Rees-Bienen. Sind sind eine Plage im EU-Projekt Lebendige Röhrichte, auch am Altrhein. Deshalb wurden schon tiergerecht 546 Nutrias gefangen und getötet.
Gefährlich sehen sie nicht aus. Doch Nutrias, vor über 140 Jahren aus Südamerika wegen ihres Fells nach Europa und Deutschland eingeführt, können schon böse zubeißen. „Das haben gerade Hunde mehrfach zu spüren bekommen“, sagt Martin Brühne. Der Biologe vom Naturschutzzentrum im Kreis Kleve leitet das Röhricht-Projekt der EU in der Region. Weil die Nutrias hier seit Jahren den für viele Tiere wichtigen Pflanzen den Garaus gemacht haben, werden sie für die Naturschutzstation von Berufsjäger Konrad Niehues gefangen. „Tiergerecht“, wie Brühne betont. Gerade hat der Nutria-Jäger Tier Nummer 546 aus dem Käfig herausgeholt und erschossen.
Die Stimmung ist friedlich hier im Naturschutzgebiet. Gerade kommt ein Großer Brachvogel laut trällernd vorbeigeflogen. Eine Feldlerche steht tirilierend am Himmel und zwei für den Altrhein typischen Trauerseeschwalben jagen über Wasser und Röhricht nach Insekten. Sie sind alle auf der roten Liste für bedrohte Tierarten. Hier, auf den extensiv bewirtschafteten Wiesen und am Altrhein in Rees-Bienen, fühlen sie sich wohl, leben weitgehend ungestört. Aber der Lebensraum am Wasser gefiel und gefällt auch Nutrias, die anders als in Südamerika mit dortigen Pumas hier keine natürlichen Feinde haben, abgesehen vielleicht vom Seeadler.
29 Lebendfallen sind aufgestellt
„Im Uferbereich haben wir eine unserer 29 Lebendfallen aufgestellt“, erklärt Konrad Niehues. Mit ihnen wird seit Projekt-Start im Jahre 2018 den im Schnitt 3,5 Kilogramm schweren und inklusive Schwanz etwa ein Meter großen Tieren nachgestellt. „Sehr erfolgreich“, weiß der Biologe. Immerhin ist das Projektgebiet nahezu frei von Nutrias, einem Verwandten der Wasserschweine. Wurden 2019 bis zu sechs Tiere pro Tag gefangen, „sind es heute fünf bis sechs im Monat“, so der Berufsjäger aus Xanten. Ein Zeichen dafür, dass das Projekt-Gebiet fast Nutriafrei ist.
Deshalb will man die Fallen, im Uferbereich angebracht auf einem 1,70 Meter langen und 90 Zentimeter breiten Floß, auf zwei Stellen konzentrieren, an denen die Tiere aus dem Hinterland ins Röhrichtgebiet eindringen. Die Fallen sind mit Meldern versehen. „Dadurch bekommen wir gleich Nachricht, wenn ein Tier gefangen ist“, erklärt der erfahrene Jäger.
Gezielter Schuss tötet die Tiere
Der kontrolliert täglich vier bis sechs Fallen, ist so zu Fuß gut zehn Kilometer unterwegs. Die Autostrecke ist etwa 60 Kilometer lang. „Wenn die Tiere abends in die Falle gehen, weil dort Möhren ausliegen, hole ich sie am nächsten Morgen raus. Tagsüber sind sie nur zwei, drei Stunden darin. Und das stressfrei“, weiß Konrad Niehues. Denn schon öfter wurden die Tiere in den verdunkelten Käfigen, in denen sie sich nicht verletzen können, gefilmt.
Aus Sicherheitsgründen wird die Nutria dann mit einem Abfangkorb wasserseitig aus der nach Vorstellungen der Naturschutzstation angefertigten tierschutzgerechten Fangeinrichtung geholt und am Ufer auf einer ebenen Fläche mit weichem Boden gebracht, wo der Jäger gut stehen kann. Dort wird das Tier mit einem gezielten Schuss in den Kopf erschossen. Den Revolver, der mit einem kleinen Projektil geladen ist, hat die Naturschutzstation eigens für diesen Zweck angeschafft.
Immer wieder werden auch Jung-Biber gefangen und freigelassen
Das Fleisch, das, so Brühne, übrigens wegen seines geringen Cholesteringehaltes früher in der DDR und auch heute noch etwa in Tschechien auf den Tisch kommt, wird zunächst im Keller der Naturstation eingefroren. Die Kühltruhe hat der Tierpark Anholt zur Verfügung gestellt. „Je nach Bedarf wird das Fleisch dann abgeholt, um es dort an die Wölfe, Bären und Dachse zu verfüttern.“
Apropos Jagd: Es gibt am Bienener Altrhein auch drei Biber-Familien mit gut 20 Mitgliedern. Und immer wieder muss Jäger Niehues Jungtiere aus der Fangeinrichtung befreien. „Wobei die überhaupt keine Scheu mehr haben. Die fressen die Möhren und würden am liebsten gleich wieder in die Box hinein“, erzählt der 59-Jährige. Der zunächst bis 2025 vom EU-Projekt bezahlt wird und bei der Naturschutzstation angestellt ist.
Niederländer bekämpfen Nutrias flächendeckend im ganzen Land
Dass der Kampf gegen die Nutrias erfolgreich ist, weiß auch der Deichverband, der das Projekt wie das Land mitfinanziert. „Ich glaube, dass unsere Vorgehensweise demnächst auch durch die Deichverbände eingesetzt werden könnte“, glaubt Martin Brühne. Man müsse wohl Kosten und Nutzen abwägen. In den Niederlanden werden die Nutrias übrigens flächendeckend bekämpft mit Ziel, sie dort gänzlich auszurotten. Wohl auch mit Blick auf die durch sie immer wieder beschädigten Hochwasserschutzeinrichtungen, sprich Deiche.
>>>Nutrias fressen auch Muscheln
Wenn sie in die Enge getrieben werden, etwa durch nicht angeleinte Hunde, knurren Nutiras und knirschen mit ihren beeindruckenden Zähnen. Zur Plage sind sie auch geworden, weil sie drei Mal pro Jahr Junge bekommen und diese dann schon nach sechs Monaten geschlechtsreife sind. In Gefangenschaft können Nutrias bis zu acht Jahren alt werden, sonst bis zu vier Jahren.
Aus Südamerika importiert wurden die Tiere Ende des 19. Jahrhunderts wegen ihres Fells. Das ist unter anderem wasserdicht und sehr warm, weshalb daraus Pelzmäntel und Mützen gefertigt wurden. Ein kompletter Nutriapelz lag Mitte des vorigen Jahrhunderts zwischen 5000 und 6000 DM, was einem Luxusartikel entsprach, den sich nur die wenigsten Menschen leisten konnten.
Schädlich für ihre Umwelt sie Nutria auch, weil sie neben Röhricht auch Muscheln, etwa große Teichmuscheln, fressen. Die wiederum nutzt der Bitterling, eine kleine Fischart, zur Eiablage. Die Brutfürsorge übernimmt dann die Muschel.