Emmerich. . Bürgermeister Peter Hinze spricht öffentlich über seine anstehende Hochzeit am 30. September. Die Botschaft: Nach dem Outing sei vieles leichter.

  • Die NRZ hat Peter Hinze gefragt, ob er über dieses persönliche Thema sprechen will
  • Offen gibt der Bürgermeister zu, dass er vor seinem Outing große Angst hatte
  • Nun will der 57-Jährige anderen Homosexuellen Mut machen

Am Mittwochmorgen hätte Peter Hinze für einen Moment das anstehende Pressegespräch fast wieder abgesagt. Es sollte kein leichtes Thema sein, über das die NRZ mit dem Bürgermeister sprechen wollte. Denn es geht um ihn persönlich.

Am 30. September geben sich der 57-Jährige und sein Partner Hubertus Pooth aus Bislich das Ja-Wort. Wenige Stunden, bevor die Gesetzesänderung in Kraft tritt und Gleichgeschlechtliche offiziell heiraten dürfen. Die „Verpartnerung“ war halt schon geplant, wird aber sicherlich nach dem 1. Oktober umgeschrieben zur Ehe.

Das Outing war unglaublich erleichternd

Peter Hinze hat hin und her überlegt, ob er mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehen soll. Die NRZ hatte angefragt.
Peter Hinze hat hin und her überlegt, ob er mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehen soll. Die NRZ hatte angefragt. © Klaus-Dieter Stade

Warum ist Peter Hinze bereit doch über seine sexuelle Gesinnung, seine Gedanken vor dem Coming-Out, seine Hochzeit zu sprechen? Es geht um die Botschaft. Er will anderen Menschen, die das gleiche Geschlecht lieben, Mut machen. Vor allem jungen Menschen, die noch nicht seine Lebenserfahrung haben, möchte er ermutigen sich nicht zu verstecken. „Im Doppelleben wird man Zeit seines Lebens nicht glücklich. Das Versteckspiel raubt ungeahnte Möglichkeiten. Das, was man nach seinem Coming-Out gewinnt, kriegt man nicht formuliert. Es ist unglaublich, wie erleichternd das ist.“ Vor zwölf Jahren sei die ganze Last von ihm gefallen. Er hatte das Gefühl, er könne wieder von Kopf bis Fuß atmen.

Peter Hinze: „Ich habe mich erschießen wollen“

Hinze erinnert: „Die Selbstmordrate bei Schwulen ist nach wie vor hoch. Es ist die Sorge um das Elternhaus, das Umfeld.“ Wie fühlt sich ein Schüler kurz vor dem Outing, wenn ein Mitschüler auf dem Schulhof jemanden als „schwule Sau“ bezeichnet? Schwul wird ja häufig als Schimpfwort benutzt.

Das Wort „homosexuell“ vermeidet Hinze bewusst: „Das klingt, als ob ich krank wäre. Ich bin schwul.“ Punkt. Heute kann er das problemlos sagen. Früher fiel ihm das schwer. Kurz vor seinem Coming-Out war Hinzes Gemütslage ganz anders: „Ich habe mich erschießen wollen. Ich hatte große Angst vor den Reaktionen in meinem Umfeld.“

Erst seit 2004 weiß Hinze um seine Homosexualität. Zu der Zeit ist er noch verheiratet, hat mit seiner Frau einen Sohn. Er weiß, dass er mit dem Outing seinen Lieben auch weh tun wird. Ihn überkommen Fluchtgefühle, bei der Bundeswehr wollte er sich versetzen lassen.

Klaus Wowereits Outing hat geholfen

Geholfen hat ihm das Outing von Berlins Oberbürgermeister Klaus Wowereit. „Dann sollte das als stellvertretender Bürgermeister von Emmerich doch auch gehen, dachte ich mir“, so Hinze. Bestärkt habe ihn auch die Reaktion einer politischen Weggefährtin, der er sich anvertraute. Sie sagte: „Du bist doch jetzt kein anderer Mensch.“

Im Nachhinein hätte er sich viele schlaflose Nächte sparen können. Zu seiner Ex-Frau und dem Sohn habe er ein sehr gutes Verhältnis. Emmerich nimmt ihn, wie er ist. Seine Ehrlichkeit scheint ihm positiv ausgelegt zu werden. Die Zeiten haben sich geändert. Schwul zu sein, sei zwar immer noch nicht „normal“, aber gesellschaftlich weitgehend akzeptiert: „Vor 30 Jahren hätten sie mich bei der Bundeswehr entlassen“, sagt Hinze.

Er und Pooth kennen sich seit elf Jahren, haben sich immer mal wieder durch gemeinsam Bekannte gesehen, bis es vor drei Jahren funkte. Der Bürgermeister hat schon bei seiner Vereidigung betont, dass ihm das Privatleben wichtig sei: „Für uns ist es wichtig, die Zeit die wir haben, gemeinsam zu gestalten.“ Auch Pooth, der in der Gastronomie tätig ist, ist beruflich sehr eingespannt. Und Bürgermeister ist man 24 Stunden am Tag.

„Da wo Liebe ist, ist Gott“, aus dem Alten Testament

Die Beziehung ist in der öffentlichen Diskussion weitgehend kein Thema, auch wenn Hinze seinen Zukünftigen durchaus zu Neujahrsempfängen und Co. mal mitnimmt: „Mit mir spricht man mehrheitlich weniger darüber.“ Bisher habe er aber auch nicht das Gefühl, dass es ein Problem ist, wenn der Bürgermeister schwul ist: „Es muss nicht jeder gut finden, aber es sollte akzeptiert und respektiert werden.“

Das Ja-Wort geben sich Pooth und Hinze auf dem Gut Falkenstein. In Bislich bindet Pfarrer Stefan Sühling das Paar in den Gottesdienst ein. Immerhin. Pfarrer Karsten Weidisch habe mal aus dem Alten Testament zitiert: „Da wo Liebe ist, ist Gott.“ Damit sei alles gesagt, findet Peter Hinze.

Dass Hinze mit sich im Reinen ist, zeigt auch die Antwort auf die Frage, ob er schon mal über Schwulen-Witze habe künstlich lachen müssen: „Ich kann auch selbst welche erzählen.“

>> WO JUGENDLICHE RAT FINDEN

Als der Bundestag kurz vor der Sommerpause die Gesetzesänderung zur „Homo-Ehe“ billigt, war Peter Hinze überrascht: „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht. Aber die Zeit war reif.“

Für Jugendliche, die nicht wissen, mit wem er über ihre öffentlich nicht bekannte Homosexualität sprechen sollen: In Kleve gibt’s ein Schwulen- und Lesben Kaffeetreffen. Infos dazu unter www.together-virtuell.de.