Rees. . Heilig Abend steht Helmut Terhorst letztmals in der Backstube in Rees. Er übergibt an Patrick Gottschling, Bäckerei Tenbült. Wie es dazu kam.

Als Donnerstag Helmut Terhorst seine Brötchen in der Kindertagesstätte Hand und Hand zum letzen Mal ausgeliefert hatte, konnte er die Tränen nicht aufhalten. Am Heiligen Abend öffnet der Bäcker- und Konditormeister zum letzten Mal seine Geschäft und Café am Markt. Damit geht eine Familientradition zu Ende, die 1767 in Vehlingen begann.

Als im Jahr 1974 Alfred Bartminn, der damalige Geschäftsführer der Lebenshilfe, Helmut Terhorst fragte, ob dieser auch für nur zehn Brötchen morgens das neue Wohnheim beliefere, sagte der Bäcker nicht Nein. Damals noch unterwegs mit dem Fahrrad war der Weg nach Groin in der Dunkelheit sein täglicher Frühsport. Bis heute wird die Lebenshilfe beliefert und so wird Helmut Terhorst, auch „Mehlmaus“ genannt, ebenfalls dort schweren Herzens letztmals seine Brötchen ins Haus bringen.

Seit sechs Jahren hat er keinen Urlaub gemacht

„Ich bin sehr froh, dass ich mit Patrick Gottschling, dem Inhaber der Bäckerei Tenbült, einen Nachfolger gefunden habe, der hier alles übernimmt“, erzählt der 72-Jährige .

Im Jahr 1960 hatte Helmut Terhorst seine Lehre in Wesel bei Nanz begonnen, 1968 legte er die Meisterprüfung als Bäcker, ein Jahr später als Konditormeister ab.

Seit 60 Jahren steht der Reeser morgens in der Backstube. Seit sein Geselle Lothar Bolk in Rente gegangen ist sogar sieben Tage die Woche. „Urlaub habe ich in den vergangenen sechs Jahren auch nicht mehr gemacht. Bis auf Schützenfest-Sonntag, da nehme ich mir grundsätzlich frei.“

Um 4 Uhr ging es in die Christmette

Und auch zu Weihnachten gab es keinen Ruhetag. „Die bestellten Torten mussten am 1. Weihnachtstag zubereitet und ausgeliefert werden.“ Was allerdings für ihn und seine Bäckerkollegen eine Selbstverständlichkeit war: „Wir gingen morgens um 4 Uhr in die Christmette, trugen schwarze Mäntel über unsere Bäckerhosen und verschwanden nach der Messe sofort in der Backstube.“

Manchmal fiel es schwer, morgens um 4 Uhr dort zu stehen, wenn man noch bis tief in die Nacht gefeiert hat. „Aber wenn dann der Ofen warm wurde, ging mein Herz auf und ich hatte gute Laune.“

Die Familie hat eine lagen Bäcker-Historie

Helmut Terhorst wurde auch von vielen „Mehlmaus“ genannt.
Helmut Terhorst wurde auch von vielen „Mehlmaus“ genannt. © Schuster

Die Bäckerei wurde 1767 in Vehlingen gegründet. Im Jahr 1903 waren es zwei Söhne, die die Nachfolge antreten sollten, einer übernahm die Bäckerei Backer in Vehlingen, der andere, der Opa von Helmut Terhorst, kaufte die Bäckerei mit Wirtschaft von Bäcker Schepers am Markt in Rees.

Dessen Sohn Willi übernahm wiederum die Bäckerei, die nach dem Krieg ohne Kneipe weitergeführt wurde. „Als ich meine beiden Meisterprüfungen absolviert hatte, übergab mir mein Vater das Geschäft. Ohne Verträge, auch wenn der Steuerberater dringend dazu riet. Wir verstanden uns so gut, dass es reibungslos lief. Von ihm habe ich gelernt, in die zweite Reihe zu treten, wie jetzt an drei Tagen in der Woche bei Tenbült in Millingen. Nur ganz ohne Backen, das geht nicht.“

Plötzlich streikte der große Backofen

Als ob es ein Zeichen war: Vor vier Wochen morgens um 3.30 Uhr streikte plötzlich der große Backofen. „Die Monteure waren ehrlich, die Reparatur wäre viel zu teuer geworden“, erzählt Helmut Terhorst traurig. Der Trost seines Vetters überzeugte ihn: „Der Ofen wollte mit dir aufhören!“

Seit sich herumgesprochen hat, dass Bäckerei Terhorst am 24. Dezember schließt, sind viele liebe Abschiedsworte in Briefform oder mündlich Helmut Terhorst übermittelt worden. „Auch von Mitarbeiterinnen, die schon lange nicht mehr hier arbeiten.“ Er war ein guter Chef und bleibt ein hochdekorierter Bäcker und Konditor.

>> GEBACKEN WIRD NUN IN MILLINGEN

Der Backbetrieb in Rees ruht, gebacken wird nun bei Tenbült in Millingen. In Rees wird nach einer kurzen Umbauphase, insbesondere des Cafés, der Betrieb wieder anlaufen. Näheres wird der neue Pächter Patrick Gottschling in Kürze vorstellen.