Emmerich/Rees. Die Lokalpolitiker aus Emmerich und Rees kommentieren die Ergebnisse der Europawahl. Der Klimaschutz ist für alle das zentrale Thema dieser Wahl.

Auch in Momenten großer Freude spricht Ute Sickelmann gewohnt ruhig und langsam. Aber die Euphorie des Emmericher Kreistagsmitglieds für Bündnis 90/Die Grünen bezüglich der Europawahl liegt in den Worten: „Die Freude ist groß. Auch, dass wir in Emmerich das beste Wahlergebnis aller Zeiten erreicht haben!“ Nämlich 20 %– plus 12,9 %. Doch Sickelmann sieht dies auch als Auftrag und Vertrauensvorschuss: „Mit diesem Elan wollen wir in die Kommunalwahl 2020 gehen.“

Schon im Vorfeld habe sie den Grünen gegenüber ein deutlich freundlicheres Klima im Vergleich zu den Vorjahren verspürt: „Ich denke, jetzt ist auch dem letzten klar, dass der Klimaschutz eine herausragende Stellung hat. Auch auf Ratsebene müssen wir bei jeder Entscheidung gucken, ob sie klimaneutral ist“, sagt Sickelmann.

Klimaschutz geht nicht alibi-mäßig

Sabine Siebers, Grünen-Fraktionschefin in Emmerich, freut sich, dass die Stimmung bei den Gesprächen am Wahlstand sich jetzt auch mal im Wahlergebnis widerspiegelt.
Sabine Siebers, Grünen-Fraktionschefin in Emmerich, freut sich, dass die Stimmung bei den Gesprächen am Wahlstand sich jetzt auch mal im Wahlergebnis widerspiegelt. © Konrad Flintrop

Auch Emmerichs Grünen-Fraktionschefin Sabine Siebers ist glücklich: Sie habe viele Jahre gesehen, wie CDU und SPD Umwelt-Themen eher alibi-mäßig aufgegriffen hätten. „Das waren leere Versprechungen. Was Europa angeht, haben die Leute jetzt gemerkt, dass etwas passieren muss.“ Also haben viele Die Grünen gewählt, das Original, wenn man so will. Erstmals spiegele das Wahlergebnis auch das wider, was sie in den Gesprächen am Wahlstand erlebe.

„Erfreulich ist, dass die Wahlbeteiligung deutlich gestiegen ist“, sagt Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze (SPD). In Emmerich lag sie bei 56,6 % – plus 6,5 %. Für die SPD sieht er „dramatische Verluste. Da wird man in Deutschland erstmal vieles zu analysieren haben“. Mit diesem Ausmaß hatte der Erste Bürger nicht gerechnet. Dass die Grünen mit dem Thema Klimaschutz würden punkten können, hatte Hinze erwartet: „Schon die Fridays for Future-Proteste zeigten, dass dieses Thema die Jugend anspricht.“

Matthias Reintjes: Die CDU müsse jetzt Antworten auf ökologische Fragen liefern

Nach der Wahl ist vor der Wahl? Wie steht es um eine erneute Kandidatur des Bürgermeisters 2020 für die SPD? „Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen. Wir setzen uns in der SPD demnächst zusammen.“

Matthias Reintjes, CDU-Fraktionschef in Emmerich, ist zwar mit dem Ergebnis der CDU nicht zufrieden, „aber es ist noch ok“. Man müsse sich mit den Themen beschäftigen, die die Jugend interessiert. Wie Digitalisierung und Ökologie. „Vom Vorgarten bis zum Bienensterben: Da warten die Leute auf Antworten der CDU“, meint Reintjes.

Die FDP hat mit 6,1 Prozent (+1,8) zwar in Emmerich das schlechteste Ergebnis im Kreis Kleve geholt, aber Steffen Straver, Ortsverbandsvorsitzender Emmerich, glaubt den Grund zu kennen: „Die FDP ist nur im Emmericher Rat nicht vertreten. Dafür ist das schon eine gesunde Basis.“ Und es sei noch Luft nach oben für das große Ziel 2020: „Bei der nächsten Kommunalwahl wollen wir wieder in den Rat einziehen.“

Hohe Wahlbeteiligung wegen einer Klima-Hysterie?

Christoph Kukulies, Sprecher des AfD-Stadtverbandes in Emmerich, ist zufrieden mit dem erreichten Ergebnis von 6,7 % in Emmerich: „Mit diesem Ergebnis bei der Kommunalwahl 2020 würden wir Fraktionsstatus im Rat erreichen.“ Aber auch für die AfD wüchsen die Bäume nicht in den Himmel. Ist die gestiegene Wahlbeteiligung ein Zeichen der Wähler gegen Rechts? „Nein, für Klima-Hysterie“, meint Kukulies.

Werner Stevens, das einzige Linken-Ratsmitglied in Emmerich, nimmt die Verluste insgesamt sportlich: „Wir haben etwas verloren, aber nicht viel.“ In Emmerich gab’s ja sogar bei 3,5 noch ein Plus von 0,5 %.

Christoph Gerwers sieht kaum lokale Implikationen

Bürgermeister Peter Hinze freut sich über die hohe Wahlbeteiligung.
Bürgermeister Peter Hinze freut sich über die hohe Wahlbeteiligung. © Thorsten Lindekamp

Der Ausgang der Wahl hat den Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers nicht überrascht. „Der Klimaschutz ist das drängendste Problem“, ist ihm bewusst. Zwar habe keine der großen Parteien auf diese Frage eine Lösung. „Aber die Kompetenz rechnet man den Grünen zu“, ist er überzeugt.

Das gute Ergebnis der Grünen sei den vielen jungen Wählern zuzurechnen. „Es ist erst einmal grundsätzlich gut, dass so viele junge Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben“, sagte er. Einen Rückschluss auf die Kommunalpolitik in Rees lässt das aktuelle Wahlergebnis laut Gerwers nicht zu. „Und mit Sicherheit nicht auch auf die Bürgermeisterwahl.“

Die Grünen wird der Klimawandel am ehesten zugetraut

„Sensationell“, bezeichnete Grünen-Fraktionschef Helmut Wesser das Abschneiden seiner Partei. „Es übertraf noch meine Erwartungen“, zeigte sich der Reeser erfreut, der nach der Bekanntgabe des Ergebnisses mit Parteifreunden das gute Abschneiden feierte. Die globalen Veränderungen sind überall sichtbar, auch bei uns hat die Dürre, die seit Frühsommer 2018 anhält, einige zum Umdenken gebracht“, glaubt er.

Man traue den Grünen am ehesten zu, den Klimawandel einzuleiten, schließt er aus dem Wahlergebnis. „Natürlich geht das nicht ohne die anderen, es ist eine zu große Herausforderung“, so der Grünen-Fraktionsvorsitzende. Jeder müsse seinen Lebensstil ändern, um den Globus zu retten. Das heiße, die notwendigen jetzt Entscheidungen zu treffen. In diesem Zusammenhang nannte er das Zulassen von Photovoltaik-Anlagen auch für den historischen Stadtkern in Rees.

Klimaschutz kostet auch Geld

CDU-Fraktionschef Dieter Karczewski hat das gute Abschneiden der Grünen überrascht. „Die Energiediskussion überlagert derzeit alle Themen“, ärgert er sich. Der Klimaschutz sei wichtig, dabei gebe es aber auch noch viele andere wichtige Probleme. „Zumal wir in Deutschland nur zwei % Einfluss auf das Klima haben“, erinnert er. Karczewski geht davon aus, dass vor allem junge Menschen grün gewählt haben. „Was sie aber noch nicht übersehen ist, dass Klimaschutz auch Geld kostet“, so Karczewski.

Jetzt baue beispielsweise For Farmers/Thesing nach den Querelen, ausgelöst von den Grünen, in der Stadt Wesel, was auch Folgen für die Reeser Steuereinnahmen habe. Ob das Europa-Wahlergebnis Rückschlüsse auf die kommende Kommunalwahl zulässt, vermag Karczewski nicht zu sagen. „Ich weiß auch nicht, was wir als CDU in Rees falsch gemacht haben sollen“, sagt er. Die Partei habe sich für Windenergie eingesetzt. „Und wissen die Jungwähler eigentlich, dass die Grünen gegen die Ausstattung der Schulen mit IT waren?“

Die SPD hat mit sozialen Themen ihre Klientel nicht erreicht

Peter Friedmann, SPD-Fraktionschef in Rees, hat an dem Wahlergebnis noch zu knacken.
Peter Friedmann, SPD-Fraktionschef in Rees, hat an dem Wahlergebnis noch zu knacken. © Dagmar Isert

Verdaut hat SPD-Fraktionschef Peter Friedmann das schlechte Wahlergebnis noch nicht. „Ich knacke immer noch dran“, gestand er am Montagmittag. Zumal sie auch in traditionell SPD-starken Bezirken deutlich verloren hätte. Auch die SPD sei für den Klimaschutz, so Peter Friedmann, aber dies mit sozialer Komponente.

Die Grünen als Wahlgewinner müssten nun auch halten, was sie versprochen hätten, so Friedmann weiter. „Beispielsweise müssen sie den Wählern erklären, dass Billigflüge nicht mehr möglich sind, dass man um ein Tempolimit nicht mehr drum herum kommt“, erklärte er. Die SPD selbst habe sich in der jüngsten Vergangenheit bemüht, soziale Themen anzupacken. Etwa die Rente mit 63. „Wir kommen bei unserer Klientel aber nicht an. Vielleicht ist das ja auch ein Kommunikationsproblem“, so Friedmann. Trotz des Wahldebakels blicke man positiv nach vorn Richtung Kommunalwahl.

„Im Gegensatz zur Kommunalwahl haben wir gut zulegen können“, freut FDP-Fraktionschef und Ortsverbandschef Heinz Schneider. Er hofft, dass er den aktuellen Erfolg bei den nächsten Kommunalwahlen noch weiter ausbauen kann. „Wir haben da noch einiges vor“, machte er neugierig, ohne schon jetzt konkreter werden zu wollen. Der große Rechtsruck sei bei der Europawahl zwar ausgeblieben, so Schneider, er hätte sich aber dennoch noch weniger rechte Stimmen gewünscht.