Emmerich. . Amtsplanung oder Gleisbettvariante? Emmericher Rat soll bis zum 29. Juni beschließen, in welche Richtung die städtische Stellungnahme gehen soll.

Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens von Straßen NRW zum Neubau der B8 in Elten kann die Stadt Emmerich noch bis zum 29. Juni eine offizielle Stellungnahme abgeben. Dafür ist ein Votum des Rates erforderlich. Nach dem Haupt- und Finanzausschuss am 26. Juni sollen noch Sondersitzungen des Ausschusses für Stadtentwicklung und des Rates folgen. Aktuell gilt der Ratsbeschluss vom 7. November 2017, in dem sich der Rat für die Variante der Eltener Bergretter ausspricht. Also grob: Berg nicht ankratzen, die B8 auf die Bahntrasse legen und die Bahnlinie (im Bild links) daneben planen.

Da es Signale gibt, Emmerich könnte mit diesem Votum den Konsens verlassen und somit auch selbst das kommunale Drittel zur Bahnübergangsbeseitigung zahlen müssen, schlägt die Verwaltung vor, den Ratsbeschluss vom 7. November aufzuheben. Dann würde der alte Beschluss pro Amtsplanung wieder greifen. Also: Berg ankratzen, B8n (im Bild) rechts der Bahntrasse in den Ort führen. Die Bürgerinitiative Rettet den Eltenberg hat nochmal einen letzten Versuch gestartet, in Berlin Hebel in Bewegung zu setzen. Nötig wäre ein neuer übergeordneter Auftrag für Elten. Nabu, Kirche und ein anonymer Privatmann würden gegen den Planfeststellungsbeschluss der Amtsplanung klagen.

Die NRZ-Redakteure Andreas Gebbink und Marco Virgillito haben zu dem Streitthema ein Pro und Kontra geschrieben.

>>>Pro: Übertriebene Bedenken

Um es vorweg zu sagen: Die Planungen der Betuwe werden Emmerich nicht schöner machen. Sie sind eine Zumutung für die Stadt, für die Region, für die Anwohner. Und auch wenn alle Kosten von Bund und Land übernommen werden: Für die Emmericher bleibt die Situation zum Heulen. Doch trotz des Elends gibt es Diskussionen, über die man nur verwundert den Kopf schütteln kann. Die B8-Verlegung in Elten gehört zweifelsohne dazu. Denn gerade die Neutrassierung der B8 ist nicht die schlechteste Lösung.

Wie mehrfach berichtet, favorisiert die Eltener Bürgerinitiative eine eigene Variante. Doch wer beide Planungen beurteilt, der kann nur zum Schluss kommen: Was die Eltener Bürgerinitiative da fordert, ist Unsinn. Warum?

Kurz gesagt: Die Gleisbettvariante löst kein Verkehrsproblem, sie ist teurer, sie benötigt deutlich mehr Fläche, sie würde die Umsetzung der Betuwe-Planung deutlich verzögern, und sie schafft Unsicherheiten bezüglich der gemachten Zusagen zur Finanzierung von Land und Bund. Welches Mitglied im Stadtrat möchte das alles verantworten? Es ist gut, wenn sich die Eltener engagieren, aber die Bedenken, die vorgetragen werden, sind übertrieben.

1. Welcher Berg?

Fangen wir bei den „Bergrettern“ an: Welcher Berg muss hier eigentlich gerettet werden? Für die Verlegung der B8 wird mitnichten der Eltenberg zur Seite geschoben, sondern lediglich ein Ausläufer angebaggert. Natürlich ist das ein gehöriger Eingriff, aber davon geht doch die Welt in Elten nicht unter. Der eigentliche Eltenberg mit St. Vitus und seinem schönen Hang befindet sich viel weiter in nord-östlicher Richtung.

2. Keine Verkehrslösung

Die Gleisbettvariante löst kein einziges Verkehrsproblem. Die Autos werden zwar bis zur Zevenaarer Straße schön um den Ort geleitet – aber dann? Die Autofahrer wollen doch mehrheitlich nicht nach Babberich, sondern in den Ort und zur Autobahn. Sprich, die Autos finden über die Klosterstraße erneut den Weg in die Ortsmitte. Um einen Ring um Elten bis zur A3 legen zu können, müsste eine weitere Umgehungsstraße für einen Millionenbetrag gebaut werden. Mit Verlaub: Straßen NRW soll die Auswirkungen der Betuwe-Route planen und nicht für eine Goldkanten-Lösung Eltens sorgen. Für eine große Ortsumfahrung Eltens gibt es weder im Bundesverkehrswegeplan noch in der übergeordneten Landes- und Regionalplanung ein Fundament. Worüber reden wir hier eigentlich?

3. Schwerlastverkehr

Niederländische Lkw können nach den Planungen von Straßen NRW über den Tichelkamp nach Lobith abfließen. Was ist falsch daran? Sie tun es bereits heute. 1400 Kfz werden auf diese Weise weniger durch Elten fahren.

4. Viadukt

Durch die Neutrassierung müssen deutlich weniger Autos den Viadukt queren. Wunderbar! Die Eltener regen sich doch schon seit Jahren über diesen Gefahrenpunkt auf. Er wird für viele fortan keine Rolle mehr spielen.

5. Der Konsens

Wer jetzt nach der Rechtsgrundlage für den Konsens fragt, der hat die Ausgangslage nicht begriffen: Es waren doch die Kommunen, die den Konsens haben wollten. Für die Abwicklung der Betuwe gibt es eine Rechtsgrundlage, und die heißt Eisenbahnkreuzungsgesetz. Emmerich sollte froh sein, dass Bund und Land den Kommunen in Finanzierungsfragen so weit entgegengekommen sind. Ihnen in dieser Frage „Erpressung“ vorzuwerfen, ist unredlich.

>>>Kontra: Nicht vorauseilend billigen

Es ist eine Never-Ending-Story. Die Betuwe mit all ihren Auswirkungen. Speziell am Eltenberg. Warum hat sich das alles so lange hingezogen? Weil es nicht gut geplant ist! An vielen Stellen. In Elten ganz besonders. Hätte man die Warnungen der Bürger früher wirklich ernst genommen, dann gäbe es den Rattenschwanz jetzt nicht. Die Bürger wollen nicht ihren Berg angekratzt sehen. Sie wollen den Ortskern vom Verkehr entlasten.

Grundsätzlich erschließt sich nicht, warum es für eine Baustelle zwei zeitlich hintereinander liegende Verfahren gibt. Straßen NRW kann doch nur das planen, was die Deutsche Bahn in ihrer vorgelagerten Planung ermöglicht. Die Verfahren hätten zwingend ganzheitlich betrachtet werden müssen.

Während die Nation über Feinstaub in Großstädten diskutiert, ist es kaum nachvollziehbar, dass „Klein-Elten“ im Ortskern tatsächlich ähnliche Probleme hat. Und das in einem Ort, der Kneipp-Kurort werden will. Bleibt es bei der B8 im Ortskern, dann wäre eine Ortsumgehung für immer vom Tisch. Klar, im Moment wird nur über die halbe Ortsumgehung diskutiert. Aber bleibt es bei den Plänen, dann wären sämtliche künftigen Lösungen für eine echte Ortsumgehung bis zur A3-Abfahrt vom Tisch. Außerdem ist die Entlastung des Ortskerns durch die Verkehre mit dem Ziel niederländisches Grenzgebiet nicht zu unterschätzen. Nicht alle wollen zur A3.

Jegliche Argumentation, was den Kostenvergleich betrifft, kann man vergessen. Es ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Straßen NRW und Deutsche Bahn sprechen über die Kosten allein für ihren Auftrag. Die Bergretter haben übergeordnete Pläne, die weitere Elemente berücksichtigen. Es macht keinen Sinn, dies 1:1 vergleichen zu wollen. Gleiches gilt für den Flächenverbrauch.

Dass Straßen NRW und Deutsche Bahn argumentieren, wie sie es tun, ist verständlich. Sie haben keinen anderen Auftrag. Ein neuer, übergeordneter Auftrag muss aus Berlin kommen oder hätte längst kommen müssen (deshalb kann auch keine Ortsumgehung im Bundesverkehrswegeplan stehen). Das Beispiel Mittelrhein zeigt, dass eine weiterführende Planung selbst nach Planfeststellungsbeschluss noch möglich ist. Andernorts, nämlich im Wahlkreis von Wolfgang Schäuble, wurden viel teurere Lösungen im Sinne der Bürger durchgesetzt. Wohnen hier Bürger zweiter Klasse?

Der Konsens ist zumindest in der Auswirkung auf den Rat eine Mogelpackung. Klar, die Kommunen haben Alarm geschlagen, weil sie sich sorgten, ihr Drittel der Kosten in der Bahnübergangsbeseitigung nicht stemmen zu können. Land und Bund sagten zu, die Kosten zu übernehmen, wenn denn Einigkeit zwischen DB und den Kommunen herrscht, wie die Pläne ausgestaltet werden. Mehrfach wurden im Rat Entscheidungen getroffen, bei denen man den Weg einschlug, der im Sinne des Konsenses unproblematisch zu sein schien. Sachargumente traten in den Hintergrund. Als der Rat doch die Bergretter-Pläne unterstützte, kam wieder der Konsens-Alarm. Dabei stehen viele Details noch gar nicht fest. Eine Zustimmung zu den Plänen sollte man erst erwarten, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Nicht im vorauseilenden Gehorsam. Z.B. wären mit den Plänen von DB und Straßen NRW die Sportplätze überplant. Es ist offen, wie das ausgeglichen wird. Aber konsensual zustimmen sollen die Politiker vorher? Nur ein Beispiel für die Katze im Sack, die der Emmericher Rat jetzt kaufen soll.