Emmerich. Auch als Nicht-Jude hat Gisbert Lensing einen Platz im Jüdischen Kulturraum in Emmerich erhalten. Er war ein wichtiger Befürworter.

Er war kein Jude. Trotzdem hat er im Jüdischen Kulturraum den ihm gebührenden Platz gefunden: Gisbert Lensing, Kanonikus am Martinistift, Gutsherr, Vermögensverwalter, Deichgräf. Doch seine eigentliche Bedeutung lag woanders.

Als Abgeordneter des Rheinischen Provinziallandtages gehörte er zu jener Gruppe liberaler Köpfe, die sich für die Emanzipation der Juden einsetzten.

Dieser tolerante katholische Geistliche, der 1783 auf dem Hüthumer Uferhof geboren wurde, gehörte unbestritten zu den beeindruckendsten Rednern in Düsseldorf.

Sämtliche Vorurteile zerpflückt

Am 13. Juli 1843 schlug seine parlamentarische Sternstunde, als er die völlige Aufhebung des schändlichen Edikts Napoleons von 1808 und die politische und bürgerliche Gleichstellung der Juden im wesentlichen mit dem Gebot zur christlichen Nächstenliebe begründete. Dabei zerpflückte er sämtliche Vorurteile, Vorbehalte und faulen Ausreden.

Seine aufgeklärte Haltung hatte er durch die positiven Erfahrungen mit Juden aus seiner Emmericher Heimat und der niederländischen Nachbarschaft gewonnen: „Lasst uns sorgen, soviel an uns ist, dass zwischen ihnen und uns jede Rechtsungleichheit verschwindet, dass jede Spur des Druckes, worunter sie Jahrhunderte seufzten, verschwinde. Dieser oberste Grundsatz des Christentums ist, alle Menschen ohne Unterschied des Glaubens als Brüder zu lieben. Der Staat, der diesen Grundsatz als seine Grundlage anerkennt, hat demnach die Verpflichtung, diesen Grundsatz ins Lebens zu rufen und die Idee zur Tat werden zu lassen.“

Lensings Petition wurde vielfach gedruckt

Der Gisbert-Lensing-Park ist nach dem bekannten Hüthumer benannt worden.
Der Gisbert-Lensing-Park ist nach dem bekannten Hüthumer benannt worden. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Lensings Petition an den preußischen König wurde vielfach abgedruckt und vor allen Konfessionen begeistert gelesen, war seinerzeit in einer Zeitung zu lesen. Bis in die dunkelsten Tage des Dritten Reiches hielten viele jüdische Familien Lensings Bildnis in dankbaren Ehren.

Was war Gisbert Lensing für ein Mensch? Es gibt nur wenige Charakterisierungen und Abbildungen. Schon die Zeitgenossen bedauerten seine Scheu, einem Maler oder Lithographen Modell zu sitzen. Bernhard Lensing beschreibt seinen berühmten Ahnherrn als „sehr umtriebigen Mann“, der sein soziales Engagement von seinen Vorfahren übernommen habe.

Niederrheiner als überdurchschnittlich tolerante Menschen

Gisbert Lensing wurde 1808 in Aachen zum Priester geweiht. In dieser Zeit gehörte Aachen zur französischen Republik. „Ich denke, in dieser Zeit in Aachen ist er sehr stark in Richtung Liberalität geprägt worden“, vermutet Bernhard Lensing, „Gisbert sprach fließend Französisch. Andererseits glaube ich, dass wir Niederrheiner insgesamt überdurchschnittlich tolerante und offene Menschen sind, die ungern andere Menschen ausgrenzen.“

Vielseitig interessiert und engagiert wie er war, trat Gisbert Lensing auch bei der Wiedereröffnung des Emmericher Gymnasiums 1832 und bei der Errichtung des ersten Kommunalfriedhofs am Löwentor 1820 hervor, den er entwarf.

Ein ereignis- und facettenreiches Leben

Gisbert Lensing ist 1856 auf der Ingenburg gestorben. Dort erfüllte sich ein ereignis- und facettenreiches Leben, in dem sich eine der spannendsten Periode preußisch-deutscher Geschichte widerspiegelt, sein Grabmal befindet sich neben der St. Georgskirche.

Der Jüdische Kulturraum im PAN, Agnetenstraße 2, ist dienstags bis sonntags von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.