Rees. Schon in der vierten Generation führt Gerd Schmülling vier der vielen karitativen Stiftungen in Rees. Drei weitere sind dazugekommen.
Das hat Tradition: Schon in der vierten Generation führt Gerd Schmülling vier der vielen karitativen Stiftungen in Rees – jetzt sind für ihn im Januar 2020 noch weitere drei dazu gekommen, unter anderem die Waisenhausstiftung. „Die gibt’s schon seit 1434“, erzählt der 53-Jährige. Sein Ur-Großvater hatte das heute immer noch überwiegend ehrenamtliche Engagement der Familie, etwa für die Spiritus-Stiftung, vor 150 Jahren begonnen.
Schmülling, von Beruf Immobilienkaufmann, übernahm die zusätzliche Aufgabe Anfang des Jahres von Otto Köpping. „Er hatte das Amt 46 Jahre inne“, sagt Pfarrer Michael Eiden, der wie Schmülling in den Kuratorien der für eine eher kleine Stadt zahlreichen karitativen Stiftungen sitzt. Die XII-Apostel-Stiftung stammt ebenfalls aus dem Mittelalter. Auch sie ist über 400 Jahre alt (die NRZ berichtete).
Waisenhausstiftung hat jetzt andere Aufgaben als im Mittelalter
„Wir sind sehr glücklich darüber, dass Gerd Schmülling zusätzlich zu den Stiftungen St. Spiritus-Stiftung, Lambert ab Haldern'sche und Lueb-Moshövel'sche Studienstiftungen sowie der van der Upwich Schleß'schen Stiftung, die er seit gut 20 Jahre als Rendant, sprich Geschäftsführer, leitet, auch für die drei weiteren verantwortlich zeichnet“, sagt Pfarrer Eiden. Denn in erster Linie gehe es ja darum, die Stiftungen, die mehrere Wohnhäuser und landwirtschaftliche Grundstücke besitzen, zu verwalten. Und da besitzt Gerd Schmülling viel Erfahrung.
Die Waisenhaus-Stiftung habe heute eine andere Aufgabe als bei ihrer Gründung im Mittelalter durch einen Reeser Bürger, weiß Pfarrer Eiden. Das Waisenhaus sei irgendwann in einem Krieg zerstört und dann nicht wieder aufgebaut worden. „Auch, weil es keine Waisen mehr gab, denen man so helfen musste“, so der Geistliche. Die Erlöse aus dem Stiftungsvermögen hätte man anderen karitativen Aufgaben zukommen lassen.
Geld wird auch für Personalkosten eingesetzt
Wobei 1999 die Satzung geändert wurde. Eine wohlhabende Reeserin, Antonia Heyltjes-van de Locht, vermachte ihr Vermögen im Testament der Waisenhaus-Stiftung – mit der Auflage, Rollstuhlfahrer in Emmerich und Rees zu unterstützen. „Sie war auch zu Lebzeiten sehr engagiert in der Behindertenarbeit", erzählt Pfarrer Eiden. Deshalb gehören dem Kuratorium dieser Stiftung neben dem Reeser Bürgermeister und den beiden Pfarrern der katholischen und evangelischen Kirche in Rees unter anderem auch eine Emmericher Bürgerin, und zwar Marianne Lorenz, an.
7000 Euro stehen insgesamt jährlich für die Unterstützung von Bedürftigen in Rees, und eben den Rollstuhlfahrern auch in Emmerich zur Verfügung. „Wobei 2000 Euro nach Emmerich fließen, und 5000 Euro nach Rees, und hier auch für die Personalkosten der allgemeinen Sozial- und Schuldnerberatung verwendet werden“, erklärt Gerd Schmülling. Neben der Waisenhaus-Stiftung würde aber zusätzlich Geld von anderen Stiftungen für die Personalkosten eingesetzt.
Rees entscheidet über Unterstützung für Xantener
Schmülling ist zudem für die van der Upwich Schleß'sche Stiftung zuständig, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Reeser gegründet worden war. „Die ist rein karitativ. Und kommt übrigens nur Menschen in Xanten und Nettetal zugute“, erklärt der Geschäftsführer. Was daran liege, dass der Stifter gebürtiger Lobbericher und sein Großvater Bürgermeister in Xanten war. Immerhin geht es jährlich um 60.000 Euro. „Und wir in Rees entscheiden darüber, wer die Unterstützung bekommt“, ergänzt Schmülling.
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Die Anträge, nicht nur für Privatpersonen, sondern etwa auch für karitative Einrichtungen wie z.B. die Asylhilfe, Kinderhilfswerk, Caritas, laufen über die jeweiligen Sozialämter. Drei Viertel des Geldes fließt dabei nach Nettetal, ein Viertel in die Domstadt. Für die Spiritus-Stiftung, der in Rees eine soziale Wohnanlage gehört, hatte sich übrigens schon die Großmutter von Gerd Schmülling engagiert. „Sie war früh Witwe und hatte das Amt ausgeübt, bis ihr Sohn, also mein Vater, aus der Gefangenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgekommen war“, weiß Gerd Schmülling.
Immer noch Spaß an der Aufgabe
Der hat, wie er sagt, „immer noch viel Spaß an der Aufgabe“, für die er eine Aufwandsentschädigung bekommt. „Die meiste Arbeit ist aber ehrenamtlich“, betont Pfarrer Eiden. Der froh ist, dass der Geschäftsführer seine Aufgabe noch viele Jahre ausüben möchte. Kürzer getreten ist Gerd Schmülling aber bereits. Nach über 25 Jahren will er den Job als Vorsitzender im Angelsportverein Früh auf abgeben. „Mein Bedarf an Aufgaben ist wirklich gedeckt“, lacht der mannigfach sozial engagierte Familienvater.
Erträge für Aussteuer von zwei jungen Frauen finanziert
Drei Studien-Stiftungen, ebenfalls alle aus dem Mittelalter, gehören zu Gerd Schmüllings Verwaltungsaufgaben. Etwa die Sophia von Bocholt'sche Stiftung, gegründet 1578. Mit dem Geld wollte die Reeserin Priesteramtskandidaten unterstützen. Die gibt's heute aber kaum mehr. „Zudem bestimmte die Stifterin Erträge für die Aussteuer von zwei jungen Frauen, die heiraten oder aber in einen Orden eintreten wollten“, erklärt Pfarrer Eiden. „Zuletzt haben wir einen angehenden Priester in Salzburg finanziell unterstützt, auch bei seiner Promotion“, sagt Gerd Schmülling.