Haldern. . Eva Kersting-Rader aus Haldern plant ein Seelentröster-Kochbuch mit Rezepten von Verstorbenen. Warum das der Haldernerin wichtig ist.

Essen, das ist mehr als Nahrungsaufnahme. „Essen, das ist auch was für die Seele, ist Genuss“, weiß Eva Kersting-Rader. Es wecke Erinnerungen, fördere Beziehungen. Derzeit plant die geprüfte Bestatterin, zertifizierte Kunsttherapeutin und Trauerbegleiterin ein „Erinnerungs-Kochbuch mit Seelentröster-Rezepten“. Etwa zehn Rezepte hat sie schon gesammelt, weitere werden folgen. Da ist sich die Haldernerin ganz sicher.

Erinnerungen werden geweckt

Denn wenn sie als Bestatterin mit den Angehörigen ins Gespräch kommt, dann geht es nicht nur um die Abwicklung der Beerdigung. Die Angehörigen wollen sich auch mitteilen, erzählen über prägende Erlebnisse mit der oder dem Verstorbenen. Oft kommt die gesamte Familie zusammen und tauscht Erinnerungen aus. „Wie zum Beispiel die Familienfeste gefeiert wurden“, sagt sie.

Und schon redet die Verwandtschaft über Herrencreme oder Hühnersuppe, die nirgendwo so gut geschmeckt hat wie bei der eben Verstorben. Oder über die Torte, die ein Muss war, wenn Opa Geburtstag hatte. „Wenn man dies dann irgendwo anders später vorgesetzt bekommt oder sich das Gericht selbst zubereitet, dann weckt das Erinnerungen und hat auch etwas Tröstliches“, weiß die Bestatterin.

Eva Kersting-Rader aus Haldern bestattet nicht nur. Sie ist auch noch Wochen nach dem Tod für die Hinterbliebenen da.
Eva Kersting-Rader aus Haldern bestattet nicht nur. Sie ist auch noch Wochen nach dem Tod für die Hinterbliebenen da. © Konrad Flintrop

Schon immer wollte sie mehr aus ihrem Beruf machen, etwas tun über das Bestatten hinaus. „Es hat mich sehr bewegt, was Menschen durch den Tod naher Angehöriger oder Freunde durchleiden müssen“, erklärt sie. Schon zu Beginn ihrer Tätigkeit bot sie den Hinterbliebenen Trauerbegleitung an. „Aber es hat sich keiner gemeldet“, hat sie sich gewundert. Das hat sich erst geändert, nachdem Eva Kersting-Rader sich weitergebildet hat – zeitgleich zur Kunsttherapeutin und zur Trauerbegleiterin.

Gerade Weihnachten ist für die Familie wichtig

Seither hat sie ein festes Schema, das über den Zeitpunkt der Bestattung hinausreicht. Eine Woche nach der Beerdigung trifft sie sich noch mal mit den Angehörigen. Dann können sich diese aussprechen, beispielsweise berichten, was sie getröstet hat. Drei Monate danach sucht die Haldernerin die Familie erneut auf, um zu schauen, wie es ihr geht. „Wie kommen die Kinder nach dem Tod der Mutter oder des Vaters zurecht? Braucht die Familie Unterstützung, weil der Hauptverdiener weggebrochen ist? Ist eine Haushaltshilfe von nötigen? – um solche und andere Fragen geht es dann“, erklärt die 51-Jährige.

Ein halbes Jahr später schaut sie noch mal vorbei. „Wie meistert man das erste Weihnachtfest ohne den Verstorbenen?“ „Gerade Weihnachten ist für viele Hinterbliebene ein Tag, der nochmal schwierig wird, weil dann die Familie immer zusammenkam“, weiß die Haldernerin aus Erfahrung.

Eva Kersting-Rader hat selbst in eine solch durch Tod verletzte Familie hinein geheiratet. Die erste Frau ihres Mannes verstarb, der fünffache Vater – ein Kind verstarb früh – blieb mit vier Kindern zurück. Eva Kersting-Rader brachte drei Kinder in die Beziehung mit. „Wir sind nicht nur, aber auch durch das gemeinsame Essen zusammengewachsen“, ist die Haldernerin sicher.

Rezepte sollen ein Seelentröster sein

Gemeinsam am Tisch zu sitzen, das schweißte zusammen. Aber auch das Aufgetischte selbst. Denn irgendwann fragten die Stiefkinder Kersting-Rader, ob sie nicht mal das zubereiten könne, was sie früher bei ihrer leiblichen Mutter genossen hatten. „Nele hat mich beispielsweise mal gefragt, ob ich ihr eine Erbsensuppen kochen könne“, erinnert sich Eva Kersting-Rader.

Eva Kersting-Rader will bewusst Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerin auf Dauer für Hinterbliebene sein. Zumal sie weiß, wie tief der Tod in das Leben der Angehörigen eingreift. „Aus Erhebungen weiß man, dass das seelische Leiden auch körperlich krank machen kann, die Krankheiten aber oft erst nach Jahren ausbrechen“, sagt sie.

Die Rezepte sollen ein Seelentröster sein. Bei Eva Kersting-Rader sind sie gut aufgehoben. Denn in ihrem früheren Arbeitsleben war sie Küchenmeisterin. Nun verquickt sie beide Berufe, indem sie das Seelentröster-Kochbuch herausgibt, in dem beispielsweise Rezepte für Reiskuchen oder Buletten mit Zuckermöhren zu finden sein werden.