Isselburg-Anholt. Die Pfingstkirmes besitzt eine enorme Bedeutung für Anholt. Die Tradition reicht annäherend 700 Jahre zurück. Jetzt fällt sie erneut aus.

Welche Bedeutung die Pfingstkirmes für Anholt besaß, zeigt sich eindrucksvoll an der Vielzahl der Literatur, die über das jährlich wiederkehrende Ereignis verfasst wurde. Etliche Anholter haben ihre Jugenderinnerungen an die „Kermes“ niedergeschrieben. Aber auch Zeitungsausschnitte aus den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts belegen, dass schon damals über die lange Tradition berichtet wurde. Unter dem Titel „Wie es früher war – Eine Polizeiverordnung von anno dazumal“ wurde auf das Jahr 1826 zurückgeblickt.

70 Buden im Jahr 1842

Ab dem 19. Jahrhundert erlebte das Volksfest in Größe und Popularität sein Blütezeit. So belegen historische Unterlagen, dass etwa im Jahr 1842 70 Buden aufgebaut wurden.

Die Anfänge der Kirmes lassen sich allerdings noch viele Jahrhunderte weiter zurückverfolgen. Schon um das Jahr 1300 begann die Tradition der Prozession an Pfingsten. Schützengilden aus Dinxperlo, Iseloh und Bredevoort wurden zum Schutz der Teilnehmer eingesetzt.

Anholter Herr hält seinen Hoftag

Eben an Pfingsten hielt der Herr von Anholt auch den sogenannten Hoftag. Die Bevölkerung des Spätmittelalters wurde dann beköstigt und belustigt. Daraus entwickelte sich die Kirmes. Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg sollte Kirche und Kirmes eine unverbrüchliche Symbiose bilden.

Ältere Anholter erinnern sich noch genau, wie das Hochamt an Pfingsten eine Pflichtveranstaltung war, bei der die männlichen Kirchengänger gerne ihren Sonntagsstaat trugen – inklusive Zylinder.

Kein Rummel an Pfingstsonntag

Nach dem Kirchgang war dann aber zunächst gar kein Rummelvergnügen angesagt, da dies aufgrund des christlichen Hochfests ursprünglich am Sonntag nicht erlaubt war. Erst an Pfingstmontag begann die Kirmes damals. Nach der 8 Uhr Messe öffneten die Buden und Fahrgeschäfte.

Später – in einer Zeit als Schiffsschaukelbremser noch eine Berufsbezeichnung war – ging es dann freilich auch schon sonntags rund. Während die Anholter Kinder eh den ganzen Tag auf dem Kirmesgelände verbrachten, hielten sich die Erwachsenen über Tag doch deutlich zurück.

Anholter feiern erst abends

Der Grund: Es war einfach zu voll. „In den frühen Nachmittagsstunden setzte der Besucherstrom ein“, erinnert sich etwa Hermann Bruns im Jahr 1930 zurück an seine Kirmes Erinnerungen von früher. „Die Isselburgerstraße glich dann einer Völkerwanderung. Überfüllte Züge brachten in Scharen die Bocholter nach Anholt. Die holländische Tram fuhr Sonderfahrten, eine nach der anderen. Das Schrillen und Pfeifen der Tram suchte, den Kirmeslärm zu übertönen. Von Isselburg kamen die Besucher zu Fuß oder mit dem Fahrrad in solchen Scharen, dass man scherzend zuweilen hörte, es seien mehr Isselburger als Anholter auf der Kirmes.“

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Doch nicht nur die Schausteller machten ein gutes Geschäft. Auch die Anholter Gaststätten platzten an Pfingsten aus allen Nähten.

Herbstkirmes wurde eingestellt

Dass Traditionen aber auch gepflegt werden müssen, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es früher neben der Pfingstkirmes auch noch ein Pendant im Herbst gab. Die zweite Kirmes des Jahres kam zwar nie wirklich an die Bedeutung der Pfingstkirmes heran, doch auch die Ausmaße sind aus heutiger Sicht fast unvorstellbar. Nichtsdestotrotz wurde die Herbstkirmes schließlich nicht mehr weiter verfolgt.

Neben Kriegszeiten, in denen pausiert wurde – die erste Pfingstkirmes nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Jahr 1947 gefeiert – ist nun auch die Corona-Pandemie erneut dafür verantwortlich, dass es im zweiten Jahr in Folge keine Kirmes gibt.

Stiftungsfest der Spielleute

Mittlerweile ist der Termin der Pfingstkirmes gleichermaßen auch das Stiftungsfest des Grenzland-Tambourkorps Anholt. Denn ohne das Engagement der Spielleute und den Einsatz der Kirmes-Verantwortlichen bei der Stadt Isselburg um Ordnungsamtsleiter Frank Schaffeld ist es mehr als fraglich, ob sich die über 700-jährige Tradition der Pfingstkirmes bis heute gehalten hätte.