Rees-Haldern. Die NRZ präsentiert das 40. Haldern Pop Festival. Alle Bands im Porträt von Tom Odell bis Leoniden. Diese Gruppen sind für eine Überraschung gut.

Unglaublich, es sind schon 40 Jahre. Ein dickes Jubiläum feiert das Haldern Pop Festival – präsentiert von der NRZ – vom 3. bis zum 5. August 2023. Im bisherigen Programm stechen einige namhafte Künstler wie Tom Odell oder Glen Hansard heraus, aber es gibt auch wieder spannende Neulinge zu entdecken wie Sorry, Willie J Healey oder Special Interest. Die NRZ stellt hier die ersten Acts näher vor.

Unsere Bewertungen: eine bescheidene Entscheidungshilfe

Zur Erklärung: Für jede Band haben wir ein Erlebnispotenzial bewertet. Über Geschmack lässt sich streiten, deshalb versuchen wir nicht eine absolute Wertung abzugeben. Das soll jeder Zuhörer für sich selbst tun. Wir versuchen hier einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Konzert für Sie zum Erlebnis werden kann.

Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Ist die Musik leicht zugänglich? Gibt’s Ohrwürmer? Ist es eher eine Nischenband? Könnte der Spielort eine Rolle spielen? Wir haben es uns nicht leicht gemacht und trotzdem werden wir sicher nicht immer recht haben. Es ist eine bescheidene Entscheidungshilfe.

Tom Odell kehrt zurück zum Haldern Pop Festival in 2023.
Tom Odell kehrt zurück zum Haldern Pop Festival in 2023. © Haldern Pop | Rory Langdon

Tom Odell: ein Welthit und viele weitere wunderschöne Balladen und Hymnen

Als Tom Odell 2013 für das Haldern Pop gebucht wurde, da hatten die Festivalmacher mal wieder ihre Trüffelnase bewiesen. Sein Song „Another Love“ war noch nicht der Welthit, der er wurde. Ein Song, der nicht nur in Haldern zur Festivalhymne wurde, sondern bis heute ein Klassiker ist – fast 1,5 Milliarden Klicks bei Spotify sprechen für sich.

Zehn Jahre später kommt der Engländer mit fünf Alben, drei EPs und einer großen Fan-Gemeinde zurück an den Niederrhein. Nach wie vor sind gefühlvolle Balladen seine große Stärke, dafür ist seine zugleich zerbrechliche, aber auch kraftvolle Stimme, die leicht rauchig daher kommt, ideal. Aber auch Pop-Hymnen, die einen ganzen Festivalplatz zum Tanzen bringen, hat er im Repertoire. Musik für: die kollektive Aufmerksamkeit. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Best Day of my Life“, „Magnetised“.

The Comet is Coming: Hier spricht das Saxophon

Aufhorchen lässt die Londoner Indie-Rock-Gruppe Sorry. Wer diese Musikrichtung mag, darf diesen Auftritt nicht verpassen. Das Songwriting ist großartig. Die Lieder spielen mit Harmonien, Kakophonien, Stimmungen und bieten reichlich spitzfindige Facetten. Das 2022er Album „Anywhere but here“ überzeugt vollends. Auch das 2020er-Debütalbum „925“ ist stark. Der zweistimmige Gesang von Asha Lorenz und Louis O’Bryen wirken wie sich anziehende Gegensätze. Die Stücke erreichen den perfekten Garpunkt im Maß der Instrumentierung. Kein Ton zu viel, kein Ton zu wenig. Musik für: Feingeister, die stets nach neuem streben. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.

Hörproben: „Let the Lights On“, „Step“. „Screaming in the Rain“.

Schon mit Sons of Kemet hat King Shabaka beim Haldern Pop bewiesen, dass er eine spezielle Zielgruppe ansprechen und glücklich machen kann. Mit The Comet Is Coming bringt der Saxophonist nun ein anderes Jazz-Projekt auf die Halderner Bühne. Hier fließen Elektro-Einflüsse ein, auch Psychedelic Rock, sodass man gar nicht anders kann, als sich zum Beat zu bewegen. Das Saxophon ersetzt sozusagen den Gesang und erzählt die Geschichten. Ein Dauer-Solo sozusagen, was mit einem Könner wie Shabaka aber auch nicht langweilig wird. Ein Jazz-Fan wird dies womöglich nicht mehr als solchen bezeichnen, kann aber mit Freunden elektronischer Beats hier fachsimpeln. Musik für: jene die einen Crossover der Stilrichtungen würdigen können. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Code“ (live), „Summon the Fire“.

Die Nerven nerven immer noch nicht

Sein neues Album „Bunny“ bringt Willie J Healey erst kurz nach dem Haldern Pop Festival heraus. Erste Songs deuten die Stoßrichtung an. Der Funk wird moderner, mehr R’n’B wird zu hören sein. Im 2020er-Album „Twin Heavy“ klang das alles noch mehr nach 70er-Retro. Und zwar zweifelsohne leichtfüßig genial. Die Lieder hinterlassen einen angenehmen Nachgeschmack. Das möchte man nochmal kosten. Tanzbar, die Seele berührend, ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Musik wie: der Soundtrack der Positivität. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „We Should Hang“, „For You“, „Thank You“ (mit Jamie T).

Die Stuttgarter Die Nerven waren 2016 zuletzt beim Festival und inzwischen einen festen Platz auf der Playlist der Noise- und Indie-Rock-Fans. Das Album „Die Nerven“ aus 2022 zeigt einen Reifeprozess auf. Der Krach der frühen Bandjahre seit 2012 ist gewichen für mehr Melodie; sogar Streicher und Bläser finden Platz auf dem Tonträger (Ups, wäre das was für eine Kooperation mit Stargaze?!). Auf satte Gitarrenriffs müssen die Zuhörer nicht verzichten, aber es wirkt weniger rotzig, mehr gut durchdacht. Entsprechend feinsinnig sind auch die deutschen, gesellschaftskritischen Texte. Musik für: den Rest-Punk in deinem erstaunlich gesetzten Leben. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Europa“ (live), „Niemals“, „Barfuß durch die Scherben“.

Hania Rani hat am Niederrhein offenbar ihre Fans

Hania Rani aus Polen spielt beim Haldern Pop Festival.
Hania Rani aus Polen spielt beim Haldern Pop Festival. © Gondwana Records

Die Pianistin Hania Rani aus Polen scheint am Niederrhein ihre Fans zu haben. Ihr Konzert am 25. März 2023 musste von der St. Georg-Kirche in Haldern ins Reeser Bürgerhaus verlegt wegen – so groß war die Nachfrage. Acht Alben hat sie bereits veröffentlicht; auch zwei in dem Duo Tęskno. Erste Aufmerksamkeit erregte sie 2015, als sie mit dem Album „Biała Flaga“ (2021 remastered) die Stücke der polnischen Rockband Republika neoklassisch interpretierte. Wobei „Esja“ 2019 die meiste Beachtung fand. Ihre Klangreisen, manchmal verträumt, manchmal fast hymnisch, wurden in der Folge mitunter millionenfach angehört. Auch Streicher sind häufiger zu hören. Musik für: das haptische Piano-Erlebnis. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Dreamy“, „Glass“, „Eden“.

Der Multiinstrumentalist Nnamdï aus Chicago bringt eine Mischung aus verspieltem Elektro-Pop und Hip-Hop zu Gehör, aber auch Indie, Gospel und westafrikanische Einflüsse (seine Vorfahren stammen aus Nigeria) sind erkennbar - ja, es ist schon ein avantgardistischer Pop. Sechs Studioalben und eine EP seit 2013 bescheren dem Chamäleon Nnamdi Ogbonnaya viele Farbmöglichkeiten. Musik als: Ausflug ins Kreativzentrum eines vielseitigen Künstlers. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „I Don’t Wanna Be Famous“, „Glass Casket“ (Remix), „Wasted“.

Wunderhorse: Auf dieses Pferd kann man setzen

Katy J Pearson aus dem englischen Bristol führt den Britpop früherer Tag in eine neue Zeit. Ihre sehr helle Stimme wird umgarnt von melodischen Stücken; etwas Folk steckt auch drin. Das 2022er Album „Sound of the Morning“ emanzipiert sich von dem Debütalbum „Return“ (2020). Die Musik ist bodenständiger geworden, verzichtet auf Effekthascherei und eine gewisse düstere Seite kommt dezent hervor. Was ihr noch fehlt, ist der eine Moment, der wirklich im Ohr bleibt, sodass aus Potenzial Momentum wird. Musik für: den Moment, in dem der Daumen hoch oder runter geht. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Talk Over Town“, „Howl“, „Take Back the Radio“.

Jacob Slater, einst Frontmann der Band Dead Pretties, kommt als Wunderhorse zurück. Der Engländer hat seine Post-Punk-Phase hinlänglich ausgelebt und ist nun gereifter, nüchterner im Indie-Rock angekommen. Das Album „Cub“ aus 2022 ist immer noch voller Geschichten, die Slater erzählt. Die saitenstarken Stücke kommen melancholischer daher, bleiben aber hoffnungsvoll. Die Lieder sind vielseitiger komponiert, lassen sich nicht mit vier Akkorden live rausrotzen. Stilistisch ist vielleicht auch ein gewisses Maß an Americana zu erkennen. Musik zur: Wiederbelebung des Indie-Gedächtnisses. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörprobe: „Leader of the Pack“, „Atlantis“, „Girl Behind the Glass“ (live).

Porridge Radio überzeugen mit Leidenschaft und Facettenreichtum

Prägnant, weil leidend und leidenschaftlich klingt die Stimme von Dana Margolin. Als Sängerin, Komponistin und Lead-Gitarristin von Porridge Radio sicherlich der Kopf des Quartetts aus Brighton, England, wo die steife Meeresbrise ihr Inspiration gibt. Der Indie-Rock wird nicht langweilig, weil er sehr facettenreich geschrieben ist. In den Texten lässt Margolin auch Peinliches nicht aus. Die Authentizität ist eine Stärke. Musik wie: die nackte Wahrheit in Wort und Klang ausgedrückt. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „The Rip“, „Back to the Radio“, „Born Confused“.

November Ultra hat im Februar 2023 den Award als „Best Female Newcomer“ bei den 38. Les Victoires De La Musique Awards in Paris bekommen.
November Ultra hat im Februar 2023 den Award als „Best Female Newcomer“ bei den 38. Les Victoires De La Musique Awards in Paris bekommen. © Getty Images | Marc Piasecki

Die Französin November Ultra berührt mit ihrer delikaten Stimme. Gerade die Balladen, übrigens weitgehend in Englisch gesungen, obwohl sie auch spanischen Hintergrund hat, lassen eine besondere Intimität spüren. Einige elektrisch untermalte Stücke entführen eher in die Ferne. Ihr 2022 erschienenes Debütalbum „Bedroom Walls“ folgte, nachdem sie erst die Band Agua Roja gründete und für andere Musiker komponierte. Jetzt gibt sie ihrem Talent ein Gesicht. Musik für: die angenehme Nähe. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Soft & Tender“, „Miel“, „Open Arms“ (live).

Die LGBTQ-Variante von Beth Dito?

Pop, Disco, House, Glam und vor allem Punk – und das bitte divers. So lautet das Spektrum von Special Interest aus New Orleans (USA). Live wird ihnen eine besondere Energie nachgesagt. Dafür ist die Musik, die häufig voller Elan voran geht genau so gut geeignet, wie die kräftige Stimme von Alli Logout, die stilistisch an Beth Dito erinnert. Während die älteren Elektro-Punk-Stücke noch gnadenlos reinhauen, erlauben die neueren Stücke auf dem dritten Album „Endure“ (2022) mehr Raffinesse. Musik für: den LGBTQ-Punk-Moment. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Foul“, „Cherry Blue Intention“, „Street Pulse Beat“.

Von besonderem Interesse? Special Interest aus New Orleans sind dabei.
Von besonderem Interesse? Special Interest aus New Orleans sind dabei. © Haldern Pop

Das Schweizer Trio Omni Selassi zelebriert instrumental das Spiel der Percussions. Gitarre und Synthesizer und Co. unterwerfen sich. Die Beats werden mal verzerrt, mal verschleiert, mal mit Gesang eher untermalt. Mal sind es epische Stücke, mal kurze Fetzen. Manchmal hat man das Gefühl sich in einem Computerspiel zu bewegen. Zweifelsohne alles sehr experimentell. 2022 erschienen die beiden ersten Alben „Dance or Dye“ und „What We Talk About: Omni Selassi“. Musik: aus dem Klanglabor. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörprobe: „Diese Dub“, „Wrong Movie“, „Words Like Ships“.

Lagerfeuermomente mit Glen Hansard

2013 und 2016 (im Bild) trat Glen Hansard bereits beim Haldern Pop Festival auf.
2013 und 2016 (im Bild) trat Glen Hansard bereits beim Haldern Pop Festival auf. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Der sympathische irische Lagerfeuer-Musiker Glen Hansard hat mit seiner Musik schon einige Male in Haldern begeistert; nicht alle, aber viele. Auch weil er so publikumsnah rüber kommt. Die prägnante, warme Stimme mit den sanften, häufig folkigen Melodien, dargeboten von begabten Instrumentalisten, das hat schon was. Glen Hansard kann einen großen Teil des Publikums in seinen Bann ziehen, aber manche spricht die Musik nicht an, weil sie wenig Ecken und Kanten bietet. Das Rezept schmeckt man schnell heraus. Wem es nicht schmeckt, der braucht nicht auf Variationen hoffen. Musik wie: eine Wohlfühlcouch. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Falling Slowly“, „Drive All Night“, „Say it to me Now“ (live).

Das Quintett Panic Shack aus Cardiff in Wales steht für Punk. Sogar recht gradlinigen, sauber produzierten Punk. Natürlich gilt hier eine Mindestgeschwindigkeit einzuhalten, um sich nicht ein Punk-Knöllchen einzuhandeln. Aber es muss nicht immer Vollgas auf der Überholspur sein. Das birgt für intelligentes Songwriting. Dazu rebellische Texte: passt. Musik für: Punk-Fans und jene, die Energie mögen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Who’s Got my Lighter?“, „I Don’t Really Like It“, „The Ick“.

Punk aus Wales: Panic Shack.
Punk aus Wales: Panic Shack. © Haldern Pop

Gospel im Soul-Gewand

Vier Generationen einer Musiker-Familie prägen die Historie der Staples Junior Singers aus Aberdeen, Mississippi. In den 70ern begann, was bis heute anhält – auch immer noch mit Gründungsmitgliedern. Ihr Gospel ist geprägt vom Soul, dem Soul der 70er. Überflüssig zu erwähnen, dass die großartigen, beseelten Stimmen jede Kirche etwas heiliger machen. Fast jedes Wochenende lässt die Familie ihre Stimmen in irgend einem Gotteshaus erklingen. Ihre Texte handeln vom Leid und den harten Zeiten, ganz in der Tradition des Gospels. Musik für: den Zeit- und Kontinentalsprung. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „I Know You’re Going“, „We Got a Race to Run“, „When Do We Get Paid“.

Experimentell, avantgardistisch wird es bei der Katalanin Marina Herlop. Die klassisch ausgebildete Pianistin und Sängerin nutzt auf ihrem dritten und erfolgreichstem Album „Pripyat“ alle technischen Möglichkeiten, ihre helle, klare Stimme zu präsentieren, damit zu spielen. Ein meist delikater, detailverliebter Sound jenseits jeglicher Genre-Schubladen kommt dabei heraus. Mal mit mehr Percussions, mal mit mehr Piano. Nicht leicht zugänglich. Musik für: die Abkehr vom Konsens. Erlebnispotenzial: 1/5 Sterne.

Hörproben: „Abans abans“, „Lyssof“, „Doiloi“.

Träumen mit diesen Folk-Harmonien

Die irische Band Just Mustard mag’s gerne düster. Ihr experimenteller Rock kommt getragen, mit einer beängstigenden Grundstimmung daher, die nur durch die fast lieblich-unschuldige Stimme von Katie Ball eine Balance findet. 2022 hat das Quintett das zweite Album „Heart Under“ veröffentlicht, das immerhin auf Platz 17 der irischen Albumcharts landete. Größte Aufmerksamkeit hat aber 2018 der Song „Deaf“ erhalten der bei Spotify mit über 2,2 Millionen Klicks alle anderen deutlich überragt. Musik für: die Reise in sein düsteres Ich. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Still“, „Mirrors“.

Bear’s Den aus London kehren zurück nach Haldern. Die sanfte Londoner Folk-Rock-Duo mit der prägnanten, völlig unbritisch klingenden Stimme von Andrew Davie steht für herrliche Harmonien, die zum Träumen einladen. Das 2022er-Album „Blue Hours“ (Nummer fünf) lässt auch mehr Pop-Einflüsse zu, aber die richtigen Folk-Stücke sind es, die hängen bleiben. Zuletzt auf der EP „The Quiet Winter Light“ (2022) der Song „Berlin“. Musik um: die liebe Person neben dir bei der Hand zu nehmen und sich das zu teilen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Evelyn“, „Agape“, „Above the Clouds of Pompeii“.

Bingo Fury aus Bristol in England bringen eine dunkle Romantik zu Gehör. Die 2022 erschienene EP „Mercy’s Cut“ bietet avantgardistische Balladen mit Jazz-Einflüssen. Sänger Bingo Fury, der wie eine Filmfigur zu sehen ist, hat eine eindringliche Stimme, die auch im Sprechgesang wirkt. Ein Klangspektrum, das man greifen kann, aber nichts, was im Ohr bleibt. Musik, die: eine Leere füllt, aber zugleich verwirrt. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Underfall Yard“, „Big Rain“, „Cash for Chloe“.

Großartiger Synthie-Pop im Stile der 80er

Die Hamburger Musikerin Brockhoff erinnert mit ihrem Indie-Rock an die 90er, lässt aber auch Pop-Einflüsse zu. 2022 ist die Debüt-EP „Sharks“ erschienen. Ihre Stimme wird von Gitarrenklängen umgarnt. Eine Musik, auf die man sich schnell einlassen kann, mit Texten, die Tiefe zulassen. Kompositorisch wird ein Hexenwerk nicht versucht, aber der Zauber kann ja auch mit einfachen Zutaten wirken. Musik für: niederschwellige Einstiegsgelegenheiten. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Whenever You Want“, „Sharks“, „2nd Floor“.

Haldern Pop Festival 2023: Nation Of Language sind dabei.
Haldern Pop Festival 2023: Nation Of Language sind dabei. © Haldern Pop

Die New Yorker Gruppe Nation of Language lässt den Synthie-Pop der 80er aufleben und katapultiert ihn ins nächste Jahrtausend. Im September 2023 erscheint das Album „Strange Disciple“ – der Song „Weak In Your Light“ lässt aufhorchen. Mehr davon bestimmt beim Haldern Pop. Der Gesang von Richard Devaney erinnert an 80er-Größen. Die Synthie-Themen lassen Fans der frühen Depeche Mode-Musik die Ohren spitzen. Musik, die: Retro sehr modern wirken lässt. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Wounds of Love“ (live), „This Fractured Mind“.

Lily Moore – Pop und Soul, der berührt

Die Belgierin Sylvie Kreusch kann den Einfluss durch Sänger Maarten Devoldere (ihr Ex-Partner; von Balthazar), mit dem sie in der Band Warhaus war, nicht von der Hand weisen. Beim Gesangsstil fällt es auf. Ihr Debüt-Solo-Album „Montbray“ erschien 2021. Ihre Pop-Musik fand schon häufiger den Weg auf den Laufsteg, durch Kompositionen für Prada oder Victoria’s Secret. Ihre Stimme hat was Sinnliches und entfacht eine entsprechende Atmosphäre. Musik für: sinnliche Momente, in denen man sich fallen lässt. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Walk Walk“, „Wild Love“, „Belle“.

Es sei nur am Rande erwähnt, dass Lily Moore die Tochter der nordirischen Blues-Rock-Legende Gary Moore ist. Denn die junge Engländerin emanzipiert sich mit ihrem modernem Pop und Soul komplett von ihrem Vater. Teils erinnert sie an Amy Winehouse. Zweifelsohne eine großartige, beseelte Stimme. Die Melodien sind eingängig, berühren, laden zum verträumten Tanz ein. Musik für: die unvermeidlichen Gefühle. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Never Wanted You More“, „Hard Days Love“, „Now I Know“.

Protomatyr sind zurück

Amazon Music hat Olivia Dean aus London 2021 zum Breakthrough Artist of the Year gekürt – also die größte Neuentdeckung des Jahres. Das erste richtige Album lässt auf sich warten, aber ihre Lieder werden schon millionenfach geklickt. Soul und Pop beeinflusst durch Amy Winehouse, Lauryn Hill oder The Supremes leben von ihrer von einer Leichtigkeit geprägten Stimme. Musik für: vielleicht den letzten Moment, in dem sie nach Haldern passt. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Ufo“, „The Hardest Part“, „Ok Love You Bye“.

Die US-Postpunk-Formation Protomatyr – noch eine Haldern Pop-Rückkehrerband – hört man sofort raus, Joe Caseys Bariton-Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert. Ansonsten sprechen die Gitarren, die sehr wohl kultiviert daher kommen. Einfaches Handwerk, aber smart eingesetzt. Da kann man sicherlich als Zuhörer ordentlich mitgehen. In 2023 wird das sechste Album „Formal Growth in the Desert“ erwartet. Musik, um: die Energie zu leben. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Make Way“, „Pontiac 87“, „The Chuckler“.

Erstmals kommt eine Gruppe aus Südkorea nach Haldern: Balming Tiger.
Erstmals kommt eine Gruppe aus Südkorea nach Haldern: Balming Tiger. © Haldern Pop

Erstmals eine Gruppe aus Südkorea

Hip Hop aus Südkorea? Das ist eine Premiere für Haldern Pop: Balming Tiger sind in ihrer Heimat eine große Nummer. Allerdings haben sie eher mit wenig Liedern viel Aufmerksamkeit erregt. Ein Album gibt es seit der Gründung 2018 noch nicht. Das Kollektiv zählt bis zu elf Musiker und bezeichnet sich selbst als „Multi-national alternativ K-Pop group“. Tatsächlich fließen Pop, Elektro und andere Stilrichtungen ein. Sicherlich tanzbar. Und alles auf Englisch. Musik als: fernöstliches Überraschungspaket. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Trust Yourself“, „Sexy Nukim“ (feat. RM of BTS), „Just fun!“.

Der Komponist Sven Helbig aus Eisenhüttenstadt kommt mit Cantus Domus zum Haldern Pop – eine vielleicht ideale Verbindung. Der junge Chor hat in Haldern schon oft überzeugt. Und Helbig ist bekannt für solche Kollaborationen. Arrangements mit Rammstein haben große Aufmerksamkeit erlangt. Man darf gespannt sein, welche Früchte diese Zusammenarbeit bringt. Musik für: besondere Momente. Erlebnispotenzial: schwer einzuschätzen.

Hörproben: „Abendglühen“ (mit Vocalconsort Berlin und Kristjan Järvi), „Am Abend“ (mit Fauré Quartett, MDR Leipzig Radio Symphony und Kristjan Järvi).

Low Cut Connie tritt beim Haldern Pop in 2023 auf.
Low Cut Connie tritt beim Haldern Pop in 2023 auf. © Haldern Pop

Low Cut Connie kann die Massen bewegen

Jetzt musste es aber auch endlich mal klappen: US-Country-Rock- und Rock’n’Roll-Musiker Low Cut Connie sollte schon beim Haldern Pop gespielt haben. Ein Liebling der Haldern Pop-Macher, der Aufmerksamkeit verdient. Denn seine Musik geht ins Mark. Großartige Stimme, beseelte Musik, herrliche Melodien, die im Ohr bleiben. Der richtige Song im richtigen Moment: Da können einem die Tränen vor Freude kommen. Musik, die: einem das Lächeln ins Gesicht treibt. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.

Hörproben: „Private Lives“, „Big Thighs, NJ“, „Revolution Rock’n’Roll“.

Divorce aus dem englischen Nottingham haben 2022 ihre erste EP „Get Mean“ veröffentlicht. Das Quartett verschmelzt Alternative, Grunge und Country zu einem eigenen Sound. Die Stimmen von Tiger Cohen-Towell und Felix Mackenzie-Barrow schmiegen sich schön aneinander – das ist der Country-Einfluss. Die ersten vier Lieder deuten Potenzial an. In Haldern wird man sicher mehr hören können. Musik für: Jäger und Sammler alternativer Musik. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Checking Out“, „Pretty“, „That Hill“.

Der zerbrechliche Douglas Dare

Nachdem die Komponistin und Pianistin Hania Rani in Haldern für ein ausverkauftes Bürgerhaus gesorgt hat, kommt nun Dobrawa Czocher aus Polen zum Festival: eine Cellistin und Komponistin, die mit Rani zusammen auch schon Musik veröffentlicht hat. Gibt es vielleicht eine polnische Nische am Niederrhein? Scheint jedenfalls gefragt zu sein. Nach Erfolgen mit Rani ist mit „Dreamscapes“ in 2023 ihr Debüt-Solo-Album erschienen. Hier hat sie verschiedene Cello-Spuren für die Lieder übereinander gelegt. Spannend zu hören, wie sie das live präsentiert. Musik für: klassische Cello-Puristen. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Forgive“, „Zima“, „Prayers“.

Wer Douglas Dare live erlebt, wird schnell seine besondere Emotionalität fühlen. Die Balladen – Art- und Chamber-Pop – sind äußerst berührend und zerbrechlich. Dares Stimme ist perfekt dafür. Und live weiß er das voller Gefühl zu präsentieren. Damit diese Musik funktioniert, ist Aufmerksamkeit nötig. Also: Quiet please! Zuletzt hat der Engländer den Massive Attack-Hit „Teardrop“ interpretiert – auch spannend. Musik für: maximal Intimität. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Behind the Walls“, „Red Arrows“.

Famous – unvergessener Auftritt in Kaltern

Diese Schweizerin Emilie Zoé hat im vergangenen Jahr bewiesen, dass sie mit ihrem Rock mitreißen kann. Ihre interessante Stimme wird durch smarte Kompositionen begleitet wird, die stilistisch irgendwo zwischen Lo-Fi-Rock und Indie angesiedelt werden können. Reichlich Elan und auch Melancholie. Nach ihrem Album „Hello Future Me“ folgte 2022 noch im selben Jahr eine EP mit dem Titel „Hello Future Me – The Companion“. Kurzfristig ist auch noch ein Auftritt gemeinsam mit Cantus Domus dazu gekommen. Musik für: das rhythmische Kopfnicken. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne; mit Cantus Domus: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Parent’s House“, „Roses on Fire“, „Dinosaurs“.

Nach ihrem Auftritt 2022 gibt es ein schnelles Wiedersehen mit Emilie Zoé.
Nach ihrem Auftritt 2022 gibt es ein schnelles Wiedersehen mit Emilie Zoé. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Unvergessen ist der Auftritt der Londoner Band Famous beim von Haldern Pop kuratierten Kaltern Pop 2023 in Südtirol. Sänger Jack Merrett war recht betrunken vorab mit dem Rad gestürzt und kam mit blutverschmiertem Hemd auf die Bühne. Der Auftritt war dennoch gelungen, wenn auch etwas… versoffen. Nichtsdestotrotz ist ihr Synthie-Punk und Noise Rock spektakulär. Die Art von Musik, bei der ein Rockmusik-Fan sofort genauer hinhören möchte. Merretts zerbrechlicher Gesang ist prägnant, auffällig, kurz vor dem Kollaps. Hoffentlich fallen diesmal die Details nicht dem Rausch zum Opfer. Denn dann ist das Musik für: besondere Konzertmomente Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.

Hörprobe: „Stars“, „The Beatles“, „2004“.

Rockgruppe aus Australien

Indie-, Garage- und Post-Rock aus Australien bringen Floodlights zum Festival. Das Quartett bringt reichlich Energie mit, auch in Louis Parsons dunkler, durchdringender Stimme, mag es handwerklich gradlinig. Nicht groß drüber nachdenken, einfach mitrocken. 2023 ist ihr zweites Album „Painting of My Time“ erschienen“, das auch einige ruhigeren Stücken Raum gibt. Musik für: Freunde des intensiven Saitenspiels. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Lessons Learnt“, „Painting of My Time“ (Live), „Colours“.

Der Schotte Hamish Hawk (GB) mit seiner klaren Aussprache und seiner warmen Stimme hat bei der Saalsause in Haldern im Frühling schon überzeugt. Seine melodiösen Pop-Rock-Stücke, die auch was von Chamber-Pop haben, sind leicht zugänglich. Mit Album Nummer drei „Heavy Elevator“ schaffte er den Durchbruch. Nummer vier „Angel Numbers“ ist in 2023 erschienen. Musik für: Harmonie-Junkies. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Money“, „The Mauritian Badminton Doubles Champion, 1973“, „Think of Us Kissing“.

Die Kieler Indie-Rock-Gruppe Leoniden schaffte es 2021 mit ihrem Album „Complex Happenings Reduced to a Simple Design“ auf Platz 1 der deutschen Albumcharts. Die Musik ist verspielt, tanz- und abrockbar. Viel Elan. Und absolute Festivalhymnen, die man mitsingen kann. Eine große Fannähe und eine außergewöhnliche Präsenz bei Live-Konzerten wird ihnen nachgesagt. Zweifelsohne eine Band, die zu besten Spielzeiten den Festivalplatz in Wallung bringen kann. Musik für: die kollektive Rockparty. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.

Hörproben: „L.O.V.E.“, „Kids“, „Nevermind“.

Zynisch, kapitalismuskritisch, Blumig

Der Leipziger Rolf Blumig hat in 2023 sein drittes Album „Zirkus Blumig“ veröffentlicht. Seine Texte sind herrlich zynisch und kapitalismuskritisch, da kann man schon schmunzeln. Die Musik – irgendwo zwischen Rock, Funk, Folk, Psychedelic Rock – lebt von pfiffigen, erfrischend anderen Kompositionen. Mal leichtfüßig, mal treibend, gerne seinem eigenem, ganz speziellem Beat gehorchend, treibt den Radiohörer an seine Grenzen hin zur Nische. Musik für: ein Konzert, an das man sich erinnert. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Fiderallala“, „Cornern“, „Ja zum Leben“.

Aus Liverpool kommt die Indie-Rock-Formation The Mysterines, die 2022 neben einigen EPs ihr Debütalbum „Reeling“ veröffentlicht hat. Immerhin reichte es für die UK-Album-Charts für Platz 9. Alternative- und Garage-Rock sind auch rauszuhören. Die Musik bietet genretypisch viel Elan, pustet die Gehörgänge feinsäuberlich frei. Sängerin Lia Metcalfe klingt androgyn, aber typisch rock-rotzig. Wie gut dieser Auftritt wird, hängt von den Live-Qualitäten der Band ab. Bloß nicht breiig werden. Musik zum: Herumhüpfen kreuz und quer durchs Spiegelzelt. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Hung Up“, „In My Head“, „Take Control“.

Mario Batkovic wird sich wieder neu erfinden

Die belgische Gruppe Glauque veröffentlicht in 2023 ihr Debütlbum „Les Gens Passent, Le Temps Reste“. In Haldern kennt man die Elektro-/Hip Hop-Formation bereits aus 2022 und von der Saalsause im April 2023. Ihre eleganten, flotten Beats mit dem französischsprachigen Rap-Gesang, der durch den Sprachklang er leicht verdaulich bleibt, bringen eine eher seltene Klangfarbe zum Haldern Pop. Könnte auch auf einem reinen Elektro-Festival laufen. Sicherlich eine gut tanzbare Musik. Die Texte handeln von sozialem Druck, den die Jugend verspürt. Musik für: das Abdriften in Beatwelten. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Noir“, „Pas le choix“, „Vivre r1“.

Mario Batkovic im Drescherkeller beim von Haldern Pop kuratierten Kaltern Pop Festival 2022.
Mario Batkovic im Drescherkeller beim von Haldern Pop kuratierten Kaltern Pop Festival 2022. © Carolin Virgillito

Diesen Akkordeon-Hexer muss man live gesehen haben. Mario Batkovic auf einem Tonträger anzuhören, das ist etwas anderes. Seine Musik ist haptisch und lebt vom Live-Erlebnis. Der bosnische Schweizer, der mehrfach in verschiedenen Varianten in Haldern zu hören war, kommt diesmal mit The Broke Bankers, ebenfalls Schweizer, zum Festival. Also darf sich das Publikum wieder überraschen lassen. Batkovic wird sich bestimmt ein Stückweit neu erfinden. Entsprechend – Musik für: die neue Batkovic-Erfahrung. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Restrictus“, „Chorea Duplex“ (mit James Holden), „Quatere“.

Die US-Singer-Songwriterin Alela Diane blickt auf eine 20-jährige Karriere mit acht Tonträgern zurück. Ihre Balladen leben von ihrer beeindruckenden Stimme, glasklar mit berührenden Facetten. Die Musik wird vor allem durch Folk-Elemente ergänzt, bleibt aber meist sehr intim und zelebriert die Melancholie. Wiederkehrendes Thema der vergangenen Jahre war das Mutter-sein. Mit all dem Glück und dem Stress, der dies nach sich zieht. Musik für: intime Momente abseits der Massenaufläufe. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Of Love“, „Oh! My Mamal“, „Émigré“.

Die Londoner Band Courting spielen eine Mischung aus Post-Punk und... Hyperpop. Ja, das beschreibt wohl diese überdrehten Momente ihrer Musik, bezieht aber auch die elektronische Spielautomaten-Elemente ein, die neben dem Gitarrenspiel ihren Raum finden. Dadurch klingt ihr Sound etwas abgedreht-künstlerisch. Aber die Gruppe um Sänger Sean Murphy-O’Neill hat sich was getraut, anstatt auf Nummer sicher zu gehen. Das ist auf dem 2022 erschienenem Debütalbum „Guitar Music“ zu hören. Musik für: Rock-Fans, die auch einige Umwege in Kauf nehmen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Popshop!“, „Loaded“, „Famous“.

Jetzt zwei Künstler, die man gemeinsam betrachten sollte:

Die Irin Susan O’Neill – auch als SON bekannt – haben aufmerksame Haldern Pop-Fans im vierten Ankündigungsvideo wahrgenommen, wo „Baby Talk“, ein Duett mit Mick Flannery als Hymne der Sanftmütigen begeistert. Das 2021 gemeinsam veröffentlichte Album „In the Game“ landete auf Platz 2 der irischen Charts. O’Neills phänomenale Stimme gibt dem irischen Folk Hoffnung und verleiht ihm Soul. Mit „Now You See It“ folgte 2022 eine Solo-EP. Sanfte, sehr persönliche Melodien laden zum Träumen ein. Musik um: eine geniale Stimme zu feiern. Erlebnispotenzial – Solo: 3/5 Sterne.

Hörproben – Solo: „Something Better“, „Now You See It“.

Der Liedermacher Mick Flannery ist seit 2007 Stammgast in den irischen Charts, landete mehrfach auf Platz 1 und wurde mehrfach ausgezeichnet. Seine warme, reife, mitunter zerbrechliche Stimme regt gleich ein besonderes Gefühl an. Singer-Songwriter, Folk, aber auch Pop-Rock – und alles stets melodiös, oft melancholisch. So klingt das. Einflüsse von Tom Waits oder Bob Dylan sind rauszuhören. Musik für: den Seelenstriptease. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben – Solo: „Fool“, „I’ll Be out Here“.

Erlebnispotenzial im Duett: 4/5 Sterne.

Hörproben gemeinsam: „Baby Talk“ (Live), „Chain Reaction“.

Das Quintett Gurriers aus Irland hat sich während der Pandemie gegründet, eine Unzeit für eine Gruppe, die live doch einfach nur Vollgas geben will. Ihr Indie-Punk geht voran, treibt den Schweiß, dröhnt rau ins Ohr. Die Gitarren wagen das Kreuzfeuer. All zu viel hat die Band noch nicht veröffentlicht. Aber sie werden bestimmt unbekümmert die aufgestaute Energie freigeben wollen in Haldern. Musik für: die emotionale Befreiung aus den Ketten. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Sign of the Times“, „Approachable“, „Boy“.

Adam French in der St. Georg-Kirche in Haldern beim Festival 2018.
Adam French in der St. Georg-Kirche in Haldern beim Festival 2018. © NRZ | mavi

Der Stimme von Adam French aus England kann man nur verfallen. 2018 begeisterte er beim Haldern Pop bereits mit seinem Kirchen-Auftritt. Zuletzt wurde sein Repertoire vor allem durch gefühlvolle, modern klingende Balladen bereichert. Aber French kann es auch poppiger. Seine stets autobiografischen Stücke vermitteln authentische Melancholie. Nach 2019 dürfte ein neues Album folgen. Haldern darf gespannt sein. Musik um: sich schwerelos zu fühlen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Follow“, „2 AM“, „More to Life“.

Flotter Gute Laune-Punk, das bieten Get Jealous aus den Niederlanden. Skater-tauglich, definitiv Pogo-tauglich und bestens geeignet für wilde Partys – gerne im Spiegelzelt. Sängerin Otto Rasvas Stimme passt ideal für diesen Stil. Handwerklich gibt es keine Experimente, aber gradlinig auf die Ohren. Bisher hat die Gruppe aus Enschede einige EPs herausgebracht. Nachschub bitte. Musik für: Spaß an der Skater-Attitüde. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Sally“, „Lipstick“, „Wannabe Skater“.

Die Indie-Rock-Gruppe Lanterns on the Lake aus Newcastle hat jüngst das fünfte Album „Versions of Us“ veröffentlicht; mit Phil Selway von Radiohead am Schlagzeug. Präsenter ist aber Hazel Wilde mit ihrer markanten Stimme. Der Sound, der auch Dream-Pop und Post-Rock zulässt, ist sehr anspruchsvoll, aber doch leichtfüßig. Die Stimmungen werden mit Bedacht entwickelt. Die Band stand schon mal vor dem Aus, hat auch einige Wechsel der Mitglieder hinter sich, scheint aber nun mehr mit sich im Reinen zu sein, denn künstlerisch sollte es keine Zweifel geben. Musik für: Momente, in denen man sich tief einlässt. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: , „Through the Cellar Door“, „The Saboteur“, „Real Life“.

Lanterns on the Lake sind vom 3. bis zum 5. August auch dabei.
Lanterns on the Lake sind vom 3. bis zum 5. August auch dabei. © Haldern Pop

Der in Frankreich angesiedelte Engländer Hugh Coltman sang seit den 90ern in der Blues-Rock-Formation The Hoax, seit 2008 hat er auch mehrere Solo-Tonträger herausgebracht. Zuletzt 2022 „Night Trippin’“ mit Matthis Pascaud – auch hier steht Blues-Rock im Fokus. Solo wird’s auch schon mal jazziger, auch Chanson und Pop-Rock finden sich wieder. Man könnte sich Coltmann auch in einem Programm mit Frank Sinatra vorstellen. Und eines steht außer Frage: richtig gute Stimme. Inzwischen ist klar, dass Coltman mit Matthis Pascaud auftreten wird. Musik für: helle Begeisterung in einer Nische und fürs Aufhorchen bei der Masse. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „I Can’t Be Bothered“, „You’ve Got a Friend in Me“, „It’s Your Voodoo Working“.

Der französische Cellist Gaspar Claus ist für Haldern Pop sicherlich in der experimentellen Eck einzuordnen. Denn sein Streichinstrument, das er seit seinem fünften Lebensjahr spielt, setzt er alternativ ein. Die klassische Ausbildung genoss er am Pariser Konservatorium, aber danach widmete er sich der Erweiterung des Celloklanges. Es überrascht nicht, dass seine instrumentalen Klänge als Filmmusik eingesetzt werden. Über die Jahre hat er häufig Alben mit anderen Musikern zusammen herausgebracht. Das 2021 veröffentlichte Solo-Album „Tancade“ erntete viel Lob. Musik für: Cello-Kenner. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „2359“, „Une foule“, „À l’infini“.

Die in Schweden lebende Kanadierin Wendy McNeill, die bereits 2010 und 2012 beim Haldern Pop spielte, nennt ihre Musik „Space-Folk“. Etwas Dunkles hat dieser Folk in jedem Fall, auch etwas Verspieltes. Sie liebt ihr Akkordeon, hat über die Jahre aber eine gewisse Vielseitigkeit bewiesen. In diesem Jahr ist ihr siebtes Album „First There Were Feathers“ erschienen; hier spielt das Akkordeon keine große Rolle. Sicher ist ihr auf der Bühne stets eine charmante Präsenz. Musik für: Leute, die Konzeptalben mögen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Prometheus, Please“, „In Bocca Al Lupo“, „Stop“.

2019 war der schillernde Lockenkopf Dylan Cartlidge bereits beim Haldern Pop. Sein Debütalbum „Hope Above Adversity“ erschien erst 2021. Seine tanzbare Musik – Pop, Hip-Hop, etwas Funk, coole Grooves – steckt tatsächlich voller Hoffnung und guter Laune. Der Engländer rappt, singt und hat eine auffällige Bühnenpräsenz. Musik für: die Party mit dem Dauergrinsen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Yellow Brick Road“, „Monsters Under The Bed“, „Hang my Head“ (live).

Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band – hier gibt es den Retro-Beat-Moment
Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band – hier gibt es den Retro-Beat-Moment © Haldern Pop

Die Berliner Formation Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band wurde bereits 1998 gegründet, wobei die Tonträger erst ab 2009 entstanden. Aber der Name Rocktime ist nicht Programm. Denn das ist Disco, aufgepeppt mit Soul, Beat, Funk und Schlager – mit deutschen Texten. Achtung: Hammondorgel. Eine Musik, bei der man sich anstecken lassen kann, auch wenn man eigentlich ganz andere Musik mag. Stilecht tritt Fischer live gerne wie die Stars der Discowelle auf. Musik für: den Retro-Beat-Moment. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Du bist wunderschön“, „Discomusic – Re-recorded 2021“, „Mädchen von der Bahn“.

Das japanische Quartett Bo Ningen spielt Noise- und Alternative Rock, oft psychedelisch angehaucht. Trotz manch englischer Titel bleibt es bei japanischen Texten, die auch gerne mal gebrüllt werden. Die Kompositionen sind verspielt und krachig, gerne auch mal schräg. Die Gitarren sind gewichtiger als der Gesang. Wer es wild mag, ist bei dieser Gruppe richtig. Musik für: das durchgeknallte Ich. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „4 Seconds to Ascension“, „Aka“, „Slider“.

Der Berliner Lie Ning spielt Pop und Soul.
Der Berliner Lie Ning spielt Pop und Soul. © Haldern Pop | Anika Zachow

Der Berliner Pop- und Soul-Musiker Lie Ning hat eine warme Stimme mit Wiedererkennungswert. Dazu sanfte, elegante Beats, auch mal eine Akustikgitarre – ein sehr moderner Sound, der auch jüngere Zuhörer anziehen dürfte. Das in 2023 erschienene Album „Utopia“ soll dem Multitalent (Tänzer, Schauspieler, Model, Drehbuchautor, Kurzfilm-Regisseur) zum Durchbruch verhelfen, wobei die Klickzahlen online schon andeuten, dass einige bereits hinhören. Musik für. Momente, in denen der Puls sich im Takt der Musik schlägt. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Tonight“, „Utopia“, „Pressure and Release“.

Sechs Alben hat die US-Band Frankie & The Witch Fingers bereits veröffentlicht, neue Musik für Album Nummer sieben ist schon zu hören. Die Rockmusik bringt oftmals reichlich Energie mit, kann aber auch im Psychedelic-Rock abdriften. Post Punk und Garage fließen auch mit ein. Der Gesang von Dylan Sizemore ist – vielleicht typisch für diesen Stil – nicht so prägnant. Musik um: die Seele frei zu pusten. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Mild Davis“, „Reaper“, „Thinking About You“.

Die Performancekünstlerin Lorena Stadelmann aus der Schweiz mit guatemaltekischen Wurzeln präsentiert ihr Musikprojekt Baby Volcano. Spanische und französische Texte kommen mit satten Elektro-Beats daher, auch mit Latino-Einflüssen. Das Spiegelzelt wird wortwörtlich beben. Natürlich spielt die Tanzperformance auch eine gewichtige Rolle dabei. Musik zum: Mittanzen und die Augen nicht von der Performance nehmen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Todomeparece ridículo“, „Fin del mundo (peau)“, „Kill Tu Ego“.

Der Engländer Childe hat erst zwei EPs veröffentlicht, aber man ein Lied wird schon millionenfach geklickt. Seine elektronische Fusion aus Electronica, Pop und Indie mit chilligen Rhythmen, einer souligen Stimme und einer gewissen Eleganz im Sound klingt modern. Thom Yorke von Radiohead und Tracy Chapman sieht er als eine Lehrer – wobei er sich künstlerisch davon emanzipiert. Musik zum: Augen schließen und loslassen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Two Thirds“, „You There“, „Better Friends“.

Bipolar Feminin aus Österreich überzeugen mit ihrem Debütalbum.
Bipolar Feminin aus Österreich überzeugen mit ihrem Debütalbum. © Haldern Pop | Apollonia Theresa Bitzan

Das österreichische Quartett Bipolar Feminin hat nach einigen EPs 2023 das Debütalbum „Ein fragiles System“ heraus gebracht. Der Titel ist Programm. Die Unruhe kommt musikalisch als auch in den Texten mit voller Wucht. Der pfiffig komponierte Indie-Rock – mal melancholisch, mal wütend-frustriert – überzeugt. Dazu passt die raue, kräftige Stimme von Leni Ulrich sehr gut. Die Texte sind gespickt mit Ecken und Kanten, über die man nur allzu gerne stolpert. Musik für: die innere Aufruhr. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Matrose“, „Mami“, „Süß lächelnd“.

Der Gelsenkirchener Tristan Brusch hat es mit dem 2023er Album „Am Wahn“ erstmals in die deutschen Albumcharts geschafft. Sein Pop bedient sich aus dem Chanson, baut traumhafte Stimmungen auf und ist erfrischend anders. Die Stimme trägt, was wohl bedachte Worte sagen. 2018 war Brusch als Solokünstler beim Festival, diesmal kommt er im Quartett. Musik für: Träumer mit Anspruch. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Oh Lord“ (live), „Baggersee“, „Monster“.

Die Klangkünstlerin Gemma Thompson sieht sich als multidisziplinarische Künstlerin. Bekannt ist sie auch als Bassistin der Band Savages. Solo streicht sie ihr Saiteninstrument auch gerne wie eine Geige. Verzerrt, düster, sphärisch, schwer zu greifen sind ihre Klänge. Als ob man neugierig, aber ängstlich mit einer Taschenlampe durch eine alte Industrieruine läuft. Schwer zu beurteilen, wie sie das auf die Bühne bringt. Musik für: totale Experimente. Erlebnispotenzial: 1/5 Sterne.

Hörproben: „Fordna Domain“, „The Ride“, „Open Skies“.

Die englische Post-Rock-Band Butch Kassidy hält sich ziemlich versteckt. Mit „Heath“ gibt es nur ein Lied online. Dazu einige Live-Mitschnitte mäßiger Qualität, die aber einen Eindruck vermitteln. Die Gruppe rockt derbe, manchmal treibend und recht experimentell. Live wird ihnen eine ordentliche Energie nachgesagt. Gesungen wird wenig und eher beiläufig, die Instrumente geben den Ton an. Musik für: brutales abrocken. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

The Joy Hotel aus Schottland sind beim Haldern Pop dabei.
The Joy Hotel aus Schottland sind beim Haldern Pop dabei. © Haldern Pop | Rosie Sco

Die schottische Gruppe The Joy Hotel hat noch nicht viel Musik veröffentlicht. Das Debütalbum ist im Herbst zu erwarten. Aber wer kurz reinhört, dem fällt sofort die markante Stimme von Emme Woods auf, die auch im Duett mit Luke Boyce schön harmoniert. Ihr Indie-Rock, sie selbst bezeichnen es als Alt-Rock, kommt mit griffigem Gitarrenspiel daher. Das Instrumental-Spiel der siebenköpfigen Gruppe sucht die Harmonie. Musik für: jene, die Gitarrenmusik entdecken wollen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „The Joy Hotel“ (mit Ione Lee), „Old Man’s Eyes“, „Jeremiah“.

Der US-Singer-Songwriter Christian Lee Hutson wird auf Spotify bereits millionenfach geklickt. Er tritt mit der Georgierin Anushka Chkeidze auf, die im Frühjahr bei der Saalsause in Haldern dabei war. Ihre elektronischen Stücke sind bei weitem nicht so populär bisher. Man durfte gespannt sein, wie dieses Duo auf der Bühne zusammen kommt. Also… Musik für: eine Überraschung. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Allerdings wurden die Pläne kurzfristig noch geändert. Beide werden am Samstag Solo im Tonstudio ihre Auftritte haben.

Hörproben: „Move Move“ (Chkeidze), „Rubberneckers“, „Northsiders“ (Hutson).

Loney Dear ist inzwischen fast Stammgast beim Haldern Pop. Ein willkommener Stammgast. Der Synthie-Pop und die sofort wiedererkennbare Stimme von Emil Svanängen sorgen für einen markanten Sound. Zweifelsohne ein Könner, ein Künstler, der sich treu bleibt. Treue Haldern Pop Fans haben den Schweden schon in allen Facetten kennen- und schätzen gelernt. Live hat er es immer wieder geschafft, sich anders zu präsentieren. Im Laufe der Jahre hat er es auch gelernt, mit dem Publikum in den intimen Austausch zu gehen. Musik für: das Haldern Pop-Heimat-Gefühl. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Hulls“, „Go Easy on Me Now“, „Trifles“.

Abgesagt haben übrigens:

Brandão Faber Hunger und Clipping