Goch/Weeze. . Eva Kersting-Rader ist eine von sechs Frauen mit Handicap, die in der Ausstellung „Talente“ entdecken“ in Goch und Weeze porträtiert werden.
Eva Kersting-Rader sieht die Welt wie durch ein Schlüsselloch. Die Folgen eines Verkehrsunfalls vor 24 Jahren haben ihr Gesichtsfeld stark verkleinert. Seit einiger Zeit verschwimmt zudem der kleine Bereich, den sie erkennen kann. Dieses Handicap hat Eva Kersting-Rader bis zum letzten Jahr verschwiegen. Nur der engste Familienkreis wusste Bescheid. „Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, aber keine Idee, wie ich aus dieser Situation herauskommen könnte“, erzählt die Haldernerin. Das Versteckspiel hatte einen guten Grund: „Ich möchte gerne arbeiten. Doch mit dieser Behinderung einen gesicherten Arbeitsplatz zu bekommen, ist unmöglich“, sagt sie.
Die Schau porträtiert sechs Frauen mit einer Behinderung
Dass die Bestatterin, Kunsttherapeutin und Trauerbegleiterin ihre Blindheit kurz vor Ostern 2017 öffentlich machte, hängt auch mit der Wanderausstellung „Talente zu entdecken“ des Kompetenzzentrums Frau und Beruf Niederrhein zusammen, die in diesem Monat in den Rathäusern in Goch und Weeze zu sehen ist (siehe Box). Die Schau porträtiert sechs Frauen mit einer Behinderung, die es auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft haben. Fotograf Axel Breuer bat Eva Kersting-Rader an Gründonnerstag, ihren Blindenstock und Blindenanstecker zum Friedhof mitzubringen, um ihr Handicap auf dem Bild sichtbar zu machen.
Die Neuigkeit um das Handicap von Kersting-Rader machte in Haldern schnell die Runde
Im kleinen Haldern machte dies schnell die Runde. Davor hatte die dreifache Mutter immer Sorge, denn: „Die Gesellschaft behandelt Menschen mit Handicap nicht normal.“ Doch Eva Kersting-Rader erlebte anschließend „keine negativen Vorfälle“, sondern machte die Erfahrung, dass „manches leichter wird“. Ihr Blick auf das Leben und Arbeiten mit Behinderung bleibt jedoch differenziert: „Ich fühle mich als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft – wenn auch nicht bei allen und immer. Bis wir wirklich Gleichstellung und Integration erreichen, müssen wir noch viele Wege gehen.“
Ausstellung soll zu mehr Offenheit in der Arbeitswelt beitragen
Die Ausstellung soll einen kleinen Teil zu mehr Offenheit in der Arbeitswelt beitragen. „Jeder Mensch hat Talente. Wir möchten die Unternehmen vor Ort dafür sensibilisieren, diese Vielfalt zu integrieren“, sagt die Gocher Gleichstellungsbeauftragte Friederike Küsters, die mit ihrer Weezer Kollegin Nicola Roth diese Kernbotschaft der kommunalen Gleichstellungsarbeit aussenden möchte.
Kosten müssen auf mehrere Schultern verteilt werden, findet Eva Kersting-Rader
Eva Kersting-Rader, die mittlerweile, insbesondere um mobil zu bleiben, familiäre und professionelle Unterstützung in Anspruch nimmt, sieht jedoch nicht nur die Unternehmen in der Pflicht: „Es braucht Arbeitgeber, die den Mut und Willen haben, etwas zu verändern. Aber die Einrichtung eines speziellen Arbeitsplatzes oder die Bezahlung von Assistenten für Menschen mit Handicap dürfen nicht nur auf Kosten des Arbeitgebers gehen.“
Spender sollen es ermöglichen, arme Menschen in der Trauer zu begleiten
Eva Kersting-Rader hat sich selbstständig gemacht und hofft, ab dem 1. Oktober als gemeinnützige Bestatterin anerkannt zu sein. Mit der Hilfe von Spenden möchte sie dann arme Menschen in der Trauer begleiten. „Ich liebe, was ich tue“, sagt die starke Frau.
ZWEIGETEILTE AUSSTELLUNG
Die ersten drei Porträts der zweigeteilten Ausstellung sind bis zum 23. August im Foyer des Rathauses Goch zu sehen. Die weiteren Bilder folgen bis zum 31. August.
Im Laufe des Monats wandert die Ausstellung nach Weeze, wo sie ab dem 25. August im Rathaus für die Besucher zugänglich ist.