in der Administration deutlich höhere Kosten als bisher im funktionierenden System mit Jobcenter und Kindergeldkasse, kritisiert Dahms.

Zweifelsohne habe der Eckregelsatz nach dem SGB II und dem SGB XII in den vergangenen zwei Jahren einen deutlichen Sprung gemacht. Zuerst ging es zwischen 2015 und 2022 acht Jahre lang nur 50 Euro hoch. „Und dann gibt es 2023 und 2024 einen Anstieg von 114 Euro“, so Dahms. Bis zu 563 Euro wird im kommenden Jahr der Eckregelsatz beim Bürgergeld betragen, der in 2015 noch bei 399 Euro lag.

Jobturbo wirkt sich erheblich auf die Vermittlungsarbeit aus

Seit Januar 2023 seien ja auch die Ukrainer in diesen Rechtskreis geschoben worden. Der Gesetzgeber wollte es so. Für die Stadt Emmerich bedeute das ein Bürgergeld-Volumen von plus 200.000 (seit Januar 2022) auf eine Million Euro im Monat im Juni 2023.

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Der sogenannte Jobturbo der Bundesregierung stelle die Vermittlungsarbeit ziemlich auf den Kopf. Hieß es mit der Einführung des Bürgergeldes noch, dass der Vermittlungsvorrang wegfällt, so sollen nun Migranten sofort vermittelt werden. Sanktionsmöglichkeiten sollten in 2023 erst in den Hintergrund treten, jetzt sollen sie unbedingt voll ausgeschöpft werden. Lag mit dem damals neuen Bürgergeld der Fokus auf Qualifikation, Fort- und Weiterbildung, so habe nun die Vermittlung Priorität; die Qualifikation soll berufsbegleitend erfolgen. Eine Hilfeplanung auf Augenhöhe mittels einer Kooperationsvereinbarung wurde ersetzt durch eine engmaschige Betreuung der Leistungsberechtigten, schilderte Dahms.

Noch nicht personell reagieren

Joachim Sigmund, BGE, fragte, ob bei der zusätzlichen Belastung durch den Jobturbo mit dem derzeitigen Personal noch eine engmaschige Betreuung möglich sei: „Reicht das Personal?“ Dahms schilderte, dass man erst die Anpassungen der Kindergrundsicherung abwarten sollte, bevor man personell reagiere.