Rees/Emmerich. . Zwei Gedenkfeiern für die Opfer der NS-Diktatur in Rees und Emmerich sorgten für große Betroffenheit bei den zahlreich erschienenen Besuchern.
Seit 1996 wird jedes Jahr am 27. Januar – dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, dem Internationalen Tag des Gedenkens des Holocaust – im gesamten Bundesgebiet der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Bei einem jährlich wiederkehrenden Gedenktag besteht die Gefahr der Abnutzung.
Mehr noch, wenn man bedenkt, dass der jüngeren Generation mangelndes Geschichtsbewusstsein und Empathie für dieses schrecklichste Kapitel der deutschen Geschichte nachgesagt wird. Was also tun, wie sensibilisieren für das Grauen der NS-Zeit, für das Leid unzähliger Menschen?
Viele Besucher kamen ins Reeser Bürgerhaus
Dazu haben sich die Veranstalter in Rees im kleinen Saal des Bürgerhauses und in Emmerich auf dem Friedhof vieles einfallen lassen. Im Mittelpunkt stand das Wort, doch insbesondere die Beiträge der Schüler und symbolische Aktionen waren so starke Momente, dass sich kaum jemand dieser Wirkung entziehen konnte.
Viele Wortbeiträge beschäftigen sich mit der Einsicht und der Forderung: Der Holocaust ist nicht zu begreifen, wir können ihn nicht ungeschehen machen aber wir können daraus Lehren ziehen und Verantwortung übernehmen, damit in Zukunft das Unbegreifliche sich nicht wiederholt.
Diese mahnenden Worte klangen durch bei dem Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers und seinem Emmericher Pendant Peter Hinze. Und in einer Zeit eines aufblühenden Nationalsozialismus’ in ganz Europa, der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus ist jeder gefordert Haltung und Widerstand zu zeigen gegenüber denjenigen, die wieder ausgrenzen, Vorurteile schüren und diskriminieren.
Bemerkenswerte Worte von Anke Mühlenberg-Knebel
In die gleiche Kerbe schlug Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel mit ihren sehr bemerkenswerten Worten: „Der Holocaust fand nicht nur statt in den Konzentrationslager der Nazis, sondern auch hier vor Ort in Emmerich, in Elten, Tür an Tür, Haus um Haus, mit Menschen, die man täglich traf und mit denen man problemlos zusammenlebte, bevor der Rassenwahn durch die Rassengesetze ausbrach.“
Damit legte sie die Finger in die Wunde derer, die da sagen: „Hört endlich auf“. Sie endete mit den Worten: Wäre Auswitz möglich gewesen, wenn nicht geschwiegen worden wäre?
Es wurde beklemmend
Eindrucksvoll traten die Schüler aus Rees und Emmerich auf. „Aus Menschen werden Nummern – Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Nationalsozialismus“ – mit diesen Worten leiteten fünf Gruppen von Schülern des Gymnasiums Aspel ihre sehr beeindruckenden Vorträge ein. Die Gefühlswelt verfolgter jüdischer Menschen wurde nur in Worten auf eine Leinwand übertragen, ohne Kommentar, aber umso beklemmender.
Der Ausspruch von Adolf Hitler: „Es ist meine Aufgabe dass reine deutsche Volk vom Bazillus Jude zu befreien, der den deutschen arischen Körper zerstören will“, quittierten die Zuhörer mit Kopfschütteln. Diesem Wahnsinn fielen 1,3 Millionen Menschen in Auschwitz zum Opfer. Mit einem Bild gelang es den Schülern die Entmenschlichung darzustellen.
Wie ganze Familien ausgelöscht wurden
Es wurde ein Foto eingeblendet, es zeigt das Gesicht einer Frau, verunsichert, fragend und darunter den Eintrag Z63598 KL Auschwitz. Das Leid einzelner Personen trifft uns mehr als das der anonymen Masse. Das wurde sehr deutlich an den Schicksalen von einzelnen jüdischen Familien aus Rees und Kalkar.
Hier wurden Familien mit bis zu sechs Kindern der Würde beraubt, ermordet, vollständig ausgelöscht. Im Zusatzkurs „Stolpersteine“ durchleuchteten Schüler Einzelschicksale und ergänzen vorhandene Informationen auf den Stolpersteinen. Unter Wikipedia sind sie unter „vorläufig“ nachzulesen.
Stacheldraht wurde symbolisch durchtrennt
Das Programm in Rees wurde von den Haldern Strings musikalisch begleitet.
Das Mahngedicht „Ich bin ein Stern“, vorgetragen von acht Emmericher Schülern wird in Erinnerung bleiben. Der Vergleich vom Stern am Himmel und dem Stern der Juden wirft viele Fragen auf. Den Fokus auf Stacheldraht als Symbol für Unterdrückung und Abgrenzung legten Schüler der Gesamtschule Emmerich. Ein starker Auftritt als Schüler und Lehrer symbolisch mit Schnitten den dreifach Stacheldraht durchschnitten, der um ein jüdisches Mahnmal gelegt wurde.
In einer abschließenden Zeremonie wurden alle Anwesenden aufgefordert, gemäß dem jüdischen Brauch einen Stein auf das Mahnmal „zur Erinnerung an die Entrechtung und Vernichtung jüdischer Menschen“ zu legen. Wider dem Vergessen.
>> NUR GEMEINSAM IST DAS MÖGLICH
Nur wenn alle so an einem Ziel arbeiten, können Veranstaltungen dieser Qualität gelingen. Es beginnt mit den Organisatoren der Städte Rees und Emmerich. Seit Jahren engagiert sich die Bürgerinitiative Pro Kultur um die Vorsitzende Irene Möllenbeck, dass die notwendige Erinnerungskultur nicht verblasst. Und es endet mit den Haldern Strings.
Insbesondere die Schulen trugen zum Gelingen bei: Schüler der Geschichtskurse Q2/Zusatzkurs, Gymnasium Aspel sowie aus Emmerich der Hanse-Realschule, Gesamtschule, des Willibrord Gymnasiums und des Förderzentrums Grunewald.