Emmerich. Die Holocaust Zeitzeugin Eva Weyl war am Willibrod-Gymnasium in Emmerich zu Gast. Sie berichtete den Schülern vom Leben im Lager Westerbork.

Als Eva Weyl mit ihrem Vortrag beginnt, wird es still. Die Schüler, die im Pädagogischen Zentrum des Willibrod-Gymnasiums gerade noch miteinander geredet haben, verstummen. Die 84-jährige Holocaust-Überlebende zieht sie mit ihrer Präsenz und ihrer Stimme in den Bann.

Sie beginnt ihren Bericht mit ihrer Familiengeschichte und dem jüdischen Leben in Deutschland nach der Machtergreifung der Nazis. Eindrücklich schildert sie, wie jüdische Kinder in der Schule von ihren Schulkameraden vorgeführt wurden. Wie es zu Gewalt gegen jüdische Schüler kam – von Seiten ihrer eigenen Klassenkameraden.

Schilderungen aus dem Lager Westerbork

Die Schüler der neunten Klassen des Willibrod-Gymnasiums Emmerich lauschten dem Bericht der Zeitzeugin Eva Weyl.
Die Schüler der neunten Klassen des Willibrod-Gymnasiums Emmerich lauschten dem Bericht der Zeitzeugin Eva Weyl. © Funke Foto Services GmbH | horsten Lindekamp

Besonders eindrücklich sind Eva Weyls Schilderungen über ihre Zeit im Lager Westerbork. Aus Arnheim, wohin ihre Eltern aus Kleve vor den Nazis geflüchtet waren, musste ihre Familie im Januar 1942 in das Lager. „Es war kalt und wir mussten die letzten sechs Kilometer zum Lager laufen“, sagt sie.

Den Juden, die dort ankamen, wurden alle Wertsachen genommen. Ihre Mutter hatte Brillanten – damals eine Form der Wertanlage – mit Stoff dick umwickelt und in Form von Knöpfen an ihren Mantel gebracht. „Nach dem Krieg hat sie sich aus einem der Edelsteine einen Ring machen lassen. Den hat sie mir zu meinem 60. Geburtstag geschenkt“, erzählt Eva Weyl. Erst da erfuhr sie auch die Geschichte, die hinter dem Schmuckstück steckte.

Eine perfide Scheinwelt

Das Lager selbst hat die Holocaust-Überlebende nicht als schrecklichen Ort in Erinnerung. Es gab eine Schule, einen Spielplatz, eine Badeanstalt und sie hatte ihre Freunde. „Ich amüsierte mich in diesem Lager – während meine Eltern Angst hatten“, erzählt sie.

Denn die Eltern hielten alle beängstigenden Informationen von ihr fern. Und viele Insassen des Lagers schenkten den Gerüchten, man fahre die Juden in den Osten, um sie zu ermorden, keinen Glauben. Sie lebten in einer „perfiden Scheinwelt“, wie Eva Weyl es beschreibt. „Man hatte das Gefühl, in einem normalen Dorf zu leben.“

Nur knapp dem Tod entkommen

Es gab auch keine Strafen, keine Folter, keine Ermordungen in Westerbork. Das lies der Kommandant des Lagers, Albert Konrad Gemmeker, nicht zu. „Die einzige Strafe war, dass man im Zug weggefahren wurde“, erzählt sie. Aber auch das war ein Todesurteil. Denn die Zugfahrten endeten in Auschwitz. Gemmeker behauptete nach dem Krieg, davon nichts gewusst zu haben - und ging am Ende nur sechs Jahre ins Gefängnis.

Eva Weyl und ihre Familie entkamen dem Tod nur mit Glück. An dem Tag, an dem sie selbst nach Auschwitz geschickt werden sollten, griffen Jagdflugzeuge das Lager an – weil sie es wegen des hohen Schornsteins für eine deutsche Fabrikanlage hielten. Die Liste für den Transport ging mit dem Angriff verloren.

Schüler haben Verantwortung für die Zukunft

Sie weist darauf hin, dass weder die vor ihr sitzenden Schüler des Willibrod-Gymnasiums in Emmerich etwas für die Taten der Nazis könnten, noch ihre Eltern und Großeltern. „Ihr seid nicht verantwortlich dafür, was geschehen ist. Aber dafür, was ihr daraus lernt und macht.“

Eva Weyl bittet die Schüler darum, zu „Zweitzeugen“ zu werden. Darüber zu sprechen, was sie von ihr gehört haben. Mit Verwandten, mit Freunden - und mit den Lehrern. Um sich an die Schrecken des Holocaust zu erinnern. Und dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.