Emmerich. Die Emmericher haben der NRZ viele Wunschgeschäfte für die Leerstände genannt. Schneider + Straten erklären, was realistisch ist und was nicht.
Der Leerstand in Emmerich bewegt die Menschen. Zu diesem Schluss kann man nur kommen, nachdem die NRZ einen Aufruf gestartet hat, der Redaktion mitzuteilen, welche Geschäfte die Emmericher sich für ihre Stadt wünschen. Vor allem über Facebook kamen überwältigend viele Reaktionen.
Auch die Einzelhandelsberatungsgesellschaft Schneider + Straten, die sich wie berichtet aktuell mit dem Leerstandsmanagement in Emmerich beschäftigt, ist begeistert. Gisbert Schneider und Manuela Sommer haben sich die Zeit genommen, die rund 170 Vorschläge zu analysieren und den Lesern zur erklären: Was ist realistisch? Was ist chancenlos? Wo gibt es eine kleine Chance?
Bekanntlich geht es im zweiten Teil des Projektes darum, Filialisten nach Emmerich zu locken. Diese haben „für Neuansiedlungen ganz konkrete Anforderungen“, berichtet Schneider. Einwohnerzahl, Einzugsgebiet, Kaufkraft, Lage in der City, Größe der Verkaufsfläche – das sind die Hauptfaktoren. Schneider + Straten kennt die Suchprofile der rund 2000 in Deutschland aktiven Filialisten. 115 bleiben am Ende übrig, für die Emmerich überhaupt eine Option ist. Knackpunkt könnten die speziellen Ladengrößen in Emmerich sein: „Die Struktur ist so, dass es eher kleine Ladenflächen gibt“, sagt Emmerichs Wirtschaftsförderin Sara Kreipe.
>> Diese Geschäfte sind ein Thema für Emmerich
Am häufigsten wünschten sich die Emmericher Action. Tatsächlich, das bestätigte Kreipe, laufen Verhandlungen den Non-Food-Discounter nach Emmerich zu locken. „Sie benötigen mindestens 700 m2 Verkaufsfläche ebenerdig und viele Parkplätze“, so Schneider. Kein Filialist hat in 2020 stärker expandiert als Action, aber „sie fordern sehr niedrige Mieten“, so Schneider.
Wen wird Schneider + Straten noch ansprechen? Keinesfalls möchte man „nur Billigläden“ nach Emmerich locken, unterstreicht Manuela Sommer. „Only wäre eine Bereicherung“, meint Gisbert Schneider über die Mode-Kette. Non-Food-Discounter Tedi würde bestimmt nach Emmerich kommen, wenn 650 m2 Verkaufsfläche zu haben sind. „Depot wäre super, wird aber schwierig. Für die muss das etwas Besonderes sein“, weiß Schneider.
Rossmann hat Interesse und benötigt als absolutes Minimum 400 m2 Verkaufsfläche – DM in der Nachbarschaft wäre für beide Unternehmen kein Problem. Woolworth würde sich in einer Testphase mit 500 m2 anfreunden, „aber eigentlich wollen sie 700 m2“. Bei Tchibo wird noch mal angefragt nach ihrem Abschied von der Kaßstraße, aber „ihre Strategie zielt eher auf Shop-in-Shop-Lösungen in großen Warenhäuser ab“, so Schneider. All diese genannten Geschäfte wollen ein ebenerdiges Ladenlokal.
>> Für diese Filialisten ist Emmerich zu klein
Emmerich zählt zwar inzwischen 32.000 Einwohner, aber für etliche Handelsketten ist das zu klein: Ein „absoluter Wunschkandidat“ für viele Städte sei der Drogerie-Markt Müller, aber diese fordert für Innenstadtlagen in NRW mindestens 75.000 Einwohner.
Keine Chance auch bei Ulla Popken, Starbucks, Sostene Grene (alle ab 100.000 Einwohner), Hema (200.000), Zara (in NRW), Primark (alle ab 200.000) sowie Bershka (ab 500.000).
Ein Apple-Store wird erst ab 300.000 Einwohnern interessant, auch die Restore-Ketten Gravis oder Compustore, die nur Apple verkaufen, erst ab 100.000.
Die Fastfood-Ketten Subway (75.000), Burger King (100.000) und KFC (200.000) würden höchstens für Drive-In-Varianten in kleinere Städte kommen. Also kein Thema für den City-Leerstand in Emmerich.
Seit der Schließung von Spielinger in Emmerich fragen viele nach einem neuen Spielwaren-Geschäft. Hier hat Gisbert Schneider für einen Filialisten keine Hoffnung: „Die Umsätze sind massiv ins Internet abgewandert.“ Selbst deutlich größere Städte als Emmerich guckten in die Röhre. Für ein inhabergeführtes Geschäft, dass sich online in einer Sortimentsnische profiliert, gebe es natürlich eine Chance.
>> Für diese Filialisten ist Emmerich gerade zu klein
Für manche Filialisten ist Emmerich leider knapp zu klein: New Yorker etwa wünscht 40.000 Einwohner. „Schade“, findet Schneider. Außerdem alle ab 50.000: TK Maxx, Peek & Cloppenburg (plus hohe Kaufkraft und 2000 m2), Rituals, Snipes (sehr beliebt bei Jugendlichen) und Nanu Nana.
>> Diese Filialisten expandieren nicht
Für einige Unternehmen sind neue Ansiedlungen im Moment überhaupt kein Thema: Saturn und Mediamarkt verkleinern ihre Filialnetze – der Online-Handel mache ihnen zu schaffen. „Und Emmerich wäre eh zu klein. Die benötigen ein Einzugsgebiet von 100.000 Einwohner“, sagt Schneider. Bei Karstadt/Kaufhof hat er Zweifel, ob es sie in zehn Jahren überhaupt noch gibt: „Ein Wunder, dass es den in Kleve noch gibt.“ Tally Weijl hat gerade eine Insolvenz abgeschlossen und Hunkemöller habe nach starker Expansion vor drei Jahren noch vor Corona 37 Millionen Euro Verlust eingefahren.
Ein eigentlich berechtigter Wunsch sei H&M, die sich ein Netz in Deutschland aufgebaut haben auch mit vielen kleinen Städten wie Geldern (34.000 Einwohner) oder Coesfeld (36.000). „Allerdings hat H&M aufgrund des massiven Zuwachs des Online-Handels eine Kehrtwende vollzogen und schließt in Deutschland aktuell mehr Stores als eröffnet werden“, erklärt Schneider.
>> Bei diesen Ideen sind lokale Gründer gefragt
Feinkostläden wie Barrique, Wajos oder Vom Fass gibt es durchaus in kleineren Städten. Aber als Franchise-Konzept mit unabhängigen Betreibern: „Es wäre toll, wenn sich in Emmerich jemand als Existenzgründer dafür interessiert. Wir können den Kontakt vermitteln“, appelliert Schneider. Ähnlich sieht es aus bei Royal Donuts.
>> Diese Filialisten gehen nur in Fachmärkte
Einige Filialisten ziehen für eine Neuansiedlung nur Fachmarkt-Lagen in Betracht: Medimax, Kunst & Kreativ, Bioläden wie Alnature oder Denn’s (außer in Großstädten).
>> Das ist die Top 10 der Emmericher Wunschgeschäfte
Diese 10 Geschäfte wurden von den Emmerichern der NRZ am häufigsten als Wunschgeschäft genannt: Action (19 Nennungen), H&M (15), Primark (9), Rossmann (9), Saturn (8), New Yorker (7), Spielwaren (5), Unverpacktladen (4), Bioladen (4), Karstadt (4).
Edeka wurde sechsmal genannt. Doch die NRZ hat diese Nennung aus der Top 10 heraus gelassen, denn… es ist ja schon lange Fakt, dass Edeka Brüggemeier sich im Vivatrium am Neumarkt ansiedeln wird. Geplante Eröffnung: Frühjahr 2022.
Am häufigsten wurden übrigens Bekleidungsgeschäfte mit über 55 Nennungen gewünscht. Dann 22-mal Non-Food-Discounter und mit 19-mal Lebensmittelgeschäfte.
Gisbert Schneider stellt die Theorie auf: „Der Schrumpfungsprozess des Innenstadthandels wird solange andauern, wie es dauert, bis On- und Offline-Handel komplett vernetzt sind über eine Plattform.“ Der Kunde sucht ein konkretes Produkt und sieht online, welcher Händler vor Ort es vorhält – das wäre für Schneider eine hoffnungsvolle Lösung. „Aber dann müssen auch alle mitmachen“, sagt Manuela Sommer. Mit einer Shopping-App nur für die eigene Stadt seien schon 50 Städte in Deutschland gescheitert, berichtet Schneider.
„Durch Corona kommen wir in ein ganz neues Zeitalter. Es gibt große Probleme für die Vermieter. Es herrscht ein enormer Druck auf die Mietpreise. Außerdem unterschreibt kaum ein Filialist mehr für 15 Jahre. Aber welcher Vermieter investiert für hohe Umbaukosten einen fünfjährigen Mietvertrag?“, fragt Manuela Sommer.