Emmerich. Willibrord-Spital in Emmerich und die NRZ haben eine Leser-Hotline angeboten. Viele Rheumapatienten sorgen sich um Corona-Impfung.

Diese Frage hört Volker Fischer-Kahle nicht zum ersten Mal: „Darf ich mich als Rheumapatient gegen Corona impfen lassen?“ In seiner Praxis im Emmericher Krankenhaus muss sich der Rheumatologe zurzeit oft zu diesem Thema äußern. Seine ehrliche Antwort über mögliche Nebenwirkungen lautet: „Ich kann es Ihnen noch nicht sagen. Es gibt für Menschen, die an rheumatischen Krankheiten leiden, keine eigenen Erkenntnisse aus den Impfstudien“

Volker Fischer-Kahle ist ein Rheuma-Experte. Seit 1994 leitet er als Chefarzt die Abteilung für Rheumatologie am Emmericher Willibrord-Spital und deckt als Facharzt quasi den halben Niederrhein ab. Seine Patienten kommen aus Emmerich und Kleve, aus Moers und Dinslaken. Wer Rheuma hat, der landet irgendwann bei Fischer-Kahle. Kein Wunder, dass beim NRZ-Lesertelefon gleich mehrere Anrufer von dem Angebot Gebrauch machten, um eine Frage an den Experten los zu werden.

Selten könnten Impfungen auch Rheumaschübe auslösen

Die erste Anruferin, eine 72-jährige Dame aus Emmerich, macht sich viele Gedanken über die Corona-Pandemie. Über ihre Rheumaerkrankung weiß sie bestens Bescheid und daher möchte sie auch genau wissen, ob ihr Medikament Quensyl (eigentlich ein Anti-Malaria-Mittel) sich mit dem Biontech-Impfstoff verträgt. Volker Fischer-Kahle geht davon aus, dass keine Komplikationen bei einer Impfung zu befürchten sind. Aber mit Sicherheit könne er dies nicht sagen. Theoretisch können Impfungen auch einen Rheumaschub auslösen. Dies sei aber sehr selten.

„Ich kann ihre Bedenken schon verstehen“, sagt der Rheumatologe und gibt offen zu: „Wir haben bislang noch zu wenige Daten, speziell für die Gruppe der Rheumapatienten." Der eigentliche „Feldversuch“ erfolge erst jetzt - mit der Impfung der Bevölkerung. Gleichwohl setzt er die Risiken auch ins Verhältnis: „Sie sind jetzt 72 Jahre alt. Ich würde mich impfen lassen, weil die Auswirkungen des Coronavirus' im ungünstigen Fall viel größer sind als die Nebenwirkungen des Impfstoffes.“

Dringlichkeit bestätigen lassen, um schneller Termine zu bekommen

Die nächste Anruferin aus Bocholt wollte wissen, ob sie einen Termin vereinbaren könnte. Im Umkreis von 50 Kilometern gebe es keine Rheumatologen sagt sie und sie benötige dringend Hilfe. Volker Fischer-Kahle weiß, dass es viel zu wenig Fachkollegen am Niederrhein gibt. Auch sein Kalender ist arg strapaziert, der nächste freie Termin wäre Ende Juni. Fischer-Kahle rät der Frau, sich an den Hausarzt zu wenden, um sich eine Dringlichkeit bestätigen zu lassen. Dann könnte es schneller gehen.

Die Gründe für den Ärztemangel sind vielfältig. Gegenüber der NRZ erzählt Fischer-Kahle, dass das Fach der Rheumatologie sehr viele und intensive Gespräche zwischen Arzt und Patient erfordert. Die Erkrankung ist vielschichtig und die Symptome divers. Eine exakte Abgrenzung zu anderen Fachgebieten könne man oft erst nach einer ausführlichen Anamnese beurteilen. Doch: „Die sprechende Medizin wird in Deutschland leider schlechter bezahlt als der Einsatz von Technik“, sagt Fischer-Kahle.

Ohne Labor kaum kostendeckende Praxis möglich

Ohne ein eigenes Labor könne man eigentlich eine Praxis gar nicht kostendeckend betreiben. Zudem seien die freien Facharztsitze am Niederrhein äußerst knapp bemessen. Eigentlich müssten dringend weitere Kollegen zugelassen werden.

Die nächste Anruferin stammt aus Goch. Sie ist Altenpflegerin und leidet unter einer chronischen Arthritis, einer Gelenkentzündung. In letzter Zeit schwelle immer wieder ihr Knie an und behindere ihr Gehen. Innerhalb von anderthalb Monaten sei das Knie schon vier Mal angeschwollen. Der Experte geht in diesem Fall erst einmal nicht von einer rheumatischen Erkrankung aus, da sie im Ruhezustand keine Schmerzen habe (ein typisches Zeichen für Rheuma). Er rät ihr zu einem Termin beim Orthopäden. Auch ein MRT sei eventuell sinnvoll.

>>Was ist Rheuma?

Unter Rheuma lassen sich eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen zusammenfassen, die vor allem Hände, Knie und Füße betreffen. Die bekanntesten Beschwerden sind Gelenkschmerzen. Doch Rheuma umfasst nicht nur Krankheiten, die Gelenke oder Gelenkkapseln, sondern auch Knochen, Sehnen, Muskeln oder das Bindegewebe beeinträchtigen.

Bei rheumatischen Erkrankungen gehen Gelenkschmerzen mit Schwellungen an den Gelenken und Steifigkeit einher. „Die Entzündung zerstört die Gelenke“, erklärt Fischer-Kahle. Auffällig ist auch, dass die Schmerzen der Gelenke oft im Ruhezustand auftreten.

Von fünf Betroffenen sind vier Frauen

Rheuma betrifft Frauen deutlich häufiger als Männer (Verhältnis 4:1) und stellt sich bei Frauen oft nach den Wechseljahren ein. Kurioserweise hätten Frauen mit Rheuma, in der Schwangerschaft und in der Stillzeit oft keine Schmerzen, weiß Fischer-Kahle. Warum das so ist? Die Wissenschaft weiß es noch nicht.

Bislang lässt sich die Zerstörung der Gelenke noch nicht heilen, aber es gibt zahlreiche medikamentöse Therapien, die die Erkrankung unterdrücken können. Die Erkrankung zerstört die Gelenkinnenhaut und geht auf Knorpel und Knochen über und zerstört die Strukturen. „Heilung ist nicht möglich, aber die Beschwerden lassen sich lindern“, so Fischer-Kahle.