Rees. . Die geplante Abgrabung „Reeser Welle“ löst das größte Verfahren im Kreis Kleve aus. Naturschützer und Landwirtschaft sind dagegen.

Es wird das größte Abgrabungsverfahren im Kreis Kleve - und vermutlich auch das komplizierteste. Die geplante Abgrabungsfläche Reeser Welle bei Esserden wird ein Mammutprozess. Das kündigte Dr. Hermann Reynders, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, im Naturschutzbeirat am Mittwochabend an: „So ein Verfahren haben wir im Kreis Kleve noch nicht erlebt und so viel Aufwand ist auch noch nie betrieben worden.“

Reynders erläuterte den Vertretern aus Landwirtschaft, Naturschutz und anderen Interessensvereinigungen das genaue Prozedere. Im Moment befinde man sich noch ganz am Anfang. Aus planungsrechtlicher Sicht sieht die Naturschutzbehörde keine Probleme für die gut 100 Hektar große Abgrabung im Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein. Reynders wies auf eine ausführliche FFH-Verträglichkeitsprüfung hin, die man vornehmen werde.

„Diese dreistufige Prüfung haben wir so im Kreis Kleve auch noch nie durchgeführt“, sagte Reynders. Aus seiner Sicht gebe es keine Alternativen für die Abgrabung. „Die Sicherung von Bodenschätzen ist ein wichtiger öffentlicher Belang“, sagte Reynders. Wenn die Fläche nicht in Esserden abgegraben werde, dann müsse sie an einer anderen Stelle im Kreis zur Verfügung gestellt werden.

Naturschutzbeirat lehnte die Vorlage ab

Für die beeinträchtigten Vogelarten gebe es einen Ausgleich. Der bedrohte Kiebitz bekommt eine Kompensationsfläche von 18,73 Hektar, hier soll ein neues Brutgebiet geschaffen werden. Die Ersatzäsungsflächen für Wildgänse würden 114,50 Hektar betragen.

Der Naturschutzbund sieht rechtliche Defizite in dem Vorhaben Reeser Welle.
Der Naturschutzbund sieht rechtliche Defizite in dem Vorhaben Reeser Welle.

Die Argumente der Unteren Naturschutzbehörde wurden gehört, allerdings auch von der Mehrheit des Naturschutzbeirates abgelehnt. Auch das geschieht äußerst selten. Mit acht zu sieben Stimmen lehnte der Beirat die Vorlage der Behörde ab.

Adalbert Niemers, Vertreter des Naturschutzbundes, trug eine ganze Reihe von Bedenken vor. Das größte rechtliche Defizit sieht er im Verstoß gegen europäisches Recht. Bei der beantragten Fläche handele es sich um ein faktisches Vogelschutzgebiet, welches durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes auch gesichert sei.

Sollte hier eine Nassabgrabung erfolgen, hätte dies gravierende negative Folgen für viele Wiesenvogelarten. „Wenn man sich an die Vorgaben des Vogelschutzgebietes halten würde, dürfte eine Befreiung nicht erteilt werden“, so Niemers.

Problematisch für Kiebitz und Steinkauz

Die vorgesehenen Ausgleichsflächen für den Kiebitz überzeugen ihn wenig. „Die Maßnahmen halten wir für nicht ausreichend.“ Ähnlich problematisch sei die Situation für den Steinkauz. In dem Gebiet gebe es sechs Steinkäuze. „Auch diese Vögel würden massiv zurückgedrängt“, so Niemers.

Seltene Einigkeit gibt es in dieser Frage zwischen Naturschutz- und Landwirtschaftsvertretern. Auch Viktor Bontrup aus Rees hält die geplante Abgrabung für keine gute Sache. Er denkt in erster Linie an die Bürger von Esserden, die durch die Abgrabung möglicherweise Schäden hinzunehmen hätten, auch wenn die Kiesunternehmen anderes behauptet.

Störend sei auch die Geschwindigkeit, mit der Kies und Sand im Raume Rees abgegraben werden. Hier müsse der Kreis ein deutliches Zeichen setzen und auf die Bremse treten, zumal der überwiegende Teil der Rohstoffe in die Niederlande exportiert werde.

Dr. Hermann Reynders sagte, dass der Kreis jetzt alle Stellungnahmen sammeln werde und es einen Erörterungstermin geben werde. Dies werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Bürgermeister wehrt sich gegen Anschuldigungen

Bürgermeister Christoph Gerwers weist die Anschuldigung seitens des Vereins Eden scharf zurück, die Verwaltung schöpfe ihre Möglichkeiten nicht aus, die Abgrabung Reeser Welle zu verhindern. „Wir sind hier ja überhaupt nicht Genehmigungsbehörde, sondern der Kreis“ stellte Gerwers klar.

Er bleibe bei seiner Befürchtung, dass die Reeser Welle vermutlich genehmigt werde. „Alle anderlautenden Aussagen hieße Ratsmitgliedern und Bürgern Sand in die Augen zu streuen“, war er hörbar sauer. Die Verwaltung habe die Aufgabe, den Rat schließlich sach- und fachkundig zu beraten.

Der § 3, Abs. 2 des Abgrabungsgesetztes NRW bedinge nämlich nach juristischer Lesart keineswegs ein „Kann“, wie Eden behaupte, sondern ein „Muss“ für die Abgrabung. Darin heißt es: Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn 1. ein vollständiger Abgrabungsplan vorliegt, 2. die Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie die Belange der Bauleitplanung, des Naturhaushalts, der Landschaft, des Bodenschutzes und der Erholung beachtet sind und 3. andere öffentliche Belange im Einzelfall nicht entgegenstehen.

Damit die Stadt nicht außen vor ist

Die Stadt habe keineswegs „vorsorglich“ Argumente für den Abgrabungsfall gebracht, sondern ausschließlich aus dem Grund, weil sie ansonsten außen vor bleibe. Heißt: Ihre Belange unberücksichtigt bleiben. Gleiches gelte auch für die Bürger. Daher und nur daher habe er das Thema auf dem Neujahrsempfang angesprochen, nämlich um die Bürger aufzurufen, ihre Rechte durch Einwendungen zu wahren.

Gerwers hat zudem den Eindruck, dass die Abgrabungsfirmen „sehr bemüht“ seien, die Auskiesung durchzusetzen. Falls der Spyckweg, übrigens 0,03 von insgesamt 94 ha Abgrabungsfläche, nicht zur Verfügung gestellt würde, hielte das die Kiesfirmen keineswegs von ihrem Vorhaben ab, so Gerwers.