Rees. In Rees ist ab dem 16. August die Ausstellung „über Grenzen“ zu sehen. Anne Thoss’ Werke sind eindrücklich, lassen aber auch Raum zum Luftholen.
Dicht aneinander gedrängt stehen dutzende „Menschenkinder“ am Boden und schauen mit starrem Blick jeden Besucher an, der die Ausstellung „über Grenzen“ im Städtischen Museum Koenraad Bosman in Rees betritt. Ein unbehagliches Gefühl kommt auf, das durch die Erklärung der Klever Künstlerin Anne Thoss noch verstärkt wird: „Die Menschenkinder sind wie große Schachfiguren, die auf die Flüchtlingsthematik und das Hin- und Herschieben von Menschen verweisen.“
Bewegung, Flucht und Grenzen tauchen immer wieder in den Arbeiten von Thoss auf. Wen die Blicke der Menschenkinder irgendwann loslassen, muss sich nur einmal umdrehen. Für das Werk „durch die ganze Zeit“ hat die Künstlerin fünf alte Schließfachdosen aus Banken mit Wasser, Salz und Feuer aufwendig bearbeitet. „Aber nicht zu lange, weil das dünne Blech sonst komplett durchrosten würde“, erklärt sie. Am Ende weist jede Dose ein individuelles Muster aus Rost und Gebrauchsspuren aus, das bereits für sich allein stehen könnte.
Vereint in der Flucht
Doch wer sich traut, darf die Dosen an der Wand auch öffnen und das Innere entdecken. Über mehreren Menschenfiguren fliegen Zugvögel, beide Gruppen vereint in ihrer Flucht. Düstere Stimmung auch hier, allein durch die dunkle Farbgebung der untersten Schicht. Denn Thoss hat in jede Dose mehrere Lagen von Epoxidharz gegossen, um eine gewisse Dreidimensionalität zu schaffen. Wem der Anblick nach einiger Zeit zu plastisch wird, darf die Dose aber auch wieder schließen. „Um Luft zu holen“, sagt die Künstlerin.
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Leichter werden die Themen allerdings beim weiteren Gang durch die Ausstellung nicht. So steckt in einer Dose das Bild eines Konzentrationslagers, in einem anderen die Collage von zerstörten Gebäuden. Bei einer Arbeit kann aber selbst das Schließen der Dose nicht über die Dramatik des Inneren hinweghelfen. Ein Loch wie nach einer Explosion gibt von außen den Blick frei auf ein bekanntes Zeitungsbild von zwei Kindern, traumatisiert vom Krieg in Aleppo.
Hoffnungsvolle Lesweisen
Doch es gibt auch andere Lesweisen, die deutlich hoffnungsvoller sind. „Einmal habe ich mich über die Arbeit mit einem Besucher unterhalten, der selbst den Zweiten Weltkrieg erlebt hatte“, erzählt Thoss. „Für ihn sah das Loch in der Dose wie eine Sonne aus, in dessen Mitte die Kinder zu sehen waren. Er nahm das als ein Zeichen dafür, dass die Kinder die Sonne des Lebens sind.“ Gespräche wie diese sind für die Künstlerin selbst wichtig und so freut sie sich schon jetzt auf zahlreiche Begegnungen mit Besuchern.
Wer sich die Ausstellung ansehen möchte, sollte jedoch Zeit mitbringen. Denn so manche Arbeit erschließt sich erst auf den zweiten oder dritten Blick. Mal sind es Bilder am Grund der Dose, die es zu entdecken gilt. Mal ist es ein Auge, das starr aus einer dunklen Ecke hervorblickt.
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>>> Infos für Besucher
Eine offizielle Ausstellungseröffnung wird es aufgrund der Corona-Pandemie nicht geben. Dafür wird Anne Thoss jedoch am 16. August, 20. September, 18. Oktober sowie am 8. November in der Ausstellung anwesend sein, um ins persönliche Gespräch mit Besuchern zu kommen.
Das Städtische Museum Koenraad Bosman ist samstags von 14 bis 17 Uhr sowie sonntags von 11 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr geöffnet. Während des Besuchs muss eine Maske getragen werden. Die Ausstellung „über Grenzen“ wird bis zum 8. November zu sehen sein.