Emmerich. Das Jugendamt in Emmerich ist 2019 mehr Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdung nachgegangen. Eine Expertin erklärt, woran das liegen könnte.
Auf den ersten Blick wirken die Zahlen von IT NRW, dem Statistischen Landesamt, erschreckend. 27 Prozent mehr Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung gab es 2019 im Kreis Kleve im Vergleich zum Vorjahr. Bei den insgesamt 521 Verfahren wurden in 74 Fällen eine akute und in 69 Fällen eine latente Kindeswohlgefährdung festgestellt.
Ähnlich sehen die Zahlen in Emmerich aus. Während 2018 noch 72 Verdachtsfälle gemeldet wurden, waren es ein Jahr später bereits 93. In wie vielen Fällen sich der Verdacht bestätigte, kann jedoch nicht im Einzelnen gesagt werden.
Austauschtreffen mit Kitas und Schulen
Nadine Bremer ist Leiterin des Fachbereichs Jugend, Schule und Sport in Emmerich und führt den Anstieg der Zahlen auf ein sensibleres Umfeld von Kindern zurück: „Das Krisenmanagement des Jugendamts betreibt seit Jahren gute Netzwerkarbeit. Es finden regelmäßig Austauschtreffen mit Kitas und Schulen statt, so dass dort ein großes Verständnis herrscht.“ Darüber hinaus sei das Thema in den vergangenen Jahren auch in der Öffentlichkeit immer sehr präsent gewesen, viele seien dadurch aufmerksamer geworden.
Im Kreis Kleve haben in jedem vierten Fall Verwandte oder Bekannte des Kindes einen Verdacht beim Jugendamt geäußert. 81 Fälle haben Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft gemeldet, 68 Schulen oder Kitas. In Emmerich sei die Bandbreite der Personen, die Verdachtsfälle melden, ähnlich breit, so Bremer. Sie reiche von Mitteilungen aus Kitas und Schulen, über Meldungen von Polizei und Sozialamt bis hin zu solchen aus der Nachbarschaft. Manche Meldungen erfolgten auch anonym.
Jedem Verdachtsfall nachgehen
Ist aber beim Jugendamt ein Verdachtsfall eingegangen, gilt grundsätzlich: „Wir gehen jeder einzelnen Meldung innerhalb von 48 Stunden nach“, so Bremer. Bei einer solchen Überprüfung besuchen zwei Kollegen vom sozialen Dienst die Familie und erstellen anschließend mit den dort gewonnen Erkenntnissen eine Risikoeinschätzung.
Bei latenter Kindeswohlgefährdung folgen Hilfeplangespräche mit der Familie, bei akuter Gefährdung, wie durch sexualisierte oder seelische Gewalt, kann das Kind auch stationär in Jugendhilfeeinrichtungen aufgenommen werden.
Eltern manchmal überfordert
Doch manchmal fängt die Kindeswohlgefährdung schon mit der Überforderung der Eltern an. Denn so schön für viele die erste Zeit mit einem Neugeboren ist, so anstrengend kann sie häufig auch sein. „Die Kollegen führen in solchen Fällen zunächst einmal mit den Eltern Gespräche und bieten ambulante Hilfe an“, erklärt Bremer. Das kann beispielsweise eine Hebamme sein, die in der Anfangszeit unterstützt.
Denn eines ist Bremer wichtig zu betonen: „Das oberste Ziel ist, dass die Kinder bei ihren Eltern leben können. Ambulante Hilfearten haben immer Vorrang vor stationären Maßnahmen.“
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