Rees. Beim Haldern Pop in Rees ist Kevin Morby zum Auftakt ein besonderer Moment im Spiegelzelt gelungen. Batkovic sorgte für Höllensound.

Bekanntlich hat Haldern Pop seinen Ursprung in der Kirche. Es waren ja Messdiener, die vor über 35 Jahren die Idee für ein Open Air in Rees entwickelten. Doch am Donnerstagabend muss der Teufel seine Finger im Spiel gehabt haben. Während es ziemlich stürmte und zeitweise Nieselregen bis tief in die Hauptbühne hinein gewirbelt wurde, lud Mario Batkovic, der sich in Haldern einst als Akkordeon-Solist vorstellte, seine Freunde auf die Bühne. Zwei Schlagzeuger, ein Keyboarder und der Chor Cantus Domus. Als dann noch Reverend Beat-Man dazu kam und den Inzest seiner künstlerischen Entstehung heraus brüllte, da fragte man sich: War das jetzt die Stippvisite der Teufels-Band?

Batkovic ließ zeitweise sogar sein Akkordeon stehen, griff zur E-Gitarre oder zu einem Instrument, dass der Keytar ähnelte, aber wie eine E-Gitarre klang. Der Höllensound erreichte schon fast ein Heavy-Metal-Niveau. Und Batkovic grinste schelmisch. Der Geniestreich war ihm gelungen.

Publikum versank in Gitarren-Dialogen

Eine Stärke des Haldern Pop sind die unterschiedlichen Stimmungen an den verschiedenen Bühnen. So erzeugte der Texaner Kevin Morby einen dieser besonderen Spiegelzelt-Momente. Das Publikum versank in den Gitarren-Dialogen. Vielleicht hat Morbys Gesang, der nah am Sprechgesang liegt, etwas Hypnotisches. Die Lieder mäandern oft daher, bis die Gitarren-Exzesse sich steigern. Vielleicht ist das ein Trend, den das bekanntlich stilprägende Festival in diesem Jahr offenbart: Die Gitarren erobern die Bühnen zurück.

Auch die Saiten-Melange bei Big Thief war großartig. Der Folk-Rock mit einer Prise Americana und Country lebt von den Gefühlsreisen beim Gesang. Adrianne Lenker bringt ganz liebliche Töne hervor, dann auch zerbrechliche und plötzlich wird sie aggressiv und kreischt. Stark.

Richtig voll vor der Hauptbühne wurde es bei Fink am Abend. Mit zunehmender Spieldauer überzeugte Fin Greenall mit seiner Band das Publikum. Der Sänger hat eine unfassbar gute und prägnante Stimme, die man immer wiedererkennen würde.

Elektro-Punk wie unter der Glaskuppel

Es gab auch ein paar Acts, die nicht ihr volles Potenzial ausschöpften: Terra Profonda haben die weniger zugänglicheren, jazzigeren Stücke ihres Repertoires für ihr Kirchenkonzert ausgewählt – selbst ihre hervorragende Single „Burried Kingdom“ spielten sie nicht? Dirty Projectors konnten zwar ihren technisch sehr verspielten Stil mit etlichen verzerrten Elementen leichtfüßig und tanzbar gestalten, auch dank des guten Gespürs für lässige Beats, aber so richtig sprang der Funke nicht über. Die russische Gruppe Shortparis klang mit ihrem Elektro-Punk, als ob sie unter einer Glaskuppel spielen würden. Man vermisste im Spiegelzelt, dass die Beats mal richtig ins Mark gehen.

Das 35. Haldern Pop Festival ist mit 7000 Besuchern erneut ausverkauft. Bewusst werden nicht mehr Karten verkauft, um die familiäre Atmosphäre beizubehalten.