Emmerich. . Der Chef Stadtwerke, Udo Jessner, redet im NRZ-Gespräch über Kohleausstieg, CO2-Einsparungen und die Zukunft unserer heutigen Lebensweise.
Die Appelle des Weltklimarates werden eindringlicher: Wenn die westlichen Gesellschaften nicht bald ihre Lebensweise verändern und den Ausstoß von Klimagasen deutlich verringern, dann werden sie ihre Klimaziele nicht mehr erreichen – mit unabsehbaren Folgen. Einen Vorgeschmack liefern die Wetterkapriolen des Jahres: Supersommer, Überschwemmungen, Stürme, Hitzetote. Aber was können wir tun, um weniger CO2 auszustoßen? Udo Jessner, Geschäftsführer der Emmericher Stadtwerke, ist für die Energieversorgung zuständig und sieht die Zukunft der Klimaentwicklung pessimistisch: „Der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie wird nicht dazu führen, dass wir absehbar weniger CO2 ausstoßen“, sagt er.
Strom wird ins Ausland transportiert
Um zu erklären, warum das so ist, zeigt Jessner im Gespräch mit der NRZ ein Schaubild mit vielen Fieberkurven, die den Anteil der Energieträger im Monat Januar dokumentieren. Die erneuerbaren Energien haben immer noch den kleinsten Anteil – zeigen aber große Schwankungen bei der Energielieferung. Nachts scheint nun mal nicht die Sonne und es weht auch nicht immer gleichmäßig der Wind. Um dies auszugleichen müssen Kohle- und Gaskraftwerke einspringen. Die Folge: „Wir exportieren neun Prozent unseres Stroms ins Ausland“, sagt Jessner. Und dies sei auch ganz logisch, da große Kohlekraftwerke nicht beliebig schnell vom Netz genommen werden können.
Notwendige Speichermedien fehlen
Einen generellen Kohleausstieg könne man sich auf absehbare Zeit schlichtweg nicht leisten: „Wir benötigen die Kraftwerke für eine verlässliche Energieversorgung zu sozialverträglichen Preisen“, sagt Jessner. „Ohne Kohlekraftwerke werden wir nicht in der Lage sein, den Strombedarf zu decken. Und es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass wir mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien unsere CO2-Bilanz verbessern. Das tun wir nicht, solange wir unseren Strom exportieren.“
Neueren Studien zufolge werde man es auch in Zukunft nicht schaffen, den Strom der erneuerbaren Energie zu speichern. Für die notwendigen Speichermedien gebe es nicht genügend Rohstoffe, um diese überhaupt zu produzieren. „Wir haben nicht unbegrenzt Rohstoffe auf unserer Erde“, sagt Jessner. Und wie bekommen wird die dringend geforderte CO2-Wende hin? „Ich glaube, nur langsam.“
Dennoch müssen wir einsparen, um die Umweltfolgen abzumildern. Der Emmericher Stadtwerkechef sieht zurzeit nur die Möglichkeit zu kleinen Schritten. In Emmerich werden jetzt weitere E-Lade-Säulen für Elektroautos aufgebaut: in der Gaemsgasse, bei den Stadtwerken, auf dem Geistmarkt, am Neumarkt, am Embricana.
Kein großer Wurf auf lokaler Ebene
Den großen Wurf kann er auf lokaler Ebene nicht anbieten. Im Gegenteil: Für einen großen Umschwung zur Elektromobilität wäre das Stromnetz von Emmerich gar nicht ausgelegt: „Wenn die Hälfte der Emmericher Haushalte ein Elektroauto besäße und nach Feierabend in der Garage zum Aufladen anschließen würde, dann ginge in der Stadt das Licht aus“, sagt Jessner.
Denn zurzeit gehe man von einem durchschnittlichen Verbrauch je Haushalt von 2 KW aus. Eine Ladesäule für Autos benötige aber 22 KW. „Also das Elffache dessen, war wir heute anbieten.“ Einen Netzausbau könne man nicht so ohne weiteres vornehmen: „Dieser wird von der Bundesnetzagentur bestimmt. Und die Agentur hat bislang keine Signale gesendet, dass sie einen vorzeitigen Ausbau wünscht.“ Jessner sieht bei der Umsetzung der Energiewende „riesige Probleme“, die man angehen müsse. Zurzeit lasse man sie einfach nur geschehen - zu wenig gesteuert und zu ineffektiv. „Wir kaufen teuren Wasserstrom aus Norwegen und verkaufen wiederum billigen Kohlestrom nach Norwegen“, kritisiert er.
Stromnetze werden lokaler
Gleichwohl weiß Jessner, dass die künftigen Stromnetze lokaler werden. Eine Option sei die Produktion eigenen Stroms mittels einer Photovoltaikanlage. Allerdings solle man nicht die Illusion haben, dass man mit einer Photovoltaikanlage auch ein Solarauto aufladen könne. Dafür reiche die Leistung nicht aus.
Jessner kritisiert, dass Kosten und Ertrag der Energiewende bislang in keinem Verhältnis stehen. Der Anteil der Umlagen und Steuern am Strompreis liege bei 64 Prozent. Schon heute müsse ein Ein-Personen-Haushalt 41,74 Euro für Strom im Monat ausgaben. „Schaut man sich aber unsere Hartz-IV-Sätze an, dann wird dort der Anteil für Strom und Energie mit 36,89 Euro bemessen. Das heißt: Wir wissen, dass das Geld für Strom bei Hartz-IV-Haushalten nicht ausreichen wird.“ Entsprechend hoch seien auch die Rechnungsausfälle bei den Stadtwerken - und das schon seit Jahren.
Die Bereitschaft der Kunden, mehr für Ökostrom zu bezahlen, sei gleich null. Ökostromtarife hätten sich in der Vergangenheit als Rohrkrepierer erwiesen. „Der Preis ist für viele entscheidend“, sagt Jessner. Daher beziehen die Stadtwerke seit 2016 ihren Strom vollständig aus Anlagen regenerativer Stromerzeugung und haben dafür ein Zertifikat vom TÜV Nord gekauft (20.000 Euro).
Entwicklung des Weltklimas
Die generelle Entwicklung des Weltklimas sieht Jessner kritisch, da man es kaum allein in Deutschland beeinflussen könne: „Die Menschen in Indien, China oder Afrika wollen auch einen westlichen Lebensstandard genießen. Und man könne es ihnen auch nicht verbieten“, so Stadtwerke-Chef Udo Jessner.