Rees-Mehr/Ahrweiler. Über zwölf Tage hilft Daniel van Ophuysen schon im Flutgebiet. Nach kurzem Stopp zu Hause fährt er zurück. Geld verdient er zur Zeit nicht.
Der 39-Jährige trägt noch immer die Sachen, die er am Tag im Einsatzgebiet in Ahrweiler an hatte: Rote Arbeitshose, grünes T-Shirt samt Jacke, Kappe, nasse Stiefel. Gerade erst hat Daniel van Ophuysen seine Frau und die beiden Kinder wiedergesehen – nach zwölf Tagen. Solange war der Selbstständige, der in Rees-Mehr einen Forstbetrieb hat, im Katastrophengebiet in und rund um Ahrweiler. Vom ersten Tag an. „Morgen muss ich wieder dahin. Ich kann nicht anders“, sagt er.
Aufgewühlt von dem, was er dort im „Kriegsgebiet, nur ohne umherfliegende Kugeln“, erlebt hat, ist der groß gewachsene Mann immer noch. Das Brötchen in der Hand, dazu ständig eine Zigarette, erzählt er vom Einsatz. Ein Kollege aus Kempen hatte ihn über Facebook angeschrieben, als er das Ausmaß der Zerstörung mitbekommen hatte, und den Mehrer gefragt, ob er mit seiner Motorsäge dabei wäre. „Für einen Tag“, wie er anfangs dachte.
Auch Tote gefunden
Doch es kam anders. Nach seiner Ankunft in Ahrweiler sah er das Ausmaß der Zerstörung, konnte es nicht glauben – und packte sofort an. Mit der Motorsäge zerkleinerte er Holz, brauchte dann aber in Windeseile seinen Bagger, der auf einer Baustelle an Schloß Dyck bei Jüchen stand. Gebraucht wurde schweres Gerät, um die Unmengen an Schutt zuerst beiseite zu schieben und dann zu entfernen. „Meine Kunden“, sagt er, „haben alle Verständnis dafür, dass ich im Moment für sie keine Bäume fällen kann“. Dass er seit seiner Ankunft kein Geld mehr verdient, darüber denkt er nicht nach.
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Wie extrem viele andere auch. „Unglaublich, wie viele Landwirte aus ganz Deutschland da sind mit ihren Fahrzeugen und was die leisten. Ebenso Mittelständler, Handwerker und Menschen wie ich“, ist er immer noch total fasziniert von der gigantischen Welle der Hilfsbereitschaft. Durch drei Meter hohe Schuttberge mitten in Ahrweiler haben sie sich durchgearbeitet, „dabei Tote gefunden“, und weiter gemacht. Immer weiter.
Klavier gespielt für Helfer – zwischen Trümmern
Und die Anwohner hätten sie, so gut sie eben konnten, versorgt mit Kaffee, Brötchen. „Obwohl die fast nichts mehr hatten“, sagt Daniel van Ophuysen. Fotos und Videos, gemacht in den kurzen Pausen, hat er auf seinem Handy. Von einer Frau etwa, die Klavier spielt zwischen den Trümmern, nur für die Helfer. Und einem Mann, der das Deutschlandlied mehr schlecht als recht auf seiner Trompete spielt, und Biene Maja…
Mit seinem Dodge Geländewagen, auf dessen Ladefläche er immer wieder bis zu 20 Männer mit Schüppen zu Einsatzorten bringt, fährt er auch einen Arzt durch die Trümmer-Landschaft. Auch eine WDR-Journalisten, die einen Film dreht. Und später mit ihm weint ob des Elends, das sie zu sehen bekamen. Auch ein General, glaubt er, kommt zu ihm, als der sieht, wie sich der Mehrer mit seinem kleinen Bagger abmüht.
Helfer aus Mehr fühlt sich tapferen Menschen dort verpflichtet
„Was brauchen Sie?“, habe der ihn gefragt. Dann kam relativ kurze Zeit danach ein Bergepanzer, um zu helfen. „Ich kann nicht beschreiben, was das alles mit mir und den Tausenden anderen Helfern gemacht hat“, sagt Daniel van Ophuysen, den Tränen nahe. Den tapferen Menschen dort fühle er sich jedenfalls weiter verpflichtet. Wie lange er jetzt noch bleiben wird, könne er nicht sagen. Seine Partnerin Anika Kloke und die beiden Kinder Hanna (8) und Leon (7) stehen jedenfalls hinter ihm. „Obwohl die Kinder nicht wirklich begreifen, was der Papa da macht. Später einmal werden sie auf ihn als Vorbild stolz sein“, sagt die 30-Jährige.
Den kaputten Reifen am Geländewagen wechseln, Sprit für den Bagger aufladen, dann soll es wieder los gehen nach Ahrweiler. Dort, sagt er, seien jetzt endlich auch die Katastrophen-Teams von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk im Einsatz. „Nach Tagen, wo die da waren, aber nicht wirklich geholfen haben“, ist er immer noch unglaublich enttäuscht. Die Männer und Frauen hätten ja helfen wollen, „ihnen fehlte einzig und allein der Marschbefehl“.
Einwohner dort brauchen jetzt Geld
Darüber hätten sich auch die Bewohner dort maßlos aufgeregt. „Von den Querdenker-Spinnern habe ich da jedenfalls niemanden gesehen“, stellt er für sich klar. Die Hilfsbereitschaft aus allen Teilen Deutschlands hingegen, auch aus Österreich und den Niederlanden, findet er gewaltig. Viele hätten sogar angekündigt, sobald es geht als Touristen zu kommen, damit die Menschen wieder Geld verdienen können. Was aber noch dauern wird. „Was dort aktuell gebraucht wird, ist Geld“, weiß er.
„Wir werden sicher als Familie nächstes Jahr dort Urlaub machen“, weiß der uneigennützige Helfer. Um die Menschen dort zu unterstützen. Wobei er schon etliche Einladungen erhalten hat, „auch zu einem rauschenden Weinfest im kommenden Jahr“. Was bleibt, ist bei ihm die Faszination über den Zusammenhalt der Menschen dort, aber auch in ganz Deutschland. „Wenn das nur so bleiben könnte. Das wäre ein tolles Zeichen: Für die Menschen in Deutschland, in Europa, in der ganzen Welt“, hofft er inständig, bevor es für ihn zurück in den Einsatz geht.