Kreis Kleve. Welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Kommunen, um gegen vermüllte Sammelunterkünfte vorzugehen? Ein Gespräch mit Emmerichs Rechtsexperten.
Die Situation in den Leiharbeiterwohnungen am Niederrhein ist verheerend. Die Prüfungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie offenbaren jetzt umfassende Einblicke in Sammelunterkünfte und die Behörden stellen fest, dass zum Teil die schlimmsten Befürchtungen bestätigt werden. Von einem Wohnen könne man mitunter nicht mehr sprechen: Überbelegte Häuser, notdürftige Schlafstätten, verdreckte Zimmer.
Angesichts der Zustände wird die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten laut, die Kommunen ausschöpfen können, um die Probleme abzustellen. Die NRZ hakte nach bei Emmerichs Erstem Beigeordneten Dr. Stefan Wachs und Ordnungsamtsleiterin Karin Schlitt, die beide in den vergangenen Monaten zahlreiche praktische Erfahrungen bei der Anwendung der unterschiedlichen Rechtsmittel gemacht haben.
Es muss gesetzlich nachgebessert werden
Grundsätzlich stehe den Kommunen ein ganzer Werkzeugkoffer an Rechtsgrundlagen zur Verfügung, erklärt Stefan Wachs. Aber je genauer man auf eine Situation blicke, desto mehr werde klar: Für eine Spezial-OP fehlt das passende Skalpell. Und der herkömmliche Besteckkasten reiche nicht aus.
Seit anderthalb Jahren versucht es die Stadt Emmerich mit allerlei Mitteln: Das Ordnungsrecht, das Emissionsschutzgesetz, die Bauordnung, das Abfallgesetz, das Melderecht, das Ausländerrecht, das Wohnungsaufsichtsgesetz (WAG) und jetzt neu mit dem Hygienerecht. „Doch es zeigt sich, dass wir immer nur an den Symptomen herumdoktern, aber nicht die Ursachen bekämpfen“, sagt Wachs.
Herumdoktern an den Symptomen
Immer wieder müssten Einzelfälle geprüft werden: Ist es zu laut in der Nachbarschaft? Wird der Müll richtig getrennt? Sind die Bewohner tatsächlich gemeldet? Werden die Bauvorschriften eingehalten?
In der Vergangenheit habe man über das Baurecht einige Wohnobjekte verhindern können. So sollte ein ehemaliges Restaurant zu einer Unterkunft umgebaut werden. In der Zweckbestimmung war allerdings eine Gastronomie vorgesehen. Ähnlich gelagert war der Umbau einer Gewerbeimmobilie in ein Wohnhaus. Auch hier konnte die Gebäudeumnutzung untersagt werden.
Wohnungsaufsichtsgesetz hilft nicht weiter
Aber letztlich seien dies Einzelfälle. „In der Praxis haben wir für die Unterbindung von Sammelunterkünften keine rechtliche Grundlage“, sagt Stefan Wachs. Auch Kontrollen sind nicht so ohne weiteres möglich: Denn das Betreten einer Wohnung müsse gut begründet werden.
Das Wohnungsaufsichtsgesetz helfe im Detail nicht weiter. Das Gesetz gibt Kommunen die Möglichkeit, Missstände an Wohnraum zu beseitigen und bei Anzeichen von Verwahrlosung in den Wohnräumen Überprüfungen durchzuführen. Doch rein äußerlich gibt es in Emmerich keine Schrottimmobilien, in denen es kein fließend Wasser oder keinen Strom gibt. Bürgermeister Peter Hinze spricht daher von Problemimmobilien, die aber meist den untersten Standards entsprächen.
Neun Quadratmeter pro Person werden meistens eingehalten
Die vorgesehenen neun Quadratmeter pro Person werden eingehalten. Und auch Elektroleitungen und funktionierende WC-Räume sind meist vorhanden. „Wir würden dort wahrscheinlich trotzdem nicht leben wollen, aber formal ist dies keine Schrottimmobilie“, so Peter Hinze. Das grundgesetzliche Recht auf eine Unverletzbarkeit der Wohnung sei ein hohes Rechtsgut und könne nicht so ohne weiteres aufgehoben werden. Über das Infektionsschutzgesetz gibt es jetzt eine Möglichkeit dazu.
Wie viele Menschen tatsächlich in einer Wohnung leben, lässt sich über das Melderecht nur schwer nachvollziehen. Anmeldungen müssen erst ab drei Monaten erfolgen. Bis dahin werden die Menschen meist aber schon wieder an anderen Adressen untergebracht.
Gesetze müssen angepasst werden
Karin Schlitt weiß aus Erfahrung, dass man in einem ersten Schritt Kontakt zu den Leiharbeitsunternehmen halten sollte, um Mängel abzustellen. Durch die Kontrollen sei aber zurzeit die Mitarbeit der Unternehmen nicht gerade sehr ausgeprägt.
Um die Handhabe für die Kommunen zu verbessern, wäre eine Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes sinnvoll. Bislang sei der Aspekt einer Sammelunterkunft und die daraus resultierenden Folgen gesetzlich nicht richtig abgebildet. So müsse man die Frage klären, ob in Sammelunterkünften gewohnt wird oder ob dies nur eine Beherbergung darstelle. Generell könne man in einem Haus mit beliebig vielen Menschen wohnen, wenn die Mindeststandards eingehalten werden. Dies könne man auch über einen Bebauungsplan nicht ändern.