Emmerich. Zwei bis drei Monate müssen Fahrschüler im Kreis Kleve aktuell auf eine Führerscheinprüfung warten. Warum es für sie dabei auch um viel Geld geht

In der Glücksspirale der Terminvergabe hatte Jörg Pollmann am Dienstag das goldene Los gezogen: Der Fahrschullehrer aus Emmerich konnte vormittags gleich drei Prüfungstermine für seine Schüler klarmachen und das hat mittlerweile Seltenheitswert. Prüfungen sind rar gesät. „Beschissen“ sei die Situation, sagt Pollmann gerade heraus.

Zwei bis drei Monate Wartezeit auf einen Prüfungstermin

Acht bis zehn Wochen müssen seine Fahrschüler auf einen Termin im Schnitt warten und diese Zeit deckt sich auch mit den Erfahrungen anderer Fahrschulen im Kreis Kleve. Hauptgrund ist ein personeller Engpass beim TÜV Nord, der für den Kreis Kleve zuständig ist. Hinzu kommen noch die aufgestauten Prüflinge aus der Corona-Zeit. Beides zusammen erschwert seit Wochen die Situation.

Die Praxis-Fahrten müssen künstlich in die Länge gezogen werden, damit Fahrschüler ihr Wissen nicht wieder verlernen.
Die Praxis-Fahrten müssen künstlich in die Länge gezogen werden, damit Fahrschüler ihr Wissen nicht wieder verlernen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Jörg Pollmann berichtet, dass er zurzeit 45 Prüflinge in der Warteschleife habe. Sie könnten eigentlich morgen den Test ablegen, müssen aber unfreiwillig warten. Damit die Schüler nicht ihre gelernten Fahrkünste wieder vergessen, bekommen sie kurz vor dem Prüfungstermin weitere Fahrstunden. „Und die sind meist auch bitter nötig“, wie Daniel Geurts von der Klever Fahrschule Academy Drive In sagt. Auch hier warten die jungen Leute gut sechs bis acht Wochen, erzählt er.

Zu wenig Prüfer für 350 Fahrschulen

Neue Prüfer ausbilden

Der TüV-Nord schreibt, dass mit einer „kurzfristigen Qualifizierung von weiteren Mitarbeitenden zu aktiven Fahrerlaubnisprüfern“ die Terminverschiebungen „wieder einfangen“ werden soll. Man wolle das Angebot erweitern und so die „derzeit sehr dynamische Nachfrage anpassen“.

Fahrschullehrer Jörg Pollmann ist skeptisch, ob das so schnell gelingen kann: „Die Prüfer wachsen ja auch nicht auf Bäumen. Die Ausbildung dauert anderthalb bis zwei Jahre“, sagt der Emmericher.

Kritisiert wird der TüV-Nord von den Fahrschullehrern im Kreis Kleve für seine mangelhafte Aufklärungsarbeit. „Der TüV informiert selbst gar nicht, das müssen wir machen“, so Nicole Fehlings. Die Fluktuation unter den Fahrschülern sei aufgrund der Unsicherheiten groß.

Jörg Pollmann sieht das Problem in erster Linie beim TÜV. Hier habe man 75 Prüfer, von denen vielleicht zehn erkrankt seien und zehn im Urlaub und schon habe man nur noch 55 Prüfer, die aber für 350 Fahrschulen zuständig seien: „Das kann so nicht funktionieren“, sagt er. Die von ihm genannten Zahlen kann der TÜV selbst so nicht bestätigen.

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Fahrschullehrer müssen sich rechtzeitig für Prüfungstermine anmelden: „Auch da gibt es noch einen enormen Rückstau. Ich habe für meine im April beantragten Termine immer noch keine Antwort erhalten“, schildert Pollmann. Er selbst darf jetzt auf keinen Fall verhindert sein, wenn er einen Termin ergattert: „Ich habe schon zwei Mal meinen Urlaub absagen müssen, damit meine Schüler ihre Prüfung ablegen können.“

Für Berufskraftfahrer und Auszubildende geht es auch um den Job

Fahrlehrer Jörg Pollmann bettelt förmlich um Prüfungstermine.
Fahrlehrer Jörg Pollmann bettelt förmlich um Prüfungstermine. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Der TÜV-Nord hat im März über die schwierige Situation in einem Anschreiben informiert: Die „ungeahnt hohe Nachfrage von Prüfungsplätzen hat zu einer größeren Verschiebung von Prüfungsterminen bei praktischen Prüfungen geführt“, heißt es darin. Sprecherin Carolin Roterberg bestätigt der NRZ auf Nachfrage, dass man derzeit am Niederrhein einen besonderen Engpass habe, auch weil einige Kollegen krankheitsbedingt ausgefallen seien oder außerplanmäßig ausgeschieden sind.

Der TÜV-Nord sei jetzt dazu übergegangen ehemalige Kollegen kurzfristig aus dem Ruhestand zu bitten und auch Mitarbeiter an TÜV-Standorten, die eigentlich für die Hauptuntersuchung zuständig sind, sollen jetzt Prüfungen abnehmen, wenn sie dazu befähigt sind. 20 neue Mitarbeiter habe man eingestellt und man biete auch zusätzliche Prüfungstermine am Samstag an.

Terminwelle soll in wenigen Monaten abgeebbt sein

Roterberg geht davon aus, dass man mit diesen Maßnahmen in den nächsten Monaten die Terminlage wieder in den Griff bekommen werde. Es sollte nicht mehr bis zum Jahresende dauern. Einem Brief von CDU-Landtagsabgeordneten Günther Bergmann ist allerdings zu entnehmen, dass genau diese Maßnahmen auch vor einem Jahr, im Juli 2021, vorgetragen wurden – offenbar ohne Erfolg.

Für die Prüflinge ist die Warterei nicht nur ein Ärgernis. „Ich habe junge Menschen in meiner Fahrschule, die benötigen für die Ausbildung zum 1. August einen Führerschein“, sagt Pollmann. Und auch Daniel Geurts weiß, dass viel von einer Fahrerlaubnis abhängen kann: „Wir bilden Berufskraftfahrer aus, die sind absolut darauf angewiesen. Da ist ein Job mit verbunden, da geht es um Geld und soziale Sicherheit.“

„Wir müssen vom Monopol abrücken“

Nicole Fehlings, Fahrlehrerin aus Emmerich, hat mit einigen Kollegen die örtliche Politik angeschrieben: Stephan Rouenhoff, Günther Bergmann und Landrätin Silke Gorißen (alle CDU). Fehlings Vorschlag: „Wir müssen vom Monopol abrücken und Fahrschullehrer für die Prüfungsabnahme befähigen oder andere Anbieter ins Boot holen – etwa die Dekra.“ Das Bundesland Hamburg habe bereits gute Erfahrungen mit Fahrschullehrern als Prüfer gemacht. Sollte es keine Änderungen geben, werde man noch lange eine Bugwelle von Prüfungsterminen vor sich herschieben.

„Aktuell warten die Fahrschüler zwei bis drei Monate auf einen Termin“, so Fehlings. Damit würden sich auch die Kosten für einen Führerschein erhöhen, da die Schüler durchschnittlich mehr Fahrstunden nehmen müssen: „Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass Theorie und Praxis verzahnt werden sollen. Dies können wir derzeit gar nicht gewährleisten“, so Fehlings. Führerscheine hätten sich im Vergleich zur Vor-Coronazeit um zehn bis 20 Prozent verteuert. Wer heute einen Führerschein anstrebt, der muss mit gut 2500 Euro rechnen.