Rees. Ralf Schürmann ist Vater und Lehrer. Er hat beobachtet, wie seine Töchter im Distanzunterricht der Realschule Rees gut zurecht kamen.

Ralf Schürmann ist Vater. Und Lehrer. Der Reeser hat aufmerksam verfolgt, wie es mit dem Schulalltag, dem Distanzunterricht, der Digitalisierung in Corona-Zeiten läuft. In seinen Worten fasst er zusammen, wie sich die Lage darstellt. Diesen Text hat er uns am Sonntag geschickt.

"Nun ist es wieder soweit, das dritte Mal von Freitag auf Montag Distanzunterricht für meine Töchter. Zwei Mal Lockdown, einmal Quarantäne.

Doch seit März ist die Zeit in den Schulen und auch bei meinen Töchtern nicht untätig vorbei gegangen. Wie sehr sich das Selbstverständnis im Umgang mit Distanzunterricht verändert hat, ist mir in der letzten Woche erst so richtig klar geworden.

Distanzunterricht ist selbstverständlicher geworden

Zunächst muss ich an dieser Stelle der Schule meiner Töchter – der Realschule Rees – die ultimative Lobhudelei zukommen lassen. Moodle war schon vor Corona in der Schule präsent, die Schülerinnen und Schüler als auch das Kollegium mussten also nicht bei Null beginnen. Nach acht Monaten ist der Umgang mit diesem und anderen Instrumenten des Distanzunterrichts aber vor allem für die Schülerinnen und Schüler selbstverständlicher geworden.

Montag war es also wieder soweit, lernen auf Distanz. Der Moodle-Server etwas überlastet, Tochter 1 (5. Schuljahr) kam nicht an ihre Aufgaben. Ihr Vater (also ich), selbst Förderschullehrer, schaffte es über den Schulaccount und konnte die Aufgaben per WhatsApp weiterleiten.

Da staunte der Vater

Dies nicht ohne über die Art der Aufgabe („macht ein Referat mit xy über den Musiker xy“) zu schimpfen: zu global, wie sollen die 12-jährigen Schüler zusammenkommen, Informationen finden usw. Also kurzer WhatsApp-Chat mit der Tochter: alles klar, Tochter 1 chattet mit der ihr zugeteilten Referatspartnerin, Informationen über den Musiker wurden gegoogelt und das Referat war schon fast fertig! Vater erstaunt.

Tochter 2, 9. Klasse und erfahrener im Online-Unterricht, erledigte derweil ihre Aufgaben. In dieser Klasse gibt es vorbildlichen Distanzunterricht, zumindest in den meisten Fächern. Inklusive Videokonferenzen, Aufgaben hochladen usw.

Die Schüler helfen sich über Chats gegenseitig

Hier konnte ich ein anderes Phänomen bestaunen: wie sehr die Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig helfen. Die Matheaufgabe wurde nur von wenigen verstanden. Mal kurz über WhatsApp in einem Videochat von denen, die sie verstanden hatten erklärt und gemeinsam gelöst. Die Bioaufgaben unklar? Das Gleiche, nur das nun andere erklärten. Chemie? Auch da wieder.

Was ist daran nun das Erstaunliche? Nun, während alle Experten noch über Datenschutz und die richtigen Apps und Programme diskutieren, machen die Schülerinnen und Schüler einfach. Sich gegenseitig Aufgaben erklären und helfen (der Experte spricht von Tutor-Systemen) ist so etwas wie der Goldstandard im selbständigen Lernen. Die Schülerinnen und Schüler warten nicht auf die Konzepte und Programme, die von irgendjemand zur Verfügung gestellt werden. Sie machen einfach – mit dem, was sie zur Verfügung haben und gerade funktioniert. Und sie machen.

Einmal kurz ärgern, schütteln, weiter geht's

Haben meine Töchter in der letzten Woche weniger gelernt als sonst? Auf keinen Fall. Ist alles super? Auf keinen Fall – da ist ein abfotografiertes Arbeitsblatt zu dunkel; da gibt es fünf verschieden Arten die Arbeitsergebnisse hoch zu laden. Die Schülerinnen und Schüler helfen sich, wo es geht, ärgern sich kurz, schütteln sich – und machen.

Also liebe Entscheider: vertraut den Schülerinnen und Schülern im Land. Die können Distanzlernen! Datenschutz, Qualität der Aufgaben, nicht funktionierende Programme oder Apps? Die Schülerinnen und Schüler finden eine Lösung. Meist schneller als Eltern und Lehrer es ahnen. Alles toll? Natürlich nicht, aber es wird.

Halbierte Klassen im Wechsel? Das funktioniert

Besser als bei hohen Indexwerten mit 30 Schülern in einem Klassenraum sitzen allemal. Halbe Klassen im Wechsel wird nach den Erfahrungen, die die Schülerinnen und Schüler mittlerweile haben, nicht zu wesentlich verpassten Lernchancen führen.

Natürlich müssen wir als Lehrer und alle anderen im System Schule beteiligten darauf achten, dass wirklich alle Schülerinnen und Schüler mitmachen und digital angeschlossen sind. Aber dafür sind in den letzten acht Monaten doch bestimmt die Vorrausetzungen geschaffen worden!?"