Emmerich/Rees. Die Stadtwerke Emmerich setzen die Strom- und Gaspreisbremse rückwirkend zum 1. Januar um. Warum das für viele Kunden kaum einen Effekt hat.

  • Die Stadtwerke Emmerich setzen die Strom- und Gaspreisbremse rückwirkend zum 1. Januar 2023 um.
  • Als die Strom- und Gaspreise 2022 exorbitant stiegen, blieben Kunden der Stadtwerke eher verschont.
  • Preise der Stadtwerke Emmerich liegen nur knapp über den förderfähigen Grenzen.

Es war eine „Operation am offenen Herzen“. Aber die Stadtwerke Emmerich (SWE) haben die von der Regierung eingeführte Strom- und Gaspreisbremse ohne Testlauf zügig umsetzen können. „Wir sind froh, es fristgerecht und ordentlich umgesetzt zu haben“, sagt Vertriebsleiter Ingo Sigmund.

„Die Schreiben an die Kunden sind raus“, ergänzt Geschäftsführer Udo Jessner. Im Pressegespräch sensibilisiert er aber die Öffentlichkeit: Das Gros der Emmericher wird die Entlastung nicht so deutlich spüren. Manche sparen nur wenige Euro. Das liegt daran, weil viele SWE-Kunden durch langfristige Verträge nicht die exorbitanten Preiserhöhungen abbekommen haben, wie sie in manch anderen Regionen 2022 Realität wurden.

Gas und Strom kosten im Einkauf immer noch dreimal so viel wie Anfang 2021

Die Gas- und Strompreise purzeln. Das ist der Eindruck, den viele Bürger durch die überregionale Berichterstattung mitnehmen. Jessner zeigt aber die Entwicklung auf. Lag der Referenzstrompreis im Januar 2021 bei 50 €/MWh im Einkauf, so stieg er 2022 mal auf fast 1000 €/MWh. „Jetzt geht er wieder runter, ja, aber nur auf etwa 150 € im Einkauf. Das ist immer noch dreimal so hoch wie Anfang 2021.“ Beim Gaspreis ging es von 20 €/MWh im Januar 2021 auf über 300 Euro in 2022 auf jetzt etwa 55 Euro – auch hier knapp dreimal so hoch. Da die Beschaffung am Markt sich grundsätzlich geändert habe, geht Jessner davon aus, dass die Preise nicht mehr auf das Altniveau zurückkehren werden.

Die Preise der SWE liegen 2023 mit 46,11 Euro für Cent und 12,55 Cent für Gas unter dem Bundesschnitt von 48,12 Cent/kWh und 18,15 Cent/kWh. Auch regional liegen die SWE unter den Stadtwerken in Kleve, Goch, Bocholt oder Rees, die gar bei 60,08 und 20,81 Cent liegen. „Wir müssen uns nicht verstecken“, sagt Jessner. Von einer Vervielfachung der Preise kann in Emmerich nicht die Rede sein. „Das hat zur Folge, dass die Entlastung durch die Strom- und Gaspreisbremse in Emmerich eher gering ausfällt“, erklärt Jessner.

Reeser Stadtwerke-Kunden spüren Entlastung deutlicher

Denn folgende Entlastung ist vorgesehen: „Alles was über zwölf Cent/kWh liegt beim Gas, wird subventioniert“, so Jessner. Die 12,55 Cent für die SWE-Kunden liegen kaum drüber. Beim Strom wird ab 40 Cent aufwärts gefördert und hier zahlen SWE-Kunden eben die 46,11 Cent. Reeser Stadtwerke-Kunden werden die Subvention stärker spüren.

Die Strom- und Gaspreisbremse wird rückwirkend zum 1. Januar 2023 umgesetzt. Gefördert wird 80 Prozent des Vorjahresverbrauches, wobei die Ermittlung der Werte nicht immer so leicht sei. Manchmal werden auch Referenzwerte aus 2021 herangezogen. Ein externer Provider berechne das, so Jessner. 2021 sei deshalb ein gutes Referenzjahr für die Kunden, weil es durchschnittlich kälter war als andere Jahre zuletzt, erinnert Sigmund.

Udo Jessner: Gesetzgeber hatte keine Alternative als eine pauschale Subventionierung

Natürlich fühlt sich manch ein Kunde gelackmeiert, der auch in den Vorjahren sehr sparsam mit Strom und Gas umgegangen ist und nun kaum weiteres Einsparpotenzial hat. Jene, die unbekümmert verbraucht haben, können ihren Verbrauch nun leichter senken und werden mit der 80-Prozent-Regelung begünstigt. Udo Jessner kann diese Denke zwar verstehen, sieht aber für den Gesetzgeber keine Alternative als eine pauschale Regelung – vor allem in der Kürze der Zeit. Und er erinnert an den Datenschutz: Wie sollte man ermitteln, wer wirklich sparsam war?

Vertriebsleiter Ingo Sigmund und seine Kollegen sind froh, dass sie die Gas- und Strompreisbremse fristgerecht haben umsetzen können. Das war viel Arbeit.
Vertriebsleiter Ingo Sigmund und seine Kollegen sind froh, dass sie die Gas- und Strompreisbremse fristgerecht haben umsetzen können. Das war viel Arbeit. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Inzwischen sind fast 94 Prozent der Emmericher Kunde der Stadtwerke – in der Krise hat es viele zum Grundversorger getrieben; für die SWE bedeutete dies ein noch schwerer zu kalkulierender Einkauf. Ein Drittel der Kunden haben Langfristverträge, verrät Vertriebsleiter Sigmund. Diese profitierten in der Krise seit dem Ukraine-Krieg durch recht stabile Preise.

Stadtwerke-Geschäftsführer bittet um Verständnis

Udo Jessner bittet die Kunden nicht enttäuscht zu sein, wenn ihre Entlastung sich in Maßen halte. Erste Reaktionen – und die Drähte im Kundencenter glühen – zeigten, dass viele Bürger diese Feinheiten noch nicht verstanden hätten: „Die Erwartungshaltung ist eine andere durch die überregionale Berichterstattung.“

Kunden, die den SWE die Lastschrift erlaubt haben, müssen nichts tun. Die Beiträge werden automatisch angepasst. Jene, die einen Dauerauftrag eingerichtet haben, müssen selbst anpassen. Ansonsten würde bei der Endabrechnung 2023 ausgeglichen: „Es geht nichts verloren“, versichert Jessner. Zählerstände werden aktuell nicht benötigt. Für Rückfragen steht das Kundencenter unter 02822/604188 oder per Mail an zur Verfügung.

>> Andere Regelung für Großkunden

Für die Großkunden der Industrie greift die Strom- und Gaspreisbremse etwas anders. Hier wird 70 Prozent des Referenzjahres subventioniert. Beim Strom gibt es für bis zu 30.000 kWh/Jahr nicht 40 Cent/kWh brutto, sondern 13 Cent netto – ohne Steuern, Umlagen, Abgaben und Netzentgelten, erklärt Sigmund.

Beim Gas liegt die Grenze bei 1,5 Millionen kWh/Jahr. Hier sind nicht zwölf Cent/kWh, sondern sieben Cent/kWh zu zahlen.