Emmerich-Elten. Niederländer kaufen in Elten unfassbare Mengen an Tabak und Zigaretten. Der Handel richtet sich auf Kunden ein, die weite Wege in Kauf nehmen.

Mit den kleinen Zigarettenpäckchen hinter der Tankstellenkasse halten sich die Holländer gar nicht mehr auf. Demian van Akkeren aus Doesburg hat gleich drei große Eimer mit je 300 Gramm Drehtabak in den Kofferraum geladen. Dazu noch eine große Kiste mit Dutzenden kleineren Shag-Packungen. Das sei der Vorrat für ihn und seine Mutter, sagt er. Das reiche für einen Monat.

Zigaretten werden nur noch eimer- und stangenweise verkauft

Kunden wie Demian van Akkeren stehen derzeit Schlange bei Eva Riml (32) an der Aral-Tankstelle von Derksen in Emmerich-Elten. Niederländer, die für eine Schachtel Zigaretten an die Zapfsäule springen, sind selten: „Wir verkaufen die Zigaretten hier eigentlich stangenweise“, sagt sie.

Eva Riml verkauft zurzeit Kistenweise den Tabak in ihrem Aral-Shop in Elten.
Eva Riml verkauft zurzeit Kistenweise den Tabak in ihrem Aral-Shop in Elten. © FUNKE FotoServices | Thorsten Lindekamp

In den Niederlanden hat die Regierung dem Rauchen seit vergangenem Jahr den Kampf angesagt. Zigarettenautomaten sind verboten, in Supermärkten und Tankstellen darf bald nicht mehr verkauft werden, der Verkauf in Geschäften ist bereits stark eingeschränkt. Und vor allem – Tabak ist teuer. 17 Euro kostet das Päckchen Shag, in Elten ist es für elf Euro zu haben. Nächstes Jahr soll Tabak in Holland 24 Euro kosten.

Der Kreis Kleve entwickelt sich zum kleinen Luxemburg

Von dieser Entwicklung profitiert die deutsche Grenzregion. Eva Riml meint, dass sich der Kreis Kleve in dieser Hinsicht immer mehr zu einem kleinen Luxemburg entwickelt. Immer weitere Anfahrtswege nehmen die Nachbarn in Kauf, um kurz hinter der Grenze zu tanken, einzukaufen – und vor allem Tabak einzuladen. Riml weiß, dass ihre Kunden inzwischen aus Utrecht und Amersfoort kommen.

Der Zigarettenumsatz an der Aral-Tankstelle in Elten hat sich in diesem Jahr verdoppelt. Deshalb haben die Gebrüder Derksen den Shop umgebaut. Wo früher die Sitzecke für die Bäckerei war, steht jetzt ein zusätzliches Verkaufsregal für Tabak. Gut 50 Euro kostet ein Eimer Tabak. Und es gibt Kunden, die mit zehn oder zwölf Dosen nach Hause gehen, berichtet Riml.

Am Wochenende herrscht in Elten Hochbetrieb

Tabak, Tabak, Tabak – in Elten muss drei Mal täglich aufgefüllt werden.
Tabak, Tabak, Tabak – in Elten muss drei Mal täglich aufgefüllt werden. © FUNKE FotoServices | Thorsten Lindekamp

Am Wochenende herrscht Hochbetrieb. Dann stehen die Autos bis auf die Beeker Straße – und warten auf ihre „heiße Ware“. Das Personal hat Derksen bereits umgestellt, hier wird im Schichtbetrieb gearbeitet: Zwei Mitarbeiter an der Kasse, zwei im Backoffice, um die Tabakregale rechtzeitig wieder aufzufüllen. Zwei- bis dreimal am Tag wird aufgefüllt.

Ganz koscher ist die Zigarettenorgie nicht. Denn über die Grenze dürfen maximal 800 Zigaretten mitgenommen werden. Und bei den Unmengen an Tabak können die Kunden aber oft weit mehr als 800 Fluppen drehen. Außerdem darf man nach EU-Recht auch nur einen Kilogramm Tabak mit sich führen.

In Holland kostet der Päckchen Shag bald 24 Euro

Eva Riml stellt fest, dass die Holländer sehr genau rechnen. Eine Schachtel Marlboro kostet in Deutschland acht Euro (20 Stück), bei den Nachbarn zahlt man für 17 Stück 8,20 Euro. Die beliebtesten Marken sind John Player schwer, Van Nelle, Look out und Buffalo. Obwohl Look out eine holländische Marke ist, kommen die schönsten Versprecher zustande: „Von Lucky Out bis Outlook hatten wir schon alles“, lacht die Verkäuferin.

Mentolzigaretten sind in Deutschland verboten – Mentolfilter dürfen verkauft werden. Zur Freude der Kunden.
Mentolzigaretten sind in Deutschland verboten – Mentolfilter dürfen verkauft werden. Zur Freude der Kunden. © FUNKE FotoServices | Thorsten Lindekamp

Beliebt sind auch Mentolfilter, die den Zigaretten einen Mentolgeschmack verleihen. Eigentlich sind Mentol-Zigaretten in Europa verboten. „Aber die Filter dürfen verkauft werden“, wundert sich Riml. Die weißen Filter werden stangenweise verkauft. Männer würden aber meist ohne Filter rauchen.

Das Angebot umgestellt: Lakritz, Weingummi und Redbull

Der große Umsatz erfordert auch mehr Sicherheit. Ein Sicherheitsteam sorgt dafür, dass alles ruhig bleibt. Um den vielen niederländischen Kunden gerecht zu werden, wurde auch das übrige Programm der Tankstelle angepasst: Die Weingummis kommen von Redband und auch die Spirituosen werden mehr verkauft. „Auch Redbull wird sehr, sehr viel gekauft“, sagt Riml.

Das Zigaretten-Regal bei Primera. Die Packungen müssen braun gehalten werden – mit den bekannten Ekel-Fotos und Warnhinweisen.
Das Zigaretten-Regal bei Primera. Die Packungen müssen braun gehalten werden – mit den bekannten Ekel-Fotos und Warnhinweisen. © FUNKE FotoServices | Thorsten Lindekamp

Einige Kilometer weiter östlich, in ‘s-Heerenberg, ist der Verkauf von Tabakwaren nahezu zusammengebrochen. Das Koffiehuis in der Oude Poortstraat hat im vergangenen Jahr den Verkauf von Zigaretten eingestellt. „Es lohnt sich einfach nicht mehr“, sagt der Ehemann von Inhaberin Jannie Wachtendonk. In der Tabakabteilung gibt es jetzt Zubehör zum Kaffeetrinken. „Kaffee ist bei uns billiger“, sagt der Verkäufer.

In ‘s-Heerenberg verschwinden die Zigaretten in einem Schrank

Ähnliches Bild bei Jumbo und Primera. Die Zigaretten liegen hinter der Theke, verschlossen in einem Schrank. Was sich dahinter verbirgt, kann der Kunde nicht sehen: „Das ist Vorschrift“, sagt Monique Bouwman von Primera. Sie öffnet den Schrank und zum Vorschein kommen einfarbige Zigarettenschachteln. Alle dunkelbraun, mit den typischen Ekelbildern und Warnhinweisen. Der Umsatz sei stark zurückgegangen, sagt sie. Dabei sei Primera einst als Tabakladen gegründet worden. Ab und zu kämen noch Kunden, um sich eine Schachtel zu gönnen.

Demian van Akkeren, der Kunde, der sich in Elten den Kofferraum vollgepackt hat, fährt auf Schleichwegen nach Hause. Weniger zu rauchen ist keine Option? „Nein, solange ich es mir noch leisten kann, rauche ich. Und wenn es teurer wird, verzichte ich eben auf andere Dinge“, sagt er. Verkäuferin Eva Riml, die auch lange geraucht hat, hat im Mai die letzte Zigarette ausgedrückt: „Die Versuchung hier im Laden ist schon groß, vor allem wenn man Stress hat. Aber ich bin bisher standhaft geblieben“, sagt sie – und stellt die Tabakschachtel zurück ins Regal.

>> Die Regelungen in den Niederlanden

Die niederländische Regierung hat angekündigt, ab dem 1. Januar 2024 die Verbrauchssteuern auf Alkohol und Tabak erneut zu erhöhen. Dann wird ein Päckchen Zigaretten (20 Stück) im Nachbarland durchschnittlich 10,70 Euro kosten, auch der beliebte Drehtabak wird deutlich im Preis steigen: von jetzt 17 Euro auf dann 24,14 Euro für 50 Gramm, so die Pläne der Regierung.

Um das Rauchen in der Bevölkerung zu unterbinden, haben die Niederländer gleich mehrere Maßnahmen getroffen. Seit 2022 gibt es ein Verbot von Zigarettenautomaten und seit Juli 2023 dürfen Tabak und E-Zigaretten nicht mehr online verkauft werden – dies gilt sowohl im Inland als auch für den grenzüberschreitenden Handel. Sprich: ausländische Unternehmen dürfen in den Niederlanden keine Tabakprodukte mehr in den Niederlanden anbieten. Außerdem dürfen seit diesem Jahr keine E-Zigaretten mit Geschmacksrichtungen verkauft werden.

Ab dem 1. Juli 2024 dürfen Tabakwaren nicht mehr in Supermärkten und Gaststätten verkauft werden, ab 2025 dürfen E-Zigaretten nur noch in Tabakfachgeschäften verkauft werden. Ein Verkaufsverbot an Tankstellen ist für 2030 vorgesehen.