Isselburg/Bocholt. Versuchte Vergewaltigung: Ein Isselburger wurde vor dem Amtsgericht Bocholt verurteilt. Schwierige Befragung des kognitiv Eingeschränkten.

Das war kein leichtes Verfahren für Richter Timo Kuhlmann am Bocholter Amtsgericht. Nicht, was die Tatvorwürfe, aber was die Beurteilung des Angeklagten betrifft. Der 29-jährige Flüchtling aus dem Irak ist kognitiv sehr beschränkt. Eine schwierige Befragung inklusive gutachterlicher Einschätzung ergab, dass der Angeklagte, der in Isselburg lebt, durchaus verstanden hat, dass er ein Unrecht begangen hat. Er war auch geständig: „Ich weiß, dass es ein Fehler war“, ließ er über die Dolmetscherin verkünden.

Schlussendlich ist er für eine versuchte Vergewaltigung an einem damals 14-jährigen Mädchen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Eine fünfmonatige Untersuchungshaft hat der Mann, der mitunter wie ein Kind beschrieben wird, bereits hinter sich.

Das Mädchen verfolgt und dann angegriffen

Unstrittig ist der Tatablauf. Am einem Abend im Dezember lief die 14-Jährige im Zuge eines Besuches bei ihrer Tante durch Isselburg. Der Angeklagte entdeckte sie und verfolgte sie. Dies bemerkte das Mädchen, beschleunigte ihren Fußweg und entschied sich, lieber zum näher gelegenen Haus der Großeltern zu gehen. Doch der 29-Jähriger blieb dran. Kurz vor dem Tor zum Grundstück, griff der Mann sie an, fasste sie unsittlich an, tat ihr weh. Sie konnte sich losreißen und klopfte an die Haustür. In dem Moment flüchtete der Iraker.

Später an der Bushaltestelle hat die Familie den Täter entdecken können, machte aus dem Auto heraus ein Foto. Der 29-Jährige flüchtete. Ebenso am Tag danach, als der Onkel ihn erneut antraf und ihn fotografierte. Hier schlug er ihm das Handy aus der Hand und rannte weg. Für das Gericht der Beweis, dass er sich seiner unrechten Tat bewusst gewesen sein muss.

Das Opfer musste nicht aussagen

Dass er die Minderjährigkeit seines Opfers erst bemerkt hatte, als er sie angriff, mochte Richter Kuhlmann nicht glauben: „Man sieht schon sehr deutlich, dass sie noch ein Mädchen ist.“

Da die Verteidigung den Ablauf so bestätigte, konnte dem Opfer und ihrer Mutter eine Zeugenaussage erspart werden.

Das Motiv bleibt unklar

Aus den mitunter wirren Erklärungen des Angeklagten ließ sich immerhin entnehmen, dass er in Deutschland einen offeneren Umgang mit Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit zwischen Paaren als im Irak wahrgenommen hatte. Womöglich missinterpretierte er dies. Das Motiv konnte nicht klar ermittelt werden, womöglich ein „spontaner Impuls“, so Kuhlmann.

Die Befragung der Mutter gab ein deutlicheres Bild des Angeklagten: „Er ist nicht normal. Wenn er heute etwas sagt, weiß er morgen nicht mehr, was er gesagt hat. Ich bin mir sicher, dass er nicht bis 10 oder 20 zählen kann.“ Ab der 2. Schulklasse habe er im Irak schon nichts mehr verstanden. Erfahrungen im Kontakt mit Frauen haber er überhaupt keine sammeln können.

Flüchtlingshelferin: „Ich kenne ihn nicht als Mann. Er spielt wie ein Kind“

Die im Irak verfolgte Familie ist vor drei Jahren nach Deutschland gekommen. Von Juni 2018 bis März 2020 hat eine 40-jährige Bocholterin ihn als VHS-Dozentin unterrichtet. „Er hat so gut wie nichts gelernt.“ Er habe sich im Kurs respektvoll verhalten, sei „gut drauf“ gewesen. Streiche kindlicher Natur habe es schon mal gegeben: „Er wurde von den anderen nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe wahrgenommen“, sagte die Zeugin.

Ein Eindruck, der von einer 54-jährigen Flüchtlingshelferin, die ihn betreut, bestätigt wurde: „Ich kenne ihn nicht als Mann. Er spielt wie ein Kind.“

Richter Kuhlmann machte in der Urteilsbegründung deutlich, dass er die kognitive Einschränkung des Angeklagten sehr wohl berücksichtige, „aber Sie konnten einschätzen, dass es Unrecht war“. Der 29-Jährige habe einen „Einschnitt im Leben einer 14-Jährigen“ zu verantworten.

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