Rees. Eine fünfte Generation wird es nicht mehr geben: Die City Metzgerei Voß in Rees hört am Samstag auf. Den Traditions-Betrieb gab es 124 Jahre.

Rees wird um einen Traditions-Betrieb ärmer: Die City Metzgerei Voß an der Dellstraße 2 hört am kommenden Samstag auf. „Es lohnt sich nicht mehr“, sagt Ernst-August Voß, der die mittlerweile 124 Jahre alte Metzgerei in vierter Generation führt. Sein Ur-Großvater hatte den Betrieb 1897 gegründet.

Traurig darüber, dass es nicht weiter geht, sind der 63-Jährige und seine Ehefrau Agnes aber nicht wirklich. „Irgendwie passt es. Seit Juli haben wir nämlich ein Enkelkind in der Schweiz“, freut sich der Metzgermeister schon auf Mittwoch nächster Woche. Denn geht’s an den Vierwaldstätter See, wo sein Sohn, der Sternekoch ist, lebt.

Die Kunden in Rees wissen seit gut vier Wochen, dass die Metzgerei schon bald der Vergangenheit angehört. „Die sind natürlich enttäuscht, freuen sich aber für uns über das Enkelkind“, erzählt Ernst-August Voß. Der die Entscheidung aufzuhören schon vor zweieinhalb Jahren getroffen hat. „Weil im künftigen Stadtgarten-Quartier dann ja ein 800 Quadratmeter großer Discounter mit Fleischtheke sein wird“, erklärt er. Das würde ihn gut 30 Prozent Umsatz kosten.

Letzter selbstständige Metzger mit eigenem Ladenlokal hört auf

Ernst-August und Agnes Voß betreiben die Metzgerei in Rees in der vierten Generation. Sie wurde 1897 gegründet.
Ernst-August und Agnes Voß betreiben die Metzgerei in Rees in der vierten Generation. Sie wurde 1897 gegründet. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Jetzt verliert Rees jedenfalls den letzten verbliebenen selbstständigen Metzger mit Ladenlokal. In der Hochzeit seien es mal elf gewesen, erinnert er sich. Doch nicht nur die Konkurrenz habe ihn zu dem Entschluss geführt, sein Ladenlokal aufzugeben. „Wir haben schon auch gemerkt, dass weniger Fleisch gegessen wird“, räumt der Metzger ein. Das Konsumenten-Verhalten habe sich in den vergangenen Jahren jedenfalls geändert.

Sein Fleisch bezog Voß, der das Geschäft mit Verkauf, Partyservice, Mittagstisch und vielem mehr mit aktuell neun Mitarbeitern betreibt, seit 2020 aus Bocholt. Wobei das Schlachtvieh von umliegenden Höfen aus Rees stammte. Zweimal die Woche bekam er so frische Ware geliefert. „Der Trend ist einfach, dass die Menschen heute am liebsten schon vorbereitetes Essen haben möchten“, sagt der Metzger aus langjähriger Erfahrung. Beliefert hat er übrigens zuletzt auch den Jugendtreff Remix.

Mitarbeiter haben alle neue Anstellung gefunden

Zufrieden ist der Chef darüber, dass seine Mitarbeiter – in Hochzeiten waren es mal über 15 – quasi alle eine neue Anstellung gefunden haben. „Fachkräfte werden ja überall händeringend gesucht, auch bei den Discountern“, schmunzelt Voß, der seinen Beruf 47 Jahre ausgeübt hat. Für seinen eigenen Bedarf will der Reeser übrigens künftig bis nach Xanten fahren, um sich dort bei der Metzgerei Lemken mit gutem Fleisch zu versorgen.

Was mit dem Ladenlokal an der Dellstraße geschehen wird, sei noch offen. „Wir wollen es aber schon als Ladenlokal wieder vermieten“, blickt Ernst-August Voß in die Zukunft. Was aus dem Zerlegebetrieb an der Poststraße wird, an der sich die Metzgerei bis zum Umzug an die Dellstraße 1972 befand, sei noch völlig offen.

Jetzt steht Enkeltochter Fjella im Mittelpunkt der Großeltern

Darüber wollen sich Agnes und Ernst-August Voß Gedanken machen, wenn sie aus der Schweiz heim gekehrt sind. „Jetzt steht unser Enkelkind Fjella erst einmal ganz oben an“, ist der Großvater schon ganz ungeduldig. Der Name Fjella stamme übrigens aus Skandinavien und heiße „Die vom Berg“. Was passt. Denn Sohn Benedikt wohnt und arbeitet hoch oben auf dem Berg, in 1600 Metern Höhe mit herrlichem Blick auf den Vierwaldstätter See. Das sind schöne Aussichten für die glücklichen Großeltern.

>> Fleisch wurde in den Anfängen sogar bis Berlin verkauft

Der erste Schritt wurde 1897 getan: Damals wurde von Theodor Schülling die Erlaubnis zur Errichtung eines Schlachthauses gestellt. Geplant war die Schlachtung von zwei bis drei Schweinen pro Woche. Der Sohn Schüllings wollte das schon reichhaltige Verkaufssortiment im Kolonialwarenladen durch den Verkauf von produzierten Fleisch- und Wurstwaren erweitern.

Schon bald stiegen die Schlachtzahlen auf wöchentlich 12 bis 14 Schweinen. Schinken und Dauerwurst wurden bis nach Köln, Berlin und Trier verschickt, heißt es in der Festzeitschrift zum 100-jährigen Jubiläum..