Isselburg/Bocholt. Ein Anholter Pärchen wurde vor dem Amtsgericht Bocholt verurteilt. Isselburger Jobcenter-Mitarbeitern wurde etwa homophobe Haltung unterstellt.
Ob das Jobcenter der Stadt Isselburg ein homosexuelles Ehepaar (43 und 29) bei der Gewährung von Sozialleistungen ungerecht behandelt hat, das war nicht Thema in einem Gerichtsprozess vor dem Amtsgericht Bocholt. Sehr wohl aber Vorwürfe der gemeinschaftlichen Beleidigung, Nötigung und Falschverdächtigung gegen das Paar aus Anholt. Und diese Vorwürfe sah Richter Sven Wegert zum Teil als erwiesen an, weshalb die Angeklagten verurteilt wurden.
Der 43-Jährige wurde zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Sein 29-jähriger Ehemann zu einem Monat und zwei Wochen auf Bewährung. Damit ging Wegert über die Forderung der Staatsanwaltschaft – 120 bzw. 105 Tagessätze á zehn Euro – hinaus. „Eine weitere Geldstrafe hätten sie nicht bezahlen können“, verwies der Richter auf noch ausstehende Zahlungen vergangener Verurteilungen.
Mit Behördendeutsch überfordert?
Eben diese bestehenden Einträge ins Strafregister verleiteten Wegert dazu, nun härtere Maßnahmen zu ergreifen: „Das muss jetzt mal zur Ruhe kommen. Sie brauchen rechtlichen Beistand. Sie schaffen es alleine nicht und stoßen bei dem Behördendeutsch an ihre Grenzen.“
Das im August 2019 nach Anholt gezogene Paar lebt von Hartz IV und hatte relativ schnell Probleme mit dem Jobcenter in Isselburg bekommen. In einem Brief ans Jobcenter warf das Duo den Mitarbeitern vor, wegen einer homophoben Haltung Leistungen zurück gehalten zu haben. Ferner wurden Strafanzeigen angedroht. Die Zeitungen würden informiert, was die NRZ bestätigen kann. Sie würden ihren Job verlieren. Und es wurde gedroht. Sätze wie „Ich komme vorbei und mache kurzen Prozess“, las die Staatsanwältin vor. Es kam auch zu einem Telefonat, in dem ein Jobcenter-Mitarbeiter durch den 43-Jährigen beleidigt wurde.
Rache als Motiv machte für den Richter keinen Sinn
Auch schrieb das Duo einen Brief an Bürgermeister Michael Carbanje, um ein behördliches Verfahren herbeizuführen. Indirekt wurde hier angedeutet, ein Mitarbeiter des Jobcenters habe angeboten, für sexuelle Handlungen die Leistungskürzung zurück zu nehmen.
Vor dem Sozialgericht in Münster hat das Duo tatsächlich erwirkt, dass Leistungen erstmal vorläufig gezahlt werden müssen, was aber nicht Gegenstand des Verfahrens in Bocholt war. Das Duo hatte in einem Schreiben an das Gericht erklärt, dass diese Anklage nur ein Rachefeldzug wegen des Urteils aus Münster sei. Doch das Urteil fiel erst nach der Anzeigenerstattung, wunderte sich Richter Wegert.
Die Ehrlichkeit hielt dem Test nicht Stand
Die Mail mit den wohl gravierendsten Anschuldigungen wollte das Paar aber nicht selbst geschrieben haben. „Von mir ist die Mail nicht“, sagte der 43-Jährige: „Wir hatten seit Oktober 2019 mit dem Jobcenter keinen Kontakt per Telefon oder Email.“ Richter Wegert hatte Zweifel, zumal der Schreibstil schon passte.
Der ältere Angeklagte gab an, dass womöglich sein Bruder, der Zugriff auf diese veraltete Mailadresse habe, die Mail geschrieben hat. Allerdings legte der Richter ein anderes Schriftstück vor, von dem die Angeklagten einräumten, dass es sehr wohl von ihnen stammte: „Sie hatten gerade gesagt, Sie hätten in dem Zeitraum keine Mail geschrieben.“ Der 43-Jährige: „Da muss ich mich korrigieren.“
„Santaktionen“ – Ausdrucksfehler überführte den 43-Jährigen
Auch das Telefonat mit den Beleidigungen, so der Angeklagte, habe nicht stattgefunden. Doch der zuständige Teamleiter beim Jobcenter hatte als Zeuge glaubhaft vermitteln können, dass es dieses Gespräch mit „wüsten Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen“ gegeben habe. Die Stimme des 43-Jährigen habe er sicher erkannt.
Der Zeuge hatte bei der Polizei schon zu Protokoll gegeben, dass der 43-Jährige ihn gefragt hatte, wie er dazu komme, Informationen zu „Santaktionen“ weiterzuleiten. Gemeint waren Sanktionen. Ein typischer Ausdrucksfehler für den 43-Jährigen, über den auch Richter Wegert schon gestolpert war und der auch in der Mail, die er nicht geschrieben haben will, so verwendet wurde. Entlarvend.
Letztendlich wurde das Duo nur für Beleidigung und zweifache Nötigung verurteilt. Die anderen Vorwürfe ließen sich nicht erhärten. Die Bewährungszeit dauert zwei Jahre, in denen sich das Duo nichts zu Schulden kommen lassen sollte.
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